Oberstdorf: „Geologie erleben“ – „Hinab in die Tiefen des Meeres“ vom Nebelhorn bis Oberstdorf

06.11.2021 | Alpen(vorland), GeoAlpina, Geologie, Lehrpfad

© Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU Bayern)

Mit freundlicher Genehmigung.

Vielen Dank.

GeoAlpina – Violetter Weg

Etappe A66: Edmund-Probst-Haus – Oberstdorf

Von der Station Höfatsblick der Nebelhornbahn geht es steil hinunter nach Oberstdorf. Nicht anders geologisch: Einmal von der Küste Afrikas hinunter in die Tiefsee!

Die Wanderetappe führt auf der Via Alpina vom Edmund-Probst-Haus an der Station Höfatsblick der Nebelhornbahn 1.100 Höhenmeter im Abstieg hinunter nach Oberstdorf.

Wenn wir anfangs zwischen Kalk- und Dolomitgestein absteigen, dann befinden wir uns nicht wirklich an der Küste Afrikas. Vielmehr sind wir hier schon im flachen Meer, das den afrikanischen Festlandsockel (Schelf) überspülte.

Als vor Jahrmillionen Afrika auf Kollisionskurs mit Europa ging, wurde es im Meer dazwischen eng. Die Gesteine wurden verfaltet und als es noch enger wurde, schoben sich die Gesteinspakete in „Decken“ übereinander: Die Alpen entstanden und ein Teil der einstigen Meeresablagerungen vor der afrikanischen Küste kam so am Nebelhorn zu liegen.

Nach der Station Seealpe im Faltenbachtobel sehen die Gesteine ganz anders aus als oben am Berg: Eine enge Wechselfolge von hellen Sand- oder Mergelsteinen mit dunklen Tonsteinen. Solche Gesteinsfolgen entstanden, wo Schlammlawinen vom flachen Festlandsockel in die Tiefsee rauschten.

Wegbeschreibung

Geologische Zeittafel

Die geologische Zeittafel zeigt die Namen und die Abfolge der Schichten, die auf der Wanderetappe durchquert werden, und das Alter ihrer Ablagerung.

Sicherheitshinweis

Die hier beschriebenen Wege verlaufen teilweise in hochalpinem Gelände. Sie sind an manchen Stellen absturzgefährlich und ab und zu sind einfache Kletterstellen (mit Drahtseilsicherungen) zu meistern. Daher ist für bestimmte Abschnitte Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und alpine Bergerfahrung Voraussetzung. Etappenweise sind viele Höhenmeter sowie lange Strecken zu bewältigen. Eine gute Kondition ist deswegen genauso unerlässlich wie die richtige Bergausrüstung.

Die meisten Wegabschnitte können nicht ganzjährig gegangen werden.

Bitte informieren Sie sich über Schwierigkeiten, etwaige Gefahren und den aktuellen Zustand der Route, zum Beispiel auf den Internet-Seiten der Via Alpina oder beim Deutschen Alpenverein.

Die Begehung der Touren erfolgt auf eigene Gefahr.

Geologische Sehenswürdigkeiten
GeoPunkt "Dolomitstein von der Küste Afrikas"

Wer auf der steilen Asphaltstraße (bis Station Seealpe, dann Tobelweg) ins Tal absteigt, der sieht ab der zweiten Kurve unter dem Edmund-Probst-Haus fast nur noch die monotonen grauen Dolomitsteine des mächtigen Hauptdolomits (ca. 215. Mio. Jahre) am Straßenrand.

Dolomitstein

Dolomit ist dem Kalk ähnlich, enthält neben Kalzium aber noch Magnesium. Das liegt daran, dass dort, wo der Dolomit entstand – in flachen Lagunen auf dem Kontinentschelf – das tropisch warme Wasser soweit eingedampft war, dass das viele Magnesium nicht mehr in Lösung bleiben konnte und ins Gestein darunter wanderte.

An der Straßenbrücke über den Faltenbach wird auf einer Höhe von 1.680 m die so genannte Allgäu-Formation (200 – 165 Mio. Jahre) gequert. Typisch für sie sind die dunklen Mergelsteine (Mergel = Kalk + Ton). Der Faltenbach hat in die weichen, leicht ausräumbaren Gesteine sein Bachbett gelegt. Der Hauptdolomit hat bei der Alpenentstehung wie die Backen eines Schraubstocks die Allgäu-Formation eingequetscht. Ganz deutlich lässt sich der eingequetschte Teil als grasiger Streifen zwischen den „Schraubstockbacken“ des Hauptdolomits auf der gegenüberliegenden Talseite am Schattenberg erkennen.

Beim Weitergehen sind stellenweise die Schichtflächen des Hauptdolomits zur Straße hin geneigt. In so einer Lage können leicht ganze Schichtbänke abrutschen und Schaden anrichten.

Nach der Seealpe trifft der Wanderweg erneut auf die Straße und die Via Alpina folgt dieser nach Oberstdorf hinunter.

Tipp: Wir empfehlen dem geologisch Interessierten hier stattdessen den Weg durch den Faltenbachtobel zu nehmen.

GeoPunkt "Flyschsandsteine der Tiefsee"

Nach der Querung des Faltenbachs am Einlaufbauwerk des Wasserkraftwerks ist an der Baustraße hinter Netzen Sandstein der Reiselsberg-Formation (ca. 95 Mio. Jahre) aufgeschlossen. Zwischen den dicken Sandsteinbänken sind dünne dunkle Tonsteinlagen eingeschaltet. Wenn sich eine Abfolge von Sandstein und Tonstein vielfach wiederholt, spricht man in den Alpen von Flysch.

Flysch

Die Alpenfaltung begann am Rande des Südkontinents Afrika. Flüsse schoben Schutt des entstehenden Gebirges in großen Deltas ins Meer.  Sei es, dass diese gewaltigen Aufschüttungen durch die Auflast instabil wurden, sei es, dass Erdbeben nachhalfen, auf jeden Fall lösten sich periodisch – Muren im Gebirge vergleichbar – untermeerische Trübeströme (Turbidite) und glitten in die Tiefsee. Dort breiteten sie sich fächerförmig aus und kamen langsam zur Ruhe. Zuerst lagerten sich die groben und schweren Sandkörner ab, dann feinere Bestandteile und zuletzt Ton. Die Ablagerung eines Trübestroms kann Stunden bis Tage dauern, die anschließende Ruhephase bis zum nächsten Ereignis Tausende bis Zehntausende von Jahren!

Die regelmäßige, typische Wechselfolge von hellen Sandsteinen und dunklen Tonsteinen, die sich daraus ergibt, ist der Flysch der Alpen.

Mit dem erneuten Abstieg in den Tobel werden die Wechselfolgen von Quarzsandsteinen mit schiefrigen Tonsteinen der Rehbreingaben-Formation (auch unter dem alten Namen „Quarzit-Serie“ bekannt, ca. 115. Mio. Jahre) und dann die Kalksandsteine und schiefrigen Mergel der Tristel-Formation (ca. 125 Mio. Jahre) durchquert. 

Das letzte Stück der Etappe führt vom Skistadion zur Talstation der Nebelhornbahn.

GeoPunkt "Ultrahelvetikum des Kontinentalhangs"

Tipp: Wer noch etwas mehr Geologie sehen will, folgt vom Skistadion dem Faltenbach auf seiner rechten Seite abwärts fast bis zur Einmündung des Faltenbachs in die Trettach. Dort zeigt eine Wegböschung graue und rötliche Mergelsteine der Leimern-Schichten (85 bis 45 Mio. Jahre). Diese jüngsten Festgesteine der Etappe wurden am Kontinentalhang des Nordkontinents Europa abgelagert. Der Ablagerungsraum wird Ultrahelvetikum genannt. 

Wer das Alter der im Abstieg durchwanderten Schichten verfolgt hat, dem wird aufgefallen sein, dass wir von oben nach unten von älteren in jüngere Schichten – aber  auch mit einem Sprung dazwischen – gelangt sind. Normalerweise liegen aber doch die jüngsten Schichten oben und die ältesten unten. Innerhalb der Flyschgesteine war das auf unser Wanderung auch der Fall. Die Lösung: Sie liegen innerhalb einer geologischen „Decke“ – innerhalb eines Schichtpakets, das bei der Alpenfaltung auf ein anderes Schichtpaket („Decke“) aufgeschoben wurde. 

Und warum liegt die jüngste aller Schichten ganz unten? Die Alpenfaltung begann im Süden am Rande des Kontinents Afrika, die Decken wurden bei der Nordbewegung von Afrika übereinandergestapelt und gegen Ende zu schob sich der ganze Deckenstapel  über die jungen und „frischen“, weil gerade erst abgelagerten Schichten im Norden am Rand des Kontinents Europa.

Infomaterialien

agsdi-file-pdf

Oberstdorf

„Geologie erleben“ – „Hinab in die Tiefen des Meeres“ vom Nebelhorn bis Oberstdorf – keine Infomaterialien vorhanden!

Allgemeine Hinweise

Streckenkilometrierung

Auf der Karte zeigen die Zahlenwerte an dem Track die Kilometrierung der Tour an und sollten nicht mit den Stationsnummern von Infotafeln an Lehrpfaden verwechselt werden (Standorte von Infotafeln werden auf den Karten nicht angezeigt).

Vor Tourenbeginn

Vor Antritt einer Tour wird generell empfohlen, sich über die Begehbarkeit der Strecke direkt bei den zuständigen Stellen vor Ort bzw. bei den Wegebetreibern zu informieren, insbesondere nach Unwettern oder während des Holzeinschlags.

Nebenwege

Manche Touren verlaufen teilweise auf "off-grid"-Abschnitten (wenig genutzte Nebenwege außerhalb der bekannten Hauptwege). Solche Wegabschnitte sind teilweise durch stärkeren Bewuchs oder querliegende Baumstämme weniger gut begehbar und können durch einen Blick auf die Karte meist auch umgangen werden.