Bergbau in Schenkenzell

Silber und Kobalt – Die Geschichte des Bergbaus in Schenkenzell und Umgebung

Die Gemeinde Kaltbrunn-Wittichen hat in der Geschichte des Schwarzwälder Bergbaues eine besondere Bedeutung erlangt durch die zum Teil recht beachtlichen Silber- und Kobaltvorkommen und durch das Blaufarbenwerk, das seine Erzeugnisse über die Grenzen Deutschlands hinaus in verschiedene europäische Länder exportierte.

Wann der Bergbau im Witticher Revier begonnen hat, lässt sich wohl nicht mehr mit Bestimmtheit feststellen. Zeugnisse aus dem Mittelalter fehlen.

Erster Nachweis

Den ersten sicheren Nachweis für die Eröffnung von Gruben gibt eine Urkunde aus dem Jahr 1517, in der die Landgräfin Elisabeth zu Fürstenberg, die Witwe des 1509 verstorbenen Grafen Wolfgang I. dem „Ehrsamen, gelehrten, Unnserem lieben getrüwen Johannes Wäscher von Markhdorff, der Zytt Schulmeister und Stattschriber zu Wolffach …, genannt Jm Wittichenstain“ verlieh mit allem, was nach damaligem Bergrecht dazugehörte.

Dafür musste der genannte Johannes Wäscher sich verpflichten, den „zehnten Kübel Ärtz oder Metall“ von  allem anfallenden Erz der Landesherrschaft zu liefern.

Die Gräfin versprach für sich und ihre Nachkommen, die Unternehmer und Bergleute, „so zu vnnd uff dem Bergwerkh dienent, arbeitent, handeln vnd wandlent, Jhr und aller Lyb und Guoth in Vnnserem land, so wüt wür zue gepieten haben“, zu geleiten, zu schützen und zu beschirmen.

Die von den Bergarbeitern benötigten Lebensmittel durften zollfrei eingeführt werden. Außerdem sollten „och alle Hütten, Hüßer und Höffe, so zu vnd vff dem Bergwerkh von nüwen gemacht oder gebuwen werden vnd darzue dienent, fry sein aller Bott, Verbott, Stueren, Schatzungen Huet und Wacht, und anderer derglichen beschwerdten“.

Die Befreiung von Zoll und sonstigen Abgaben entsprach den auch andernorts üblichen Privilegien, mit denen man dem Bergbau eine Ausnahmestellung einräumte.

Außer dieser Belehnung von 1517 sind uns über den Bergbau in Wittichen für das 16. und 17. Jahrhundert keine weiteren Nachrichten überkommen. Wahrscheinlich hat der reiche Silberimport aus den neu entdeckten spanischen Kolonien in Südamerika nach Europa wie an vielen Stellen, so auch im Kinzigtal, die Gruben gegen Ende des 16. Jahrhunderts zum Erliegen gebracht, da sich der Abbau nicht mehr rentierte. Dann behinderte der Dreißigjährige Krieg den Handel und das Gewerbe.

Neuer Auftrieb im 18. Jahrhundert

Im benachbarten Rippoldsau nahm man um 1649 die Schürfversuche nach Kupfererz auf, im Gebiet von Wittichen kam der Bergbau erst Anfang des 18. Jahrhunderts wieder in Gang.

Die Anregung dazu gab Fürst Anton Egon von Fürstenberg, der nach der Krönung Augusts des Starken zum König von Polen im verwaisten Sachsen als Statthalter amtierte. Anton Egon empfahl seinen Verwandten, die alten Bergwerke im Kinzigtal, die zum Besitz des Hauses Fürstenberg gehörten, durch sächsische Bergbau-Fachleute auf Erzvorkommen untersuchen zu lassen.Die Stühlinger Verwandten nahmen die Anregung auf und ließen die Bergleute kommen. Die Visitatoren meinten, dass im Kinzigtal „noch gute bergmännische Hoffnungen bestünden“. Am so genannten Silberberg bei Wittichen, so steht im erhaltenen Gutachten zu lesen, sei die Rute „auf weißgülten Erz“ angeschlagen. Die sächsichen Bergleute fanden einen eingebrochenen Stollen. Sie schlossen daraus, dass in Wittichen vor längerer Zeit ein Silberbergwerk bestanden habe.

Der Bergbau im Kinzigtal erhielt durch das sächsische Gutachten einen neuen Autrieb. Der Öhringer Kaufmann Anton Fisher bekam die Genehmigung, die Rippoldsauer Kupferzeche wieder aufzunehmen. Zur Finanzierung des Unternehmens gründete Fischer eine „Gewerkschaft“. So nannte man die damlas übliche Form einer Bergbau-Kapitalgesellschaft. Die Gewerkschaft früherer Zeit hat aber nichts mit der heutigen Arbeitnehmerorganisation zu tun.

Die Gewerken erwarben einen bestimmten Anteil an der Grube, „Kux“ genannt, und waren entsprechend an den Unkosten und am Gewinn beteiligt. Die Kuxe der Rippoldsauer Gewerkschaft kauften vor allem Nürnberger Bürger.

Silber und Kobalt

Der spätere Hüttenschreiber und Bergrechner Johann Bernhard Mayer der Ältere berichtet in seinen Erinnerungen, wie Fischer den den Bergbau in Wittichen wieder aufnahm: „Da nun der Antoni Fischer das glückliche Kupferwerk (gemeint ist: in Rippoldsau) sah, hörte er auch, dass zu Wittichen, drei Stund über die Bergherüber, von Alters edle Silbergänge wären gewesen. Er nahm den Weg unter die Füße und lief Wittichen zu. Da fand er auf den Halden schöne Kobaltstufen, woraus man die blaue Farbe machte. Dieses war ihm noch lieber als Silbererz. Denn Kobalt leidet große Zusätze zum Schmelzen und vermehrt sich sehr, das Silber aber, bis es geläutert wird, ist weniger. Daraus schloß er, dass ein Farbwerk mehr Profit werde abwerfen als Silbererz. Warum aber auf den Halden große Kobaltstufen gefunden, ist dies die Ursache, dass die Alten noch nicht gewusst, was Kobalt ist …

Da nun der Antoni Fischer die erfreuliche Nachricht vom Kobalt zu Wittichen den anderen Gewerken hinterbrachte, war große Freude und Jubilieren.

Es kam viele Gewerke von Nürnberg heraus, es wurde Anstalt zu einer Farbmühle gemacht, welches ganz etwas Fremdes in diesen Landen war. In der Grube selbt trafen sich gewachsen Silber in dem Gnade Gotteswerk auf dem Adler genannt, und zwar große und mächtige Stufen …“

Ausführlicher darüber in: Der Kinzigtäler Bergbau in den Jahren 1700 bis 1754 nach dem Bericht des Hüttenschreibers und Bergrechners Johann B. Mayer d. Ä. (hrsg. von L. Wohleb und H. Schilli, 1950, Seite 16).

Anton Fischer und seine Nürnberger Geldgeber baten die fürstenbergische Landesherrschaft sogleich um Belehnung der wiederentdeckten Gruben. Die Grafen Anton Maria und Prosper von Fürstenberg waren bestrebt, den Bergbau in ihren Landen zu fördern, und verliehen deshalb 1703 die alten und neuen Stollen und Erzgänge im Gebiet von Wittichen an Anton Fischer von Öhringen und seinen Nürnberger Mitgewerken, dem Münzmeister Georg Friedrich Nürnberger, Kaufmann Sigmund Klein und an weitere Interessenten. Die Gewerkschaft erhielt das Recht auf die alleinige Kobalterzgewinnung innerhalb des fürstenbergischen Territoriums im Kinzigtal, also auch Außerhalb Wittichens, sowie das Monopol für die Kobaltfarbenherstellung. Dafür mussten die Gewerke den Zehnten von allem gewonnenen Kobalt in Geld an die Landesherrschaft entrichten und acht Grubenanteile (Kuxe) den Grafen von Fürstenberg gratis überlassen. Weiterhin erhielten das Kloster Wittichen als Grundherr und die Armenpflege im Amt Wolfach je ein Freikux. In Anbetracht der großen Unkosten, die der Gesellschaft bei der Wiederaufnahme der Grube entstanden, verzichteten die Landesherren für zwei Jahre auf die Auszahlung des Zehnten und der Gewinne, die auf ihre Freikuxe entfielen.

Auf die Ausfuhr des Kobalterzes sollten keine Abgaben erhoben werden. Bei Streitigkeiten galt die Kursächsische Bergordnung aus den Jahr 1589. Hier zeigt sich der Einfluss des sächsischen Bergrechts auf den Kinizigtäler Bergbau im 18. Jahrhundert. Die fürstenbergische Bergordnung von 1529 dagegen hatte die vorderösterreichische Gesetzgebung Maximilians übernommen.

Das Blaufarbenwerk

Nachdem Anton Fischer und seine Nürnberger Mitgewerken das Monopol für den Kobaltabbau erhalten hatten, errichteten sie bei Wittichen ein Blaufarbenwerk. Nach den Angaben Mayers des Älteren sollen die Unkosten 6000 Gulden betragen haben. Doch erwies sich die Farbmühle als eine Fehlkonstruktion. Es gelang nicht, brauchbare Kobaltfarben herzustellen.

Man beschloss deshalb, den Meister Sigwarth von den Gengenbacher Glashütten heimlich nach Sachsen in die dortigen Farbwerke zu schicken, um deren Fabrikationsmethode auszuspionieren. Sigwarth erfüllte seinen Auftrag mit großem Geschick, und mit seinen in Sachsen gewonnenen Erfahrungen wurde unterhalb von Wittichen eine neue Farbmühle gebaut. Nun konnte endlich mit der Produktion von Kobaltfarben begonnen werden.

Trotz der großen Investitionen brachte das Witticher Unternehmen wenig Gewinn. Zwar fand man 1705 auf der „Gnade Gottes“, wie die Grube am Witticher Silberberg jetzt genannt wurde, größere Anrüche von Silbererz, doch konnten die Betriebskosten der Zeche keineswegs gedeckt werden.

Sigmund Klein, der Vertrauensmann der Nürnberger, musste selbst zugeben, dass der Bergbau im argen liege. Die Gesellschafter gerieten unter sich in Streit, Anton Fischer, der eigentliche Initiator, stellte die Zahlungen ein. J. Bernhard Mayer erzählt, dass die Nürnberger bei ihren Besichtigungsreisen nach Wittichen und Rippoldsau große „Zechen“ gemacht hätten.

Der spanische Erbfolgekrieg wirkte sich ebenfalls ungünstig auf die Geschäftslage aus. Der Absatz der Kobalterze ging zurück. Das Haus Fürstenberg wurde vom Kriegsgeschehen unmittelbar betroffen. Der Landesherr, Prosper Ferdinand, fiel als kaiserlicher Offizier bei den Kämpfen um Landau im Jahr 1704. Die Nürnberger Gewerken versuchten, durch strenge Verhaltensvorschriften wieder Ordnung auf der Grube zu schaffen. Um den aus anderen Ländern, vor allem aus Sachsen, zugezogenen Bergleuten eine Unterkunft zu verschaffen wurde in Wittichen das Zechenhaus erbaut.

Missstände auf den Gruben

Die Missstände auf den Gruben hatten zur Folge, dass die fürstenbergische Verwaltung der Gewerkschaft das Vorrecht, allein Kobalterze abzubauen, entzog. Sie behielt aber das Vorkaufsrecht auf das geschürfte Kobalterz. Nachdem so der Kobaltabbau freigegeben war, eröffneten Straßburger Bürger die Grube Daniel im Gallenbach südlich von Wittichen. Im Jahr 1708 wurden die Gruben im Auftrag der Landesregierung von einem Herrn von Windheim visitiert. Dieser gab in seinem Gutachten seinem Befremden darüber Ausdruck, dass eine Angelegenheit von so großer Bedeutung wie der Kinzigtäler Bergbau so nachlässig betrieben wurde. Windheim vermisste vor allem genauere Rechnungsunterlagen. In den fürstenbergischen Bergwerksakten lässt sich feststellen, dass das Witticher Werk im Jahr 1709 = 1153 Gulden, im Jahr 1710 = 4821 Gulden Gewinn abwarf. In den folgenden Jahren verschlechterten sich die Verhältnisse.

Der Vertreter der Nürnberger, David Wölper aus Freudenstadt, musste aus eigener Tasche zusetzen. Erst 1718 zeigte sich wieder ein Hoffnungsschimmer. Als die Bergknappen einen alten Schacht auf dem Silberberg säuberten, stießen sie auf einen Anbruch von 41 Pfund gediegenem Silbers. Dieser überraschende Fund führte zur Gründung einer neuen Gewerkschaft, die den Namen des Landesherren, „Joseph“ erhielt. Die Gesellschafter waren im Wesentlichen die gleichen wie bei der „Gnade-Gottes-Zeche“. Deshalb verschmolzen sich die beiden Zechen drei Jahre später unter dem Namen „Joseph“ zu einer Gewerkschaft. Doch auch diese Maßnahmen retteten den Bergbau und das Farbwerk nicht vor dem finanziellen Zusammenbruch.

Die Nürnberger Gewerkschaft musste den Konkurs erklären. Ihr örtlicher Vertrauensmann Wölper verlor dabei sein ganzes Hab und Gut. Der so voll Hoffnung begonnene Kobalt- und Silberbergbau in Wittichen schien ein unrühmliches Ende zu nehmen. Nach Mayers Bericht begann auf dem Farbmühlenplatz das Gras zu wachsen und „war eine völlige Wüstenei“.

Das Handelshaus Doertenbach

In dieser verzweifelten Situation kam rettende Hilfe durch das Calwer Handelshaus Doertenbach, das nun statt der Nürnberger als Geldgeber einsprang. Die Doertenbachs waren Mitglieder der berühmten „Calwer Compagnie“, die seit 1622 einen ausgedehnten Tuchhandel betrieb und damit zu einem bedeutenden Unternehmen Süddeutschlands aufgestiegen war.

Der schon häufig erwähnte Bergrechner Mayer schreibt sich das Verdienst zu, die Familie Doertenbach für den Bergbau im württembergischen Reinerzau und dann auch für die fürstenbergischen Werke im Kinzigtal gewonnen zu haben. Nach und nach übernahm die Familie Doertenbach von dem bisherigen Geschäftsführer Wölper dessen Anteile. Als Moses Doertenbach die Mehrheit der Kaxe besaß, bat er um Verleihung der Witticher Gruben und des Fachwerkes, die ihm 1721 von der fürstenbergischen Regierung gewährt wurde. Die Landesherrschaft beteiligte sich diesmal selbst an den Unkosten der St.-Josephs-Zeche und begnügte sich mit einer geringen Zahl von Freikuxen.

Die Grafen Anton und Froben Ferdinand von Fürstenberg verbanden mit der Neuverleihung die Hoffnung, dass die neue Gewerkschaft, insbesondere das bekannte Haus Doertenbach von Calw, dem Kinzigtäler Bergbau wieder neuen Auftrieb geben würde. Bemerkenswert ist bei der Angelegenheit, dass nun statt der Bürger der alten Reichs- und Handelsstadt Nürnberg Kaufleute aus dem württembergischen Herzogtum als Geldgeber auftraten, in erster Linie die  Angehörigen der Calwer Compagnie. Moses Doertenbach benutzte nämlich die weitverzweigten Verkaufsstellen des Calwer Handelshauses, um die im Witticher Farbenwerk hergestellten Kobaltfarben in den verschiedenen europäischen Ländern zu verkaufen. Zum besseren Absatz der Farben wurde eine Farbenverkaufsgesellschaft gegründet, die Moses Doertenbach und Johann Georg Zahn, ebenfalls ein „Comapgnieverwandter“, leiteten.

21 Werke im Betrieb

Moses Doertenbach und seine neuen Mitgewerken entfalteten in ihrem neuen Arbeitsbereich in Wittichen eine große Aktivität. Neben einer Intensivierung der Arbeiten auf der St.-Josephs-Grube versuchten sie, auch an anderen Stellen auf Erzgänge zu stoßen. Verschiedene Gruben wurden wieder aufgenommen oder neue Stollen vorangetrieben, so dass sich 1725 21 Werke in Betrieb befanden, darunter in und bei Wittichen:

Allerdings handelte es sich meist nur um Schürfungen, die bald ohne Ergebnis wieder aufgegeben wurden. Einen Überschuss konnte in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts nur die St. Josephs-Zeche erzielen. Die „Güte Gottes“ deckte nur einen Teil ihrer Unkosten. Sophia zum Ludwig brachten es 1725 auf wenige Kübel Kobalterz. Die übrigen Gruben hatten 1725 überhaupt keinen Ertrag zu verzeichnen und erhielten sich nur durch fortlaufende Zuschüsse.

Die „Zubußboten“, die die neuen Gelder für Gruben einkassieren mussten oder bei Überschuss den Gewinn auszahlen konnten, schwindelten den vertrauensseligen Leuten etwas von zu erwartenden Silber- und Kobaltanbrüchen vor und verkauften viele Anteile (Kuxe) von verlustreichen Gruben, die nie auf Erze stießen. Diese so genannte Kuxkränzelei schadete auf die Dauer dem Ansehen des Kinzigtäler Bergbaues sehr und erschwerte zeitweise den Verkauf neuer Kuxe. Den größten Überschuss warf das Blaufarbenwerk bei Wittichen ab. Neben den Niederlassungen in Deutschland unterhielt die neu gegründete Farbenverkaufsgesellschaft Lager in London, Venedig und Mailand.

Handel mit Holland

Der inzwischen auf dem Witticher Farbwerk angestellte Bernhard Mayer berichtet uns, dass es ihm gelungen sei, durch einen Geschäftsfreund Verbindung mit holländischen Kaufleuten in Utrecht aufzunehmen. In den Akten des Fürstlich Fürstenbergischen Archivs läßt sich dieser Handel mit Holland belegen. Aus dem Jahr 1724 ist eine Abrechnung erhalten, aus der wir entnehmen können, dass das Witticher Blaufarbenwerk 118 Fässchen Kobaltfarben an die Herren Lohoff und Ploost van Amstel nach Amsterdam sandte (vom März bis Mai 1724) und dafür abzüglich der Provision und Transportkosten bis Köln, 5461 Gulden bekam. Die Blaufarben benötigen die Holländer für ihre Bleichereien. Zum Teil wurden die Farben auch weiter nach England verkauft. Die Vermutung liegt nahe, dass das berühmte Delfter Porzellan zeitweise mit Farben aus Wittichen bemalt worden ist, doch haben sich hierfür bisher keine urkundlichen Belege finden lassen.

Die Gewinne der Witticher Farbenmühle hielten das Interesse am Bergbau wach und ermöglichten es der Firma Doertenbach, immer wieder neue Schürfungen zu finanzieren. 1729 trafen die Häuser von St. Joseph auf einen Anbruch, aus dem 250 Pfund gediegenes Silber gewonnen werden konnten. Dieser überraschende Fund veranlasste die Gewerkschaft, einen „Ausbeutetaler“ prägen zu lassen.

Bergordnung von 1732

Da sich das Haus Doertenbach so unermüdlich um den Kinzigtäler Bergbau bemühte, hatte Fürst Joseph Wilhelm Ernst von Fürstenberg keine Bedenken, 1732 das Privileg für die Calwer Gerwerkschaft zu erneuern, da der Vertrag von 1721 abgelaufen war. Der Landesherr nahm die Bestätigung der Rechte zum Anlass, eine allgemeine Bergordnung zu erlassen. In der Präambel zollte der Landesherr dem Fleiß und der Sorgfalt, mit denen die Firma Doertenbach die Gruben und die Farbmühle seit 1721 wieder hochgebracht hatte, besondere Anerkennung und bestätigte sie in den bisherigen „Bergfreiheiten“.

Im Einzelnen wurde folgendes festgelegt:

Die Gruben, die die Gewerke bisher betrieben hatten, blieben ihnen „auf ewig“ bestätigt. Die Gewerkschaften erhielten ferner das Privileg, in den fürstenbergischen Ämtern Wolfach und Haslach neue Gänge zu erschürfen auf alle dort vorkommenden Metalle. Die St.-Josephs-Gewerkschaft, an der die Familie Doertenbach und die Mitglieder der Calwer Compagnie besonders stark beteiligt waren, bekam das alleinige Recht, eine Farbmühle zu betreiben. Als Gegenleistung gaben die Gewerken dem Landesherrn die ungewöhnlich hohe Zahl von 10 Freikuxen.

In den folgenden Jahren verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage des Bergbaus im Kinzigtal wieder. Eine Zeche nach der anderen „fiel ins Freie“, wie der bergmännische Ausdruck für die Aufgabe einer Grube lautet. 1734 waren im gesamten Revier nur noch vier Gruben in Betrieb, davon förderte St.-Joseph weiterhin Silber und Kobalt, die „Güte Gottes“ nur Kobalt. Beide konnten noch Gewinne erzielen. 1737 kam das Davidsbergwerk in Gallenbach dazu. Zum Teil hatte wohl der Polnische Erbfolgekrieg (1733 bis 1735) an dem wirtschaftlichen Rückgang die Schuld. Der Oberrhein war auch diesmal wieder Kriegsschauplatz. Der greise Feldmarschall Prinz Eugen suchte Philippsburg gegen die Franzosen vergeblich zu verteidigen. In den Grubenberichten von 1734 ist die Rede davon, dass die Grube „Sabina Barbara“ wegen dermahliger Kriegstrublen erliegen“ musste.

Sophiagang eine der ertragreichsten Gruben

Aber wie schon mehrfach in der Geschichte des Wittichener Bergbaus helfen plötzlich zutage tretende neue Silberanbrüche über die Krise hinweg. 1736 stieß man vom St. Joseph-Stollen auf den so genannten Sophiagang. Die Bergknappen schlugen bald darauf erhebliche Mengen von gediegenem Silber und Kobalt heraus. Schnell bildete sich eine neue Gewerkschaft, um den Sophiagang auszubauen. Der Sophiagang war von der Ludwigsgewerkschaft schon 1721 an einer anderen Stelle angegangen worden, man hatte aber diese Grube nach einigen Jahren wieder aufgegeben, da man den Gang nicht für abbauwürdig hielt. Nach dem Durchstoss von der St.-Josephs-Zeche er wurden die alten Gewerke von Ludwig aufgefordert, sich zu beteiligen. Die St.-Josephs-Gewerkschaft erhielt aus rechtlichen Gründen den vierten Teil der Sophia-Kuxe zugestanden. Die neue Sophiagrube entwickelte sich bald zu der bedeutendsten und ertragreichsten Grube des Kinzigtals. Besonders in den vierziger Jahren konnte sie einen beachtlichen Gewinn verzeichnen.

Das Ansehen des Kinzigtäler Bergbaus stieg wieder. Die Sophiazeche konnte in den Jahren 1742 bis 1747 jährlich eine Ausbeute von 40 bis 100 Gulden pro Kux verteilen, während der Ertrag von St.-Joseph zurückging. 1745 wurden neben diesen beiden Gruben noch „Neuglück“ und die „Güte Gottes“ im Wittichener Revier befahren.

Anscheinend hatte der unlautere Handel mit den Grubenanteilen nicht aufgehört, so dass sich die Landesregierung 1750 veranlasst sah, den Verkauf von Kuxen durch strenge Vorschriften zu regeln. Der Verkauf der Kuxe war fortan nur den vereidigten Vertrauensleuten gestattet. Wer unerlaubt mit Grubenanteilen handelte, sollte streng bestraft werden. In den Jahren zwischen 1750 und 1760 waren die Erträge der Gruben im Kinzigtäler Gebiet gering. Es gelang nicht, neue Bergbauinteressenten zu finden, so dass die Grubenverwaltungen in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Bergmeister Mayer der Jüngere machte den zweifelhaften Vorschlag, die Schichtmeister und Bergleute zum Kauf von Kuxen zu veranlassen. Mit Einverständnis der fürstenbergischen Regierung wurden daraufhin die Grubenleiter und Bergknappen gezwungen, von ihrem geringen Lohn Grubenanteile zu kaufen. Wer sich weigerte, wurde fristlos entlassen. Mayers Plan, alle Einwohner des fürstenbergischen Territoriums zum Kauf von Grubenanteilen zu nötigen, um den darniederliegenden Bergbau zu finanzieren, stieß dagegen beim Landesherren auf Ablehnung.

In dieser misslichen Lage war es wieder die Grube Sophia, die mit frischen Silberanbrüchen den Gewerken noch einmal Mut machte. Weiteres reiches Silbervorkommen führte erneut zur Prägung eines „Ausbeutetalers“. Noch einmal war Fürst Joseph Wilhelm Ernst dargestellt. Die Rückseite der Münze trug jedoch diesmal das fürstenbergische Wappen. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts lief die neu eröffnete Grube St. Wenzel im Fronbach den Wittichener Zechen den Rang ab. Die Förderung im Wittichener Revier ließ ständig nach. Da 1765 keine Gewinnanteile mehr ausgeschüttet wurden, verloren die Gewerken die Lust, weiterhin zuzuschießen. Außerdem waren de Anteile sehr aufgesplittert. Das Haus Doertenbach hatte nach und nach die meisten der in seinem Besitz befindlichen Kuxe verkauft.

Kobalt aus Spanien

Schon seit 1740 reichten die Vorkommen der Wittichener Gruben an Kobalterz nicht mehr aus, um den Bedarf des Blaufarbenwerkes zu decken, das immer noch einen beachtlichen Export zu verzeichnen hatte.

Deshalb schloss Moses Doertenbach mit der französischen Firma Boyer und L’empereur einen Liefervertrag. Dieses Unternehmen bezog seinerzeit den Kobalt aus Spanien. Anhand der im Stadtarchiv Calw vorhandenen Korrespondenz der Firma Doertenbach können wir den Weg des Kobalts verfolgen.

Das Kobalterz wurde in Säcken über die Pyrenäen befördert, von Toulouse aus auf dem Canal du Midi nach Lyon verschifft, von dort nach Straßburg gebracht, von wo aus es endlich nach Wittichen gelangte. Wittichener Bergleute wurden sogar von der Firma Doertenbach nach Plan in die Pyrenäen geschickt, um den dortigen Bergbau in Gang zu bringen. Im Jahr 1742 wollten die Holländer den alten Kontrakt nicht mehr erneuern, in dem sie sich zu einer Abnahme von 700 Fass Kobaltfarben jährlich verpflichtet hatten. Sie verlangten statt der bisherigen 4 Prozent jetzt 10 Prozent Rabatt und forderten bessere Farbqualität. Sie machten geltend, dass die kursächsischen Kobaltfarben wesentlich billiger angeboten würden. Die Mitgesellschafter der Farbmühle sahen sich gezwungen, trotz der ungünstigen Bestimmungen den Forderungen der Holländer nachzugeben, um den Absatz für die nächsten Jahre zu sichern, in einer Zeit, in der „alle negotien in ganz Europa so sehr danider ligen, zumalen da so vile Neue fabriquem in den Schmalten, als deren nie gewesen, entstanden“. So steht es im Gewerkentagsprotokoll von 1742 zu lesen.

Dem Witticher Farbwerk entstand in der 1750 von dem Gengenbacher Abt in Nordrach gegründeten Farbmühle eine unangenehme Konkurrenz. Ein Teil der Brennöfen des Wittichener Werkes wurde deshalb stillgelegt. Da seit 1753 die spanischen Kobaltlieferungen nachließen, mussten erneut andere Bezugsquellen erschlossen werden. Johann Jacob Doertenbach und Johann Georg Zahn, die seit 1744 das alleinige Geschäftsrisiko des Farbenhandels trugen, bezogen fortan böhmischen Kobalt aus Joachimsthal, obwohl dessen Qualität zu wünschen übrig ließ. Auch das Siegerland lieferte den wichtigen Rohstoff. Die beiden Direktoren scheuten sich nicht, trotz des langen Transportweges aus England zusätzlich Kobalt kommen zu lassen, um den Betrieb des Farbwerkes in Gang zu halten. Weitere Bezugsquellen waren Piemont und die Steiermark. Alle diese Maßnahmen konnten jedoch nicht verhindern, dass das Wittichener Farbwerk immer mehr Defizit aufwies. Bald verzeichneten die Rechnungsbücher 10.000 Gulden Schulden.

Niedergang und Ende des Witticher Bergbaues

1816 fielen die einst so berühmte „Sophia“ und die „Güte Gottes“ ins Freie. Nach sechsundsiebzig-jähriger ununterbrochener Tätigkeit musste der Abbau auf der „Sophia“ eingestellt werden. Nach den Angaben Vogelsangs konnten während der Betriebszeit von 1725 bis 1816 22.387 Mark Silber sowie 2.553 Zentner Kobalterz ausgebracht werden. Beides zusammen ergab einen Erlös von 555.663 Gulden. Schon diese Zahlen weisen die „Sophia“ als ertragreichste Grube im Wittichener Revier aus. Trotz der ungünstigen Verhältnisse gab das Haus Doertenbach den Bergbau nicht auf. Durch Anregung ihrer Teilhaber, des fürstenbergischen Bergrates Georgi, bildete sich 1826 der „Kinzigtäler Bergwerksverein“, der noch einmal sein Glück mit den alten Gruben versuchte.

Doch spielten die Gruben von Wittichen, die einst so ertragreich waren, keine Rolle mehr. Um eine breitere Kapitalgrundlage zu haben, vereinigte sich der „Kinzigtäler Bergwerksverein“ 1834 mit anderen Grubengesellschaften des Schwarzwaldes zum „Badischen Bergwerksverein“. Im mittleren Schwarzwald war aber nur der Grube St. Anton in Heubach Erfolg beschieden.

Im Jahr 1837 sah sich die Firma Doertenbach gezwungen, die alte Farbmühle in Wittichen zu verkaufen, die sie über mehr als hundert Jahre mit zum Teil recht beachtlichem Erfolg betrieben hatte. Die Erfindung und Produktion der neuen künstlichen Ultramarinfarben bedeuteten eine so starke Konkurrenz, dass sich die Herstellung von Blaufarben aus Kobalterz nicht mehr lohnte.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts zog sich die Familie Doertenbach ganz aus dem Bergbau zurück und verkaufte ihre Grubenrechte an die neu gegründete „Kinzigthal-Mining-Association“. Diese Aktiengesellschaft, an der vor allem englisches Kapital beteiligt war,  unternahm noch einmal verschiedene Schürfversuche im Kinzigtal. Unter anderem wurde die altehrwürdige „Sophia“ unter dem Namen „Wheal Capper“ aufgenommen. Als Nachlese wurden noch einmal 983 Pfund gediegenem Silber und 132 Zentner Kobalt gewonnen. Doch mussten die Arbeiten schon 1856 wieder eingestellt werden. Mit dem Auflassen der Grube „Sophia“ endet die Geschichte des Bergbaues im Gebiet von Wittichen. 1935 bis 1939 hat die Mineralogische Studiengesellschaft verschiedene Witticher Gruben aufgewältigt und die Abbauwürdigkeit der Erzgänge im Rahmen des Vierjahresplanes untersucht. In der St.-Georg-Grube am Burgfelsen bei Wittichen förderte man in diesem Zeitraum Manganerz. Mit dem Auflassen der Grube „Sophia“ endet die Geschichte des Bergbaus im Gebiet von Wittichen. 1935 bis 1939 hat die Mineralogische Studiengesellschaft verschiedene Wittichener Gruben aufgewältigt und die Abbauwürdigkeit der Erzgänge im Rahmen des Vierjahresplanes untersucht. Doch kam es nicht zu einem Abbau in größerem Maße. Nach dem zweiten Weltkrieg hat das Vorkommen von uranhaltigen Erzen auf den alten Halden Aufsehen erregt. Eingehende Untersuchungen wurden von Professor Kirchheimer vom Geologischen Landesamt durchgeführt.

Zum Abschluss soll das Urteil eines Bergbaufachmannes aus dem 19. Jahrhundert erwähnt werden, der davon spricht, dass das Obere Kinzigtal „durch seine unterirdischen Reichtümer ehemals den Ruf eines kleinen Peru in der großen bergmännischen Welt erworben“ habe. Man darf behaupten, dass die Wittichener Gruben zu diesem Ruhm in starkem Maße beigetragen haben.

Dieser Text wurde von Jürgen Rees für die Heimatchronik „Kaltbrunn / Wittichen einst und jetzt – aufgezeichnet.

Spuren heute

Heute sind noch Zeugen der alten Vergangenheit im KLOSTERMUSEUM WITTICHEN ausgestellt. Des Weiteren finden Liebhaber eine sehenswerte Mineraliensammlung in der Bergmannsstube im Gasthaus Martinshof in Kaltbrunn. In der Nähe der Klosterkirche Wittichen ist der Ausgangspunkt für den ca. 7 km langen GEOLOGISCHEN LEHRPFAD. Hier werden auf Schautafeln die verschiedenen Gesteinsformationen dargestellt und erläutert. In den dort vorhandenen 4 Abräumhalden können Liebhaber mit etwas Glück heute noch Mineralien finden.

Textquellen

Mit freundlicher Genehmigung. VIELEN DANK.