Humboldt und das Klima
Alexander von Humboldt besucht das Püttnersche Alaunwerk Treue Freundschaft in der Klausen bei Seußen erstmals am 24. Juli 1792 im Rahmen seiner "Inspektionsreise". In seinem Bericht schildert er ausführlich das Werk und die Produktionsschritte der Herstellung von Alaun.
Schon in seinem Bericht beschreibt er die bituminöse Blätterkohle, in der "oft noch unversehrte Tannenzweige, die ihre natürliche Rinde erhalten" haben, zu finden sind. Humboldt erwähnt diese Fossilien auch in einem Brief an den Verleger des "Bergmännichen Journals" Hoffmann, der diesen bereits in der Juli-Ausgabe 1792 abdruckt. Dort heißt es:
[...]Bei Klausen an der Oberpfälzischen Grenze liegt das 21 Lachter mächtige Braunkohlenflöz unter einem Gerölle von mehr oder weniger verwitterten Basaltkugeln. Einige sind mit den Fingern zerreiblich, und doch erkennt man noch die 6-9 fach concntrisch schaligen abgesonderten Stücke. In der Braunkohle finden sich unversehrte Aeste von Tannenzweigen, die fast ihre natürliche Farbe erhalten haben, und so also gegen die Feuerrevolution zeugen. [...]"
Mit dem Zeugnis gegen die Feuerrevolution spielt Humboldt auf die Diskussion zwischen Neptunisten und Plutonisten an (siehe dazu Station Luisenburg und Steinhaus). Nachdem Basalte die Braunkohlen überlagern, war Humboldt der Meinung, dass - wären diese aus glutflüssiger Lava erstarrt - die Lava die Pflanzenfossilien in der Farbe verändert, vermutlich verbrannt hätten. Aus heutiger Sicht ist bereits die Interpretation der Lagerungsverhältnisse nicht richtig. Die Basaltblöcke sind in einer lehmigen Grundmasse durch den Prozess des Bodenfließens hangabwärts auf die Braunkohlenlager verfrachtet worden.
Die Sache mit der Ekliptik
Im November 1794 schreibt Alexander von Humboldt einen Brief an den Mathematiker Johann Friedrich Pfaff. Darin kündigt er ein größeres Werk unter dem Titel "Ideen zu einer künftigen Geschichte und Geographie der Pflanzen oder historische Nachricht von der allmäligen Ausbreitung der Gewächse über den Erdboden und ihren allgemeinsten geognostischen Verhältnissen" an, das "in 20 Jahren" erscheinen soll. In dem Brief erläutert Humboldt, dass selbst in hohen geographischen Breiten Pflanzenfossilien vorkommen, die unter "Tropenwärme" vor Ort gewachsen sind. "Unter den vielen möglichen Gründen, welche eine Tropenwärme [...] hervorbringen können, studiere ich den besonders über die veränderte Schiefe der Ekliptik ...". Humboldt bittet Pfaff um eine Stellungnahme darüber, ob die Ekliptik in der Vergangenheit nicht auch 48° (gegenüber heute 23 1/2°) betragen haben könnte. Die Antwort von Pfaff ist nicht erhalten, da Humboldt in aller Regel die an ihn gerichteten Briefe vernichtete. In einem Vortrag vor der Akademie zu Berlin am 24. Januar 1823 stellt Humboldt eine völlig andere Hypothese zum Wachstum wärmeliebender Pflanzen weit außerhalb der heutigen Tropen auf. Lesen Sie diese Textpassage hier
Humboldt schließt seinen Brief wie folgt:
"Auf meinen rauhen Felsenhöhen hänge ich solchen Träumereien nach. Beraubt von den nothwendigsten Hilfsmitteln muß ich mich an lebendige Orakel wenden ...".
Was ist Alaun?
Alaun ist chemisch ein wasserhaltiges Doppelsulfat (SO44-), ein Salz der Schwefelsäure, vermischt mit Tonerde, einer kleinen Menge Potasche (Kalium) und Ammonium. Verwendung fand Alaun u.a.
- in der Färberei als Beizmittel vor dem Aufbringen von Farbstoffen,
- in der Gerberei, um weißgares Leder herzustellen,
- zum Leimen von Papier, um es tintenfest zu machen,
- zum Härten von Gips und Gelatine,
- zum Stillen innerer Blutungen und Durchfälle
- zum Blutstillen bei Schnittwunden (Rasur)
- als Deodorant
Alaun kommt in der Natur i.d.R. nicht als Mineral vor, sondern muss in mehreren Schritten aus Schwefel-führenden Gesteinen ausgelaugt werden. In Frage kommen dafür Braunkohlen oder Schwefelkies-haltige Alaunschiefer.
Das ehemalige Alaunwerk auf der Klausen
Bereits 1732 gab es in Hohenberg a.d. Eger die Braunkohlengrube "Freundschaft". Dort verbrannte man die Kohle und laugte sie anschließend zur Herstellung von Alaun aus. In Arzberg entstand 1765 eine Alaunhütte am Schachtweg "in der Biih" (= bei der Alaunhütte), die ihre Braunkohle ebenfalls aus Hohenberg bezog, jedoch bereits 1770 ihren Betrieb wieder einstellte.
Für das Gebiet der Klausen erwirbt der in Seußen ansässige Oberförster Balthasar Christoph Reiz die Mutungsrechte für die Zeche "Treue Freundschaft", die 1762 ihren Betrieb aufnimmt. Vor Ort entsteht ein Alaunwerk, in dem aus der Schwefelkies-haltigen Braunkohle bis 1837 (75 Jahre lang) Alaun produziert wird. Erwähnung finden die Schwefelkies-haltigen Braunkohlen allerdings schon in der von dem markgräflichen Bergrat Johann Wilhelm Kretschmann stammenden "Sammlung zu einer Berg Historia" als "Schefel Kieße von der Clausen, eine Stunde von Redwitz nach Arzberg zu, wobei eine Art Stein Kohlenn, so alaunisch seyn ...".
Eine erste Beschreibung des Alaunwerkes stammt von 1786:
"Das Werk besteht aus 2 Hauptgebäuden, wovon jedes 2 Stockwerke hoch ist. In denselben wird zu ebener Erde in 5 kleinen Blechpfannen die Lauge gekocht und in 5 größeren Bleipfannen abgekühlt [...]. Hinter dem Gebäude befindet sich eine Hütte mit 10 hölzernen Kufen verschiedener Größe, in welchen sich die Sole sammelt. 11 Personen liefern wöchentlich 8 Zentner Alaun und etwas rote Farberde". (Nach: J.K. Bundschuh, Geographisches Lexikon von Franken, Ulm 1799-1804).
Alexander von Humboldt und das Alaunwerk auf der Klausen
Alexander von Humboldt widmet dem Alaunwerk auf der Klausen 1792 einen ausführlichen Bericht. Er stellt darin fest, dass das Gestein, "aus welchem man hier den Alaun gewinnt, [...] weder Alaunschiefer noch Alaunerde, sondern wahre Braunkohle" ist. Die Lagerstätte des Flözes bezeichnet er als "überaus merkwürdig".
Aus Humboldts Beschreibung der Lagenstätte lässt sich der folgende geologische Aufbau ableiten:
- Humus
- 2 - 3 m Verwitterungslehm mit 37 - 42 cm großen Basaltkugeln
- 4 - 5 m weiße und braune Letten
- darunter (ab ca. 8 m) folgt das Braunkohlenflöz
Die Mächtigkeit des Flözes ist offensichtlich unbekannt, es soll jedoch noch in 42 m Tiefe erbohrt worden sein. Humboldt hält fest, dass die Lagerstätte im Nordwesten von Gneisen begrenzt wird (man findet sie in mehreren Aufschlüssen heute noch entlang des nördlichen Uferweges. In der Braunkohle beschreibt Humboldt "unversehrte Tannenzweige, die ihre natürliche Rinde erhalten [haben], und unverwitterte Schwefelkiese."
Der Beschreibung Humboldts zufolge erreichten die Bergleute das Braunkohlenflöz von der Oberfläche her über mehrere mit großem Aufwand gezimmerte Schächte. Über diese wurde das "mit dem Keilhauer Gewonnene durch Haspel herausgefördert." Der eigentliche Abbaustollen lag bis in 28 Meter Tiefe und hatte eine Länge von rund 220 Metern in südlicher Richtung. Der größte Teil des Stollens war ausgezimmert.
Zur Zeit von Humboldts Besuch arbeiteten 12 Bergleute auf der Grube, das Alaunsieden erfolgte nur während der wärmeren Jahreszeit. Das mit verwittertem und unverwittertem Schwefelkies durchsetzte Alaunerz, die Braunkohle, wurde auf die "Bühne" verbracht, ein aus Balken und Brettern bestehendes Bauwerk oberhalb der Grube, die mundartlich so genannte "Biih". Auf der "Biih" wurden die Braunkohlen vor der eigentlichen Alaunproduktion erst eineinhalb bis zwei Jahre gelagert, um dort zu "wittern". Danach beginnt das Auslaugen (12-15 Jahre!). Während der Lagerung und später beim Begießen und Wenden der Braunkohlen oxidiert der Luftsauerstoff den Schwefelkies (Pyrit) in der Braunkohle. Die dabei freigesetzte Schwefelsäure löst aus den tonigen Begleitsedimenten der Braunkohle Aluminium, Kieselsäure und Bitumen heraus. Diese Lauge wird in einen Schuppen nahe der Alaunhütte geleitet, wo sie in mehreren, im Boden eingelassenen Vorratskästen (1,50 m im Durchmesser, 1,20 m tief) zwischengelagert wird.
Im nächsten Schritt wird die Lauge in drei "Läuterpfannen" 36 Stunden lang "gesotten" (gekocht). Während des Siedens setzen sich die bituminösen Bestandteile und die Kieselsäure als teerartige Masse ab, die getrocknet schwarz-glänzend ist und einen muscheligen Bruch hat. Die geläuterte Lauge wird zum Abkühlen in größere Pfannen geleitet, danach in zwei Garpfannen unter Zugabe von Pottasche (Kaliumkarbonat) 24 Stunden eingedampft.
Humboldt nennt in seinem Bericht, dass wöchentlich 5 Zentner Alaun produziert werden. Der Holzbedarf dafür beträgt 10 Klafter. Humboldt bilanziert daraus die jährliche Produktion von 100 - 120 Zentner Alaun mit einem Holzverbrauch von 200 - 240 Klaftern (bei 5 - 6 Monaten Betrieb). Kritisch äußert er sich über den hohen Holzverbrauch, den er u.a. einer unsachgemäßen Befeuerung und falschen Bauweise der Pfannen zuschreibt.
Das "Püttnersche Alaunwerk" auf der Klausen
Humboldt benennt das Alaunwerk auf der Klausen als das "Püttnersche Alaunwerk". Es gehörte demnach der Kaufmanns- und Bankierfamilie Jakob Friedrich Püttner (1720-1798) aus Hof, die auch Eigentümer der Vitriol- und Alaunhütte "Goldene Adlerhütte" bei Wirsberg war. Dessen Enkel, Georg Friedrich Püttner, war Kommilitone Humboldts in Freiberg und übernahm später das Vitriolwerk bei Wirsberg und die Alaushütte auf der Klausen.
Hüttenmeister zur Zeit des Besuches von Humboldt war der Johann Christian Ullmann, "... ein sehr verständiger Mensch, aber ehemaliger Bermann aus Johanngeorgenstadt, der sich wohl besser auf Bergbau als Pyrotechnik verstehen mag." (Humboldt). Von 1808 an leitete das Püttnersche Alaunwerk der aus der Niederlausitz stammende August Reinsch (1778 - 1869), der ausgebildeter Apotheker war. Er war zuvor als Laborant auf der "Goldenen Adlerhütte" tätig. Reinsch übernahm nach dem Tod des Obersteigers J.C. Benker 1805 die Leitung der 1795 von Alexander von Humboldt in Arzberg gegründeten Bergschule. Reinsch übernimmt einige Jahre vor 1833 das Alaunwerk zu eigener Pacht. Für das Jahr 1829 werden noch 5 Bergarbeiter und 10 Alaunsieder genannt. Das Alauswerk wird 1833 von den Püttnerschen Gewerken an den Seußener Gutsbesitzer Christian Paul Aecker verkauft. Reinsch geht als "Berg- und Hüttenfaktor" (Verwalter) des Schwefelkiesbergwerkes am Silberberg nach Bodenmais (heute Besucher-Bergwerk).
Der Niedergang des Alaunwerkes auf der Klausen
Der neue Eigentümer seit 1833 des Alauswerkes, Christian Paul Aecker aus Seußen, betrieb das Werk nach einer Angabe von Carl Wilhelm von Gümbel nur bis zum Jahr 1837. 1834 heißt es in einem Text jedoch bereits, das sich " [...] sämtliche Grubenbaue der 'Treuen Freundschaft'bei Seußen ohne alle Beaufsichtigung und Unterhaltung befinden, wodurch eine sehr üble Gruben- und Hüttenwirtschaft [entstanden] ist". 1853 kam es durch das Bergamt zu einer "Freierklärung", da die Erben des mittlerweile verstorbenen Christian Paul Aecker den Verpflichtungen des Bergamtes nicht nachkamen.
Vom Alaunwerk zum Freizeitsee
1870 entsteht an Stelle der aufgelassenen Bergbaugrube der Klausenteich, jedoch wird die Staumauer durch ein Hochwasser im Juni 1913 zerstört. Erst 1935 wird der Teich durch den Klausenwirt Georg Sölch neu angelegt. Dieser wird 1912 zusammen mit seiner Familie als Bewohner des Gebäudes Nr. 1 des Anwesens "Treue Freundschaft" genannt. Im anderen Gebäude (1a) lebten sechs weitere Familien. Das von dem Ökonomen und Bierwirt Wirtshaus bestand bis zur Flutung des Feisnitzsee 1972/73 als Kühlwasserreservoir für das Braunkohlen-Kraftwerk Arzberg.