Erdölförderung im Hessischen Ried

Erdölförderung am Oberrhein

Erdölförderung im 20. Jahrhundert

Nach einer Reihe von ersten Bohrversuchen der Gewerkschaft Elwerathbereits in den 1930er Jahren erschließt das Unternehmen im November 1952 mit der Bohrung Stockstadt 1 das gleichnamige Ölfeld, das sich im Gebiet zwischen den Gemeinden Stockstadt, Gernsheim und Crumstadt erstreckt.

Die Lagerstätte in Teufen von 1.530 m bis 1.720 m gliedert sich in ein Oberes und ein Unteres Lager. Beide Lager setzen sich aus mehreren erdölführenden Schichten der geologischen Formation „Pechelbronner Schichten“ zusammen.

In den Jahren nach 1952 werden insgesamt 47 Bohrungen zur vollständigen Erschließung des Vorkommens abgeteuft. Eine dieser Bohrungen war die Bohrung Stockstadt 38 auf dem Kühlkopf, die bis heute als Industriedenkmal erhalten wurde.

Seit Aufnahme der Förderung am 30.11.1952 bis zu ihrer Einstellung am 26.04.1994 wurden aus dem Erdölfeld Stockstadt aus insgesamt 33 Bohrungen in Summe  1.041.900 t Erdöl gefördert.

Textquelle: Infotafel an der Erdölfördertelle Stockstadt 38.

Übersichtskarte der ersten Such- und Förderbohrungen im Erdölfeld Stockstadt  (Ausschnitt der Infotafel an der Bohrung Stockstadt 38).

Stockstadt 1952

Bei Stockstadt am Rhein (Landkreis Groß-Gerau) wird bei Bohrarbeiten 30.11.1952 ein großes Erdölvorkommen angetroffen. Nachdem die Bohrung bis auf eine Tiefe von 1.629 Meter abgeteuft wurde, strömt ununterbrochen Erdöl aus dem Bohrloch. Bereits in  einer Tiefe von 1.552 Metern war man erstmalig auf ölhaltiges Gestein gestossen.

Erste Erkenntnisse aus den seismologischen Messungen geben zunächst Anlass zu der Vermutung, dass sich die ölgesättigte Schicht bei einer Mächtigkeit von zwölf Meter auf ein Gebiet von ca. 32 Quadratkilometer ausdehnt und sich von der Fundstelle bis zum Rhein hin erstreckt. Die weitere Exploration ergibt allerdings, daß sich die öltragende Schicht nur auf die Gemarkungen Stockstadt, Biebesheim, Crumstadt und Gemsheim beschränkt. Sie verläuft in 1.500 bis 1.700 Metern Tiefe in südwestlicher Richtung. Schwierigkeiten bereitet die Frage des Abtransports des geförderten Rohöls.

Bereits wenige Tage nach dem erfolgreichen Abteufen verkündet die Bundesbahn die Absicht, am Bahnhof Stockstadt ein Auslegergleis zu bauen, auf dem die Tankwagen der Gewerkschaft Elwerath* abgestellt werden können. Bereits am 6.Dezember 1952 werden die ersten 4.000 Liter Erdöl in Stockstadt zum Bahnhof gebracht.

1953 werden (Dezember 1952 eingeschlossen) im Hessischen Ried 25.000 Tonnen Erdöl gefördert, 1954 sind es bereits 46.000 Tonnen.

Im Hessischen Ried, dem in Hessen gelegenen nordöstlichen Abschnitt der Oberrheinischen Tiefebene, wurden in einem Gebiet zwischen Stockstadt, Gernsheim und Crumstadt bereits in den 1930er Jahren Erdölvorkommen entdeckt.

Am 3. August 1951 war bei Wolfskehlen ein Gasvorkommen erbohrt worden, das sich beim Zurückziehen des Bohrgestänges schlagartig entzündete und eine gut 60 Meter hohe und über eine Entfernung von 40 Kilometer sichtbare Feuersäule verursachte.

* Die 1866 gegründete (bergrechtliche) Gewerkschaft Elwerath ist eine Kapitalgesellschaft, die ursprünglich mit dem Eisenerzabbau befasst war und sich seit 1920 aktiv im Erdölgeschäft betätigt. Anteilseigner der Gewerkschaft Elwerath sind (1952) die Wintershall AG (34 %), die Deutsche Shell AG (11,5 %) und die Esso AG (11,5 %) sowie die Familiengruppe Seifer (23 %). Im April 1969 wird die Gewerkschaft Elwerath gemeinsam mit der Gewerkschaft Brigitta unter dem Dach der BEB Gewerkschaften Brigitta und Elwerath Betriebsführungsgesellschaft mbH zusammengeführt, an der die Deutsche Shell AG und Esso AG zu jeweils 50 % beteiligt sind.

Im Feld Stockstadt wurde in den Jahren 1952 bis 1994 insgesamt 1.041.900 t Erdöl gefördert.

Textquelle: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Erdölförderung im 21. Jahrhundert

Durch moderne Explorationsmethoden wie 3-D-Seismik können inzwischen bislang unentdeckte Fallenstrukturen entdeckt werden und auch die Wirtschaftlichkeit kleiner Lagerstätten ist mit der Verteuerung der Energiepreise gestiegen. Dadurch wurde in den 2000er Jahren ein erneutes Interesse an der Erschließung von Kohlenwasserstofflagerstätten auch in Hessen geweckt.

Dabei geht es in erster Linie um eine Prüfung, ob aufgelassene Öl- und Gasfelder, wie z.B. das Feld Stockstadt, wieder erschlossen werden können. Es sollen geologisch bekannte, aber in der Vergangenheit nicht genutzte oder nicht vollständig ausgeförderte Vorkommen in den bisher bekannten Speicherhorizonten mit modernen Arbeitsmethoden und neuen Explorationsmöglichkeiten genauer untersucht und auch neue Mutter- und Speichergesteine erkundet werden. Bei der beabsichtigten Erschließung geht es ausschließlich um konventionelle Lagerstätten in durchlässigen Speichergesteinen, die ohne künstliche Erhöhung der Durchlässigkeit (Fracking) gefördert werden können.

3-D seismische Erkundung im Ried

Im Zeitraum von Oktober 2011 bis März 2012 führte die Rhein Petroleum GmbH in einem mehr als 240 km² großen Gebiet zwischen Wolfskehlen, Riedstadt, Gernsheim, Biblis, Bürstadt und Worms im Nordteil des Erlaubnisfeldes eine umfangreiche 3-D seismische Erkundung durch. Dabei wurde u.a. eine dreidimensionalen Karte der geologischen Untergrundstrukturen mit potentiell erdölführenden Schichten erstellt. Ölführung und Ergiebigkeit ausgewählter Zielgebiete sollten im Rahmen der folgenden Suchbohrungen verifiziert bzw. geprüft werden.

Wiedererschließung des Erdölfeldes Stockstadt

Ende August 2013 wurden die Bohrarbeiten zur Wiedererschließung auf dem südlich von Riedstadt-Crumstadt liegenden Bohrplatz mit der Bohrung „Stockstadt 2001“ begonnen. Die Bohrung wurde bis ca. 550 m saiger gebohrt un dann leicht in westliche Richtung abgelenkt, um so das eigentliche Zielgebiet der Suchbohrung in den „Pechelbronner Schichten“ zu erreichen. Noch vor der Durchführung einer Ergiebigkeitsprüfung wurde lediglich 7,5 m daneben eine zweite Suchbohrung  „Allmend 1“ abgeteuft.

Ende Dezember 2013 wurde die mobile Bohranlage demontiert.

Im März 2014 beginnen die Vorarbeiten für eine Ergiebigkeitsprüfung mit dem Aufbau einer ca. 25 m hohen Windenanlage zum Einbau der Fürderpumpe und der 11 cm dicken Verrohrung des Förderstranges.

Nach Abschluss der ersten Tests ruhen im September 2014 die Arbeiten an den beiden Bohrstellen unter dem vorbehalt weiterer Arbeiten. Beide Bohrungen werden dafür „eingeschlossen“ (gesichert). Die Rhein Petroleum GmbH setzt die Auswertung der bis dato gewonnen Daten fort.

Schwarzbach 1

Die Rhein Petroleum AG beginnt nach längerer Planungsphase am 31.01.2015 mit dem Abteufen der Suchbohrung „Schwarzbach 1“ in Riedstadt-Goddelau. Die Bohrung wurde bis 350 m saiger abgeteuft und dann in westliche Richtung abgelenkt, um das geplante Zielgebiet zu erreichen. Ende März 2015 wurde die Bohrung fündig.

„Wir sind exakt an der Stelle fündig geworden, die wir aufgrund unserer Seismik-Kampagne als vielversprechend definiert hatten“, betonte Dr. Michael Suana, Geschäftsführer der Rhein Petroleum GmbH.

Das Ölfeld befindet sich in einer Tiefe von ca. 1.700 Metern in den porösen Sandsteinen der Meletta- und Pechelbronner Schichten. Aus diesen Schichten wurden im benachbarten Stockstadt am Rhein bereits von 1952 bis 1994 über acht Millionen Barrel Öl gefördert.

Am 11. März 2016 hat die Anlage „Schwarzbach“ die Testförderung aufgenommen. Nach mehr als 20 Jahren wurde erstmalig wieder heimisches Erdöl aus dem hessischen Ried gefördert. Im Anschluss wurde 12 Monate getestet, wie viel Erdöl sich im Untergrund befindet, und ob sich eine Förderung wirtschaftlich lohnt.

Aufgrund positiver Ergebnisse hat Rhein Petroleum anschließend die bergrechtliche Bewilligung und einen Betriebsplan zur Dauerförderung beim Regierungspräsidium Darmstadt, Abteilung Arbeitsschutz und Umwelt Wiesbaden beantragt. Die Genehmigung zur Förderung von Erdöl wurde zum 1. Januar 2018 für 27 Jahre erteilt.

Textquelle: Webseite „Rhein Petroleum GmbH“

Schwarzbach 2

Neben der bestehenden Förderanlage der Rhein Petroleum GmbH wurden im Juni 2023 Probebohrungen auf weitere Erdölvorkommen durchgeführt (Schwarzbach 2).

Die Rhein Petroleum GmbH teilte Mitte August 2023 mit, dass derzeit vieles „auf ein interessantes Vorkommen“ hindeute. Sowohl hinsichtlich der Menge als auch der Qualität läge es über den Erwartungen. Die erdölführenden Schichten (Sandsteine der Meletta- und Pechelbronner-Schichten) wurden in einer geringeren Tiefe (1.700 m) angetroffen, als prognostiziert und sind mächtiger, als vor der Bohrung angenommen.

Ende August 2023 startet Rhein Petroleum GmbH eine umfassende Testphase, die weitere Erkenntnisse über die ölführenden Lagerstätten bringen wird. Hierzu werden in die Bohrung ein dünner Förderstrang und eine Pumpe eingebaut, unmittelbar danach wird die Bohranlage mit dem rund 35 Meter hohem Turm abgebaut. Für eine wirtschaftliche Förderung des Erdöls aus der Bohrung „Schwarzbach 2“ kann die bestehende Produktionsanlage von Rhein Petroleum in unmittelbarer Nachbarschaft genutzt werden.

Seit 2018 fördert Rhein Petroleum GmbH aus der Bohrung „Schwarzbach 1“ dauerhaft Erdöl und bereitet es in der Anlage auf. Von dort wird der Rohstoff aus dem Hessischen Ried mit Lkws in die nahe gelegene Raffinerie nach Karlsruhe transportiert.

Textquelle: Webseite „Rhein Petroleum GmbH“ (Pressemitteilung vom 21.08.2023)

Hofheim-Wattenheim

Im Feld Hofheim-Wattenheim zwischen 1954 und 1976 insgesamt 38.500 t  gefördert.

Textquelle: HLNUG

Eich-Königsgarten

Im Feld Eich-Königsgarten wurden 1959 bis 1964 sowie 1983 bis 1994 insgesamt 677.700 t Erdöl gefördert.

Textquelle: HLNUG

Zeitlicher Überblick

1952

Im November 1952 wird die Erdölsuchbohrung Stockstadt 1 fündig.

1953/1954

Es werden 11 weitere Bohrungen abgeteuft.

1955

Das erste Betriebsgebäude in Gernsheim wird fertiggestellt. Die Schiffsbeladungsstelle am Rhein wird in betrieb genommen. Das Öl wird per Schiff oder Bahn zur Raffinerie Misburg bei Hannover transportiert.

1956

Der Betrieb Stockstadt erreicht mit 524 Personen den historisch höchsten Mitarbeiterstand.

1959

Entdeckung des Teilfeldes „Kühlkopf“ in einer Altrheinschlinge nördlich von Stockstadt.

1964/1965

Die historisch höchste jährliche Ölfördermenge wird mit jeweils 64.000 t erreicht.

1966-1970

Zur Aufrechterhaltung der Förderung muss zunehmend Lagerstättenwasser in die Lagerstätte zurückgeführt (injiziert) werden. Die Ölförderung geht auf 21.000 t zurück.

1968

Im Zusammenhang mit Aktivitäten im Erdgasbereich erfolgt der Umzug des Betriebes nach Crumstadt. Die Zahl der Mitarbeiter ist inzwischen auf 53 gesunken.

1969

Die bergrechtliche Gewerkschaft Elwerath schließt sich mit der Gewerkschaft Brigitta zur BEB Erdgas und Erdöl GmbH zusammen.

1983

Die Wiederaufnahme der Explorationsaktivitäten im Rheintal, ermöglicht durch die Erlössteigerung, führt in der Region Stockstadt zur Entdeckung des linksrheinischen Teilfeldes Eich.

1986

Nach Beendigung der Aktivitäten im Erdgasbereich wird ein neues Betriebsgebäude in Gernsheim bezogen.

1987

Die Schiffsbeladung wird stillgelegt. Das Öl wird fortan mit Straßentankwagen abgefahren.

1990

Die Jahresproduktion beträgt nur noch 5.500 t. Sieben Fördersonden sind noch aktiv.

1994

Aus der Bohrung Stockstadt 38 auf dem Kühlkopf wird am 24. Juni die letzte Tonne Erdöl gefördert.

Textquelle: Infotafel an der Erdölfördertelle Stockstadt 38.

Industriedenkmal Erdölförderstelle „Stockstadt 38“ auf dem Kühlkopf. Hier wurde am 24.06.1994 das letzte Erdöl in der Explorationsphase im 20. Jahrhundert gefördert.