Uran-Versuchsbergbau im Schwarzwald
Prospektion
Radioaktiven Stoffen, insbesondere dem Uran, kamen in der Nachkriegszeit eine wesentliche strategische Bedeutung zu. Im Badischen Berggesetz wurden Uranverbindungen 1947 als „bergfreie“ Bodenschätze unter Staatsvorbehalt gestellt, so dass es Privatpersonen nicht erlaubt war nach radioaktiven Erzen zu suchen.
Dessen ungeachtet prospektierte der Bergingenieur Otto Leible nach Uranvorkommen, wie sie aus dem Erzgebirge mit ihrem reichen Pechblende-Vorkommen, schon lange bekannt waren. In Anbetracht ähnlicher Mineralparagenesen in Wittichen und Sulzburg vermutete er auch dort höffige Erzparagenesen, die er mit Hilfe eines tragbaren Geigerzählers im Jahr 1949 nachweisen konnte.
Erst Beschreibungen uranhaltiger Erze im Schwarzwald sind jedoch deutlich älter:
1790: Uranglimmer (Grube Herzog Friedrich bei Alpirsbach-Reinerzau)
Vom württembergischen Bergrat J.F.W. Widenmann stammt aus dem Jahr 1790 die erste Beschreibung eines mit Kobalterzen vergesellschafteten grünen „kristallisierten Uranglimmers“ im Schwarzwald. Der Fund stammte von der Halde der Grube Herzog Friedrich bei Alpirsbach-Reinerzau (Dreikönigstern-Gangzug). Die Entdeckung wurde 1793 veröffentlicht.
1840: Uranpecherz (Grube Sophia in Wittichen)
Der Schweizer Chemiker Jean Charles Galissard de Marginac beschrieb 1840 Uranpecherz aus dem Gang der Grube Sophia bei Wittichen.
1911: Uranglimmer (Halde Michaelstollen bei Lahr)
Goldbach fand 1911 Uranglimmer auf der Halde des neu aufgefahrenen Michaelstollen im Weiler bei Lahr.
Nach den Funden von Leible setzte in den frühen 1950er Jahren eine mehrjährige staatliche Prospektionstätigkeit auf Uran ein. Die umfangreichen Untersuchungen erfolgten durch die Badische Geologische Landesanstalt in Freiburg unter der Führung ihres Direktors Dr. Franz Kichheimer.
Hinweis: Franz Kirchheimer war ab 1975 Präsident der Nachfolgebehörde, dem Geologischen Landesamt Baden-Württemberg.
Ab Ende der 1960er Jahre wurde die Erzsuche in exakt umrissenen Regionen privaten Bergbauunternehmen ermöglicht. Wurde die Erlaubnis zur Prospektion erteilt, war der Ermächtigungsinhaber verpflichtet, die Arbeiten innerhalb von sechs Monaten aufzunehmen und diese auch kontinuierlich weiterzuführen. Wegen der staatlichen nicht unbedeutenden Bezuschussung durch Bund und Land mussten auch laufend Verwendungsnachweise der empfangenen Fördergelder erstellt werden.
Ab 1960 wurden durch das Finanz- und Wirtschaftsministerium in Stuttgart mehrere Erlaubnisfelder verliehen:
Barbara Erzbergbau AG, Düsseldorf
Erlaubnisfeld: Badenweiler
Gewerkschaft Brunhilde, Uetze (Niedersachsen)
Erlaubnisfelder: Belchen und Oberkirch
Ab 1977 ist die Pathfinder Mines Corporation in San Francisco, ein zum General-Electric-Konzern gehörendes Uranbergbau-Unternehmen, mit 75 Prozent an drei Schürfkonzessionen der Gewerkschaft Brunhilde beteiligt.
Uranerzbergbau GmbH & Co. KG, Bonn
Erlaubnisfeld: Hotzenwald-Kinzigtal
(Förderzeitraum: August bis Dezember 1975)
Saarberg-Interplan Uran GmbH
später: Saarberg-Interplan AG
(eine Tochter der bundeseigenen Saarbergwerke AG)
Erlaubnisfelder: Baden-Baden/Gernsbch und Murgtal (1972) sowie Nagoldtal, Elztal, Kandertal und Schuttertal (1975)
Ab 1980 ist die Rio Holdings Exploration GmbH aus Hannover, Tochterfirma der britischen Rio Tinto Zinc-Corporation Ltd., mit 40 Prozent bei zwei Prospektion-Konzessionen der Saarberg-Interplan im Schwarzwald beteiligt.
Ablauf einer Prospektion
Geologische Strukturen
Zielsetzung der Prospektion ist das Auffinden geologischer Strukturen, in denen nach dem Stand der Wissenschaft Uranvorkommen vermutet werden, wie z.B.
Granite im Mittleren und Südlichen Schwarzwald (Zweiglimmergranite mit spätmagmatischer hydrothermaler Überprägung)
Pegmatite
Aplite
Metablastite
karbonische Sedimente
1: Linearanalyse (Lineation)
Analyse oberflächlich sichtbarer, geradliniger Geländestrukturen auf Luft- und Satellitenbildern, die möglicherweise auf tektonische Störungen zurückgeführt werden können. Identifizierung durch z.B.
- Farbnuancen, verursacht durch unterschiedliche Durchfeuchtung
- differenziertes Höhenwachstum der Vegetation
- Gewässernetze
Störungen bilden potentielle Wegsamkeiten für (erzhaltige) Fluide. Uran ist in der oxidierten Form, als U +VI, besonders mobil, so dass an geeigneten Strukturen Stoffverfrachtungen und Anreicherungen möglich sind. Auffällige und höffige tektonische Strukturen werden im nächsten Schritt deshalb genauer untersucht.
2: Radiometrische Messungen
Messverfahren:
Carborne-Befahrungen mit Szintillometern (Befahrung verfügbarer Wege mit dem Geländewagen)
Helikopterbefliegungen in möglichst gleichbleibender Höhe
Emanometrische Gitterprospektion (Radonmessungen an Gittermesspunkten über längere Zeiträume)
Geomagnetische Messungen (Messung von Leitfähigkeitsunterschieden)
Das Very-Low-Frequency-Verfahren (VLF-Verfahren) ist ein passives geophysikalisches Verfahren zur Untersuchung unterirdischer Strukturen. Es werden am Boden ortsaufgelöst die direkten und die durch den Untergrund induzierten Magnetfelder starker Längstwellen-Sendeanlagen gemessen. Daraus lassen sich Rückschlüsse auf Änderungen der elektrischen Leitfähigkeit des Untergrundes ziehen.
Das VLF-Verfahren nutzt leistungsstarke Sender verschiedener Länder aus, die weltweit empfangbar sind und beispielsweise zur Kommunikation mit Unterseebooten dienen. Solche Längstwellensender werden in einem Frequenzbereich von 15 bis 25 kHz betrieben. Die gesendete Horizontalkomponente des primären Magnetfeldes induziert in großer Entfernung zum Sender Wirbelströme im Untergrund. Das hierdurch erzeugte sekundäre Magnetfeld (Vertikalkomponente) hat entsprechend der elektrischen Leitfähigkeit des Untergrundes eine zum primären Magnetfeld (Normalfeld) veränderte Amplitude und eine Phasenverschiebung. VLF-Messungen werden genutzt, um insbesondere Leitfähigkeitsveränderungen, hervorgerufen durch langgestreckte vertikale Strukturen, im Bereich der Geologie und der Hydrologie zu erfassen.
Auswertung der Strahlungsprofile zur Feststellung von Anomalien. Als Anomalie wurde eine geologische Struktur bezeichnet, deren Radioaktivität den Hintergrundwert des Nachbargesteins um den Faktor 3 übersteigt. Anomale Bereiche werden im nächsten Schritt detaillierter untersucht.
3: Geochemische Prospektion
Chemische Analytik von Quellwasser (großflächige Hinweise auf Uranvorkommen).
4: Geologische Detailkartierung
Geologische Feinkartierung lokaler Strahlungsanomalien
Anhand chemischer Analysen von rasterartig entnommenen Bodenproben (Probengitter) kann die Ausdehnung einer bekannten Anomalie genauer untersucht und räumliche abgegrenzt werden.
Bohrungen mittels verschiedener Bohrverfahren (mit und ohne Kerngewinn)
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- flache Bohrungen bis wenige Meter Tiefe zur Erkundung oberflächennaher Vorkommen
- tiefere Bohrungen bis mehrere 100 m Tiefe zur Erkundung von Urananreicherungen mit zunehmender Tiefe
5: Bergmännische Untersuchung einer Lagerstätte
Bergmännische Untersuchungen von Uranvorkommen im Schwarzwald wurden nur in der Grube Müllenbach und der Grube Krunkelbach in Menzenschwand durchgeführt. In beiden Gruben wurde „ausschließlich“ Versuchsbergbau betrieben, ein Regelbetrieb wurde nicht aufgenommen.
Die Hauptvorkommen blieben drin.
Die Uran-Prospektion wird eingestellt
Vor dem Hintergrund stark fallender Weltmarktpreise, dem Rückgang staatlicher Förderungen und den stetig zunehmenden Widerständen der Umweltbewegung wurde die Uransuche im Schwarzwald im Jahr 1983 eingestellt.
Menzenschwand (St. Blasien)
Das größte Uranvorkommen im Schwarzwald wurde in Menzenschwand im Südschwarzwald gefunden. Nicht durch Kirchheimer, sondern durch zwei Geologiestudenten! Bei dem Vorkommen handelt es sich um die größte Uranlagerstätte im Westteil von Deutschland.
In der Grube Krunkelbach wurden durch die Gewerkschaft Brunhilde im Zeitraum von 1960 bis 1991 über einen 249,5 m tiefen Blindschacht, auf insgesamt neun Sohlen und einem 4.300 m langen Streckennetz ca. 100.000 t Uranerz gefördert.
Besonders pikant an der Bergbaugeschichte im Krunkelbachtal ist, dass die Gewerkschaft zu keiner Zeit über eine Konzession zum Abbau verfügte, sondern lediglich zur Untersuchung (Prospektion).
Müllenbach (Baden-Baden)
In Müllenbach bei Baden-Baden wurden ab 1975 durch die Fa. Saarberg-Interplan Uran GmbH, später nur noch Saarberg-Interplan GmbH, zwei Probestollen angelegt (Kirchheimerstollen und Sauersboschstollen) und Versuche zur Auslaugung des Urans unternommen.
Bis 1982 wurden mindestens 30 Tonnen Uran entnommen.
Planungen einer Erzaufbereitung im 2 km entfernten Oberen Waldbachtal (Gernsbach) wurden, nicht zuletzt wegen massiver Proteste, nie umgesetzt („Das Uran bleibt drin“).
Kirchheimerstollen (links) und Sauersboschstollen (rechts) in BAD-Oberbeuern im Januar 2023. Das Uran blieb am Ende drin.