Vom Bauantrag zum Bau
Müller Carl Weber begründete seinen Bauantrag vom 09.02.1855 für eine „Beimühle“ damit, dass er bei seiner Hauptmühle zeitweise so wenig Wasser habe, dass er sein Mühlengewerbe oft nicht ausüben könne. An dem jetzt gewählten Platz sammle sich in seiner Wiese das ganze Jahr so viel Wasser, dass er wohl immer mahlen könne. Zudem habe er kürzlich in Hallwangen ein Mühlenwerk mit einem Mahlgang günstig erwerben können und wolle dieses nun auf den Kniebis umsetzen.
Es dauerte Monate bis alle bürokratischen Hindernisse überwunden waren und die „Beimühle“ gebaut werden konnte. Die großen Erwartungen an die neue Mühle erfüllten sich für den umtriebigen Müller Carl Weber aber leider nicht.
Pleiten, Pech und Pannen
Beim Bau der Beimühle erlebte Müller Carl Weber nicht nur eine Panne.
Im Dezember 1854 verfertigt Zimmermann und Oberamts-Mühlschauer Christian Burckhardt, geb. 1801 „In der Aach“, 1824 in Reichenbach verheiratet, den Plan mit der Mühleneinrichtung. Den Plan für das Gebäude machte Oberamts-Werkmeister Pfeifer aus Freudenstadt.
Die erste Panne:
Im Januar 1855 zeichnete Geometer Ettwein aus Freudenstadt die Mühle an falscher Stelle ein!
Bemerkung: Der an Ort und Stelle eingenommene Augenschein hat ergeben, dass der von dem Geometer eingezeichnete Bauplatz nicht genutzt werden kann, in dem das Auslaufwasser der Beimühle nicht mehr in das Wässerungswehr B fallen würde, wodurch Waldhornswirt Klumpps Wittwe in ihrem Wässerungsrecht beeinträchtigt würde. Es ist A der richtige Bauplatz. Dieser Fehleintrag ist bei der Bauschau vor Ort am Freitag, den 9. Februar 1855 augekommen. Neben den beamteten Abgeordneten aus Freudenstadt nehmen vom Kniebis teil: Müller Carl Weber, seine Schwiegermutter Waldhornswittwe Friedericke Klumpp, der Angrenzer Jakob Mutschler und für den verhinderten Christian Halst seine Mutter.
Das Königliche Oberamt Freudenstadt macht das Bauvorhaben öffentlich bekannt. Vom 14. bis 30. April 1855 können Einsprüche geltend gemacht werden. Jakob Mutschler erhebt schriftlich Einspruch, da er sein Wässerungsrecht beeinträchtigt sieht und der Müller überhaupt viel zu oft ungefragt den Weg durch seine Wiese nehme. Auch hat er den Verdacht, Weber werde seine alte Mühle aufgeben und nur noch mit der Beimühle mahlen. Der Einspruch wird vom Oberamt zurückgewiesen, nachdem Weber noch einmal schriftlich die Wässerungsrechte des Mutschlers garantiert und auch versichert, die alte Mühle werde nach wie vor betrieben.
Baugenehmigung:
Die Königlich Württembergische Regierung des Schwarzwaldkreises in Reutlingen teilt dem Oberamt Freudenstadt mit, dass die Baugenehmigung erteilt werden kann. Stadtschultheiß Reichert zitiert alle Betroffenen über den Anwalt des Freudenstädter Kniebis Fahrner, Forstmann, auf Samstag, den 18. August 1855 ins Freudenstädter Rathaus, um die Baugenehmigung um 9 Uhr persönlich zu erteilen.
Carl Weber, Jakob Mutschler, Christian Halst und Friedericke Klumpp unterschreiben die ordnungsgemäße Unterrichtung über die erteilte Baugenehmigung. Oberamts-Werkmeister Pfeifer arbeitet daraufhin neun detaillierte Bauvorschriften aus. Nun geht Maurermeister Schittenhelm an die Arbeit. Ende Oktober steht das Gebäude und die aus Hallwangen herbeigeschaffte Mühleneinrichtungen sind soweit eingebaut.
Die zweite große Panne am 8. November 1855:
Ende Oktober teilt Anwalt Fahrner dem Stadtschultheiß Reichert unvorsichtigerweise mit, die neue Mühle sei eigentlich betriebsbereit. Daraufhin ordnet dieser die bauliche „Nachvisitation“ auf Donnerstag, den 9. November 1855 an. Als die Visitatoren bei der Beimühle erscheinen, fällt Weber aus allen Wolken. Er sagt, es tue ihm leid, dass der Anwalt Fahrner diese Mitteilung gemacht habe, denn seine Handwerksleute hätten wegen der ungünstigen Witterung viele Arbeiten unausgeführt gelassen. Die Visitatoren müssen unverrichteter Dinge wieder abziehen. Am 1. Dezember 1855 verpflichtet sich Weber, dass bis zum 15. Mai 1856 die Beimühle endgültig behördentauglich fertig sei. Am 13. Juni 1856 fand dann die behördliche Endabnahme zu aller Zufriedenheit statt.
Beschreibung der Mühle
Das Mühlengebäude war 7,40 m lang und 6,50 m breit. Hinzu kam die Radstube mit 1,70 m Breite. Drei der Umfassungswände der Mühle bestanden aus ausgemauerten Riegelwänden, die Wasserradseite war mit Steinen aufgemauert. Der Fußboden war auf Ripphölzern mit gefälzten Dielen ausgelegt, das Dach mit Ziegeln bedeckt. Mit Rücksicht auf den nahen Wald wurde auf eine Feuerstelle in der Mühle verzichtet.
Das „oberschlächtige“ Wasserrad hatte einen Durchmesser von 5,44 m, die Schaufeln waren 32 cm breit. Beim „oberschlächtigen“ Wasserrad füllen sich die Zellen von ober her mit Wasser, halten es bis zur tiefsten Stelle und trieben so mit dem „Schuss“ des Wassers und dessen Gewicht das Rad an. Die Radstube war aus Sicherheitsgründen mit Brettern verschließbar gemacht.
Abbruch
Die Beimühle wurde vom Holzhauer Jakob Günter (1852-1935), der die Mahlmühle von dem glücklosen Müller Georg Weber gekauft hatte, noch vor dem Jahr 1900 abgebrochen.
Die Eckpunkte des Grundrisses der einstigen Mühle wurden 2004 mit je einem neu gepflanzten Baum markiert. Ein Gedenkstein mit Infotafel und Sitzbank am Bach erinnert heute sichtbar an alten Mühlenstandort.
Textquelle: Infotafel vor Ort (Juni 2023)