Merkwiller-Pechelbronn: Die Wiege der Erdölindustrie

Merkwiller-Pechelbronn: Die Wiege der Erdölindustrie

Merkwiller-Pechelbronn: Die Wiege der Erdölindustrie

Pechelbronn war der erste Ort in Europa, an dem Erdöl gewonnen wurde.

Die kommerzielle Nutzung erfolgte zwischen 1735 und 1964, in diesem Zeitraum wurden insgesamt 3,3 Millionen Tonnen Erdöl gefördert. Generationen von Technikern besuchten das Gebiet, um das Fördern und Raffinieren von Erdöl zu lernen. 1927 nahmen die Gebrüder Marcel und Conrad Schlumberger in Pechelbronn die erste elektrische Bohrlochvermessung vor.

Die noch heute aktive Erdpechquelle ist seit 1498 belegt und gab dem Ort den Namen: „Pech-Brunnen. Die Bewohner der Gegend gewannen geringe Mengen des Petroleums, indem sie Löcher in die Erde in der Nähe der natürlichen Quellen gruben und das Öl auf dem Wasser abschöpften. Das so gewonnene Erdöl wurde zunächst medizinisch bei Hauterkrankungen benutzt.

Im 17. und frühen 18. Jahrhundert wurden Versuche unternommen, das Petroleum kommerziell zu nutzen, die aber alle fehlschlugen. Erst die Untersuchungen von Jean-Théophile Hoeffel (1704–1781) ab 1734 erlaubten die Herstellung eines reinen Schmierstoffs, der dazu führte, dass man die Erzeugung industrialisierte hin zur Förderung des Teersands in Gruben und der Raffinierung des Petroleums.

Ab 1741 wurde die Produktion in Pechelbronn durch zwei Männer erweitert, die ihre Erfahrungen in den Asphaltminen im Val de Travers(Schweiz) gewonnen haben: Jean Damascène d’Eirinis und Louis-Pierre Auzillon de la Sablonnière.

Ab 1879 ersetzte Joseph Le Bel die Förderung von Teersand durch ein neues Verfahren, welches in Pennsylvania (Vereinigte Staaten) erprobt worden war: man bohrte die Ölschichten an und injizierte Wasser unter Druck, welches das Öl nach oben treibt. Mit geringerem Aufwand konnte man so größere Mengen von Öl gewinnen.

1899 entschloss sich die Familie Le Bel, ihr Unternehmen an die Pechelbronner Ölberbergwerke zu verkaufen, eine Gesellschaft reicher Elsässer Unternehmer. Innerhalb von 15 Jahren erhöhte die neue Firma die Förderung um 75 Prozent, 1924 gab es in der Umgebung von Pechelbronn 550 Pumpstationen, die über ein Leitungsnetz von 150 km mit der Raffinerie verbunden waren. 1911 wurden alle lokalen Produktionsgesellschaften in der Deutsche Erdöl Aktiengesellschaft (DEA) zusammengefasst.

In Pechelbronn wurde die weltweit erste großtechnische Erdölraffinerie errichtet. In den besten Zeiten waren hier 3.200 Menschen beschäftigt.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Elsass-Lothringen wieder französisch, die DEA wurde enteignet und die Anlagen 1921 der neu gegründeten Pechelbronn SAEM (Bergbau Aktiengesellschaft Pechelbronn) übertragen. Für den Vertrieb wurde die Marke Antar gegründet.

Die Raffinerie wurde 1944 bombardiert und fast vollständig zerstört, nach dem Krieg aber wieder aufgebaut. Nach dem Ende der Ölförderung am 31.12.1964 wurde der Raffineriebetrieb noch bis 1970 fortgeführt. Die Gebäude und technischen Anlagen wurden in der Folgezeit rückgebaut. Das heute größtenteils brachliegende Gelände ist komplett eingezäunt und darf durch Unbefugte nicht betreten werden! Zutritt verboten. Accès interdit.

Textquelle: Wikipedia „Merkwiller-Pechelbronn“ (Januar 2025)

Die Erdpechquellen von Lampertsloch und Baechelbrunn

1745-1888: Ölförderung im Schachtbetrieb (1. Phase)

1845-1964: Ölförderung im Bohrbetrieb

1917-1954: Ölförderung im Schachtbetrieb (2. Phase)

Raffinerie Merkwiller

d‘Karichschmiermann

Les Mines d’Asphaltes, Bitumes et Lignites de Lobsann

Meilensteine

Gut zu wissen

Musée Français du Pétrole

Baden-Baden: Grube Müllenbach

Baden-Baden: Grube Müllenbach

Baden-Baden: Grube Müllenbach

Das westliche Stollenmundloch der Grube Müllenbach: Der Sauersboschstollen (Foto vom Januar 2023).

Die Saarberg Interplan, Gesellschaft für Rohstoff-, Energie- und Ingenieurtechnik mbH erhielt am 12. März 1973 eine Untersuchungserlaubnis zum Aufsuchen von Uran- und Thoriumerzen im Raum Baden-Baden/Gernsbach.

Im September 1973 wurden daraufhin mittels radiometrischer Messungen mehrere Anomalien in den ausstreichenden Karbonschichten des Oostroges festgestellt. Abgesehen von unbedeutenden Ausnahmen, befanden sich alle Anomalien in den karbonischen Sedimenten. Aus diesem Grunde wurden diese Schichten mit einem engmaschigen Netz radiometrischer Messpunkte und -linien überdeckt.

Der Erfolg dieser Untersuchung war die Auffindung zahlreicher Einzelanomalien und dreier größerer vererzter Bereiche bei Neuweier, Malschbach und Müllenbach. In diesen Gebieten wurden durch Bohrungen auch vererzte Horizonte gefunden, die sich an der Oberfläche nicht nachweisen ließen.

Die größte Anomalie, mit mehr als 1 Million Impulse pro Minute (ipm), wurde am Hummelsacker bei Müllenbach ermittelt.

Durch flache Bohrungen bis max. 2 m Tiefe konnten die Anomalien räumlich genauer abgegrenzt werden. Tiefere Bohrungen waren aufgrund der Lage im äußeren Quellschutzgebiet der Thermen von Baden-Baden nur sehr eingeschränkt möglich.

Die wahrscheinlichen, gewinnbaren Lagerstättenvorräte in Müllenbach betragen, bei einer Konzentration von durchschnittlich 1.200 ppm, ca. 1.500 t Uran (nach Prof. Dr. A. Wilke).

Geologie
Übersicht

Baden-Baden liegt im „Oostrog“, einer intramontanen karbonischen Senke, der in SW-NE-Richtung streicht. Im Westen wird dieser Trog vom Rheingraben begrenzt, im Osten wird er von mesozoischen Schichten bedeckt.

Der insgesamt etwa 10 km breite Oostrog wird durch den Battertsattel in zwei strukturelle Bereiche gegliedert:

  • Rotenfelser Mulde (Norden)
  • Lichtentaler Mulde (Süden)

Lithologisch sind hier sedimentäre Gesteine, Schiefer, Quarzite, Dolomite und Magmatite ausgebildet.

Der Baden-Badener Granit und die angrenzenden Alten Schiefer im Kern des Battertsattels sind intensiv miteinander verschuppt.

Aufgrund ihrer petrographischen Ähnlichkeit mit den Steiger und Weiler Schiefern der Vogesen werden die Alten Schiefer des Oostroges ins Devon gestellt.

Karbon

Die nächstjüngeren Sedimente der Trogfüllung sind karbonischen Alters (Stefan). Abgesehen von einigen kleineren Vorkommen im Bereich des Battertsattels treten sie vorwiegend am Südrand der Lichtentaler Mulde auf, wo sie den Nordschwarzwälder Granit überlagern oder an Störungen gegen diesen abgesetzt sind.

Die Sedimentfolge des Karbons ist gekennzeichnet durch die Wechsellagerung von Kohleflözen, z.T. kohligen Tonsteinen, Arkosen und Konglomeraten. Die einzelnen Schichten sind meist geringmächtig und keilen auf kurze Distanz aus. Leitbänke sind nach unserer bisherigen Kenntnis nicht ausgebildet, so dass eine weitere Untergliederung nicht möglich ist.

Das allgemeine Schichtstreichen ist 15—20 °E, das Einfallen liegt bei 25—30 °W. Innerhalb des gesamten Schichtpaketes beobachtet man zahlreiche syngenetische Rutschflächen, Schrägschichtungen und Strukturen, die auf subaquatische Gleitungen zurückzuführen sind. Im Zusammenhang mit dem Wechsel von Tonsteinen, Arkosen und Konglomeraten deuten diese Sedimentstrukturen auf einen küstennahen Sedimentationsraum hin, der stellenweise durch Deltabildungen unterbrochen wird.

Ein deutliches Bild der unruhigen Sedimentation vermittelt die geologische Aufnahme des Kirchheimerstollens. Dieser Stollen wurde von Müllenbachtal aus in nordwestlicher Richtung in den Hummelsacker vorgetrieben und erschließt auf 150 m Länge einen guten Einblick in die Sedimente des Oberkarbons, die hier wie auch an anderen Stellen erkennen lassen, dass die Schüttung aus S bis SE erfolgte (vgl. SCHNEIDER. H. 1966).

  • Die Arkosen und Tonsteine stellen also den Abtragungsschutt des Nordschwarzwälder Granits dar, eine Feststellung, die sich gelegentlich sogar ohne Schwierigkeiten im Gelände bestätigen lässt.
  • Südlich von Geroldsau führt der Granit z. B. große Orthoklas-Porphyroblasten, die als wenig zerkleinerte Bruchstücke auch in der angrenzenden Arkose zu finden sind. Auch der Geröllinhalt der Konglomerate ist mit der Annahme einer Sedimentschüttung aus südlicher Richtung in Einklang zu bringen, enthalten sie doch vorwiegend granitische Komponenten.
  • Untergeordnet treten auch Prophyrgerölle auf, die den Gangporphyren des Granitgebietes entstammen.
  • Lediglich die Herkunft der Greisengerölle, die in nicht unbedeutender Menge am Aufbau der Konglomerate beteiligt sind, ist noch unbekannt. Sie entstammen entweder den abgetragenen Hangend-Partien des Granits oder dem Gebiet, das im Südosten unter den Schichten des Buntsandsteins verdeckt ist.
Rotliegendes + Buntsandstein

Gegen das Muldeninnere zu wird das Karbon von Rotliegend-Sedimenten überdeckt, die schließlich als jüngste Bildung den Buntsandstein tragen. Der Übergang vom Karbon zum Perm erfolgte ohne Fazieswechsel, so dass die Grenze nicht immer exakt festzulegen ist.

These zur syngenetisch-sedimentärenn Entstehung (nach Maus)
Beschreibung Uranverteilung

Erst die Auffahrung des Kirchheimerstollens und später des Sauersboschstollens brachten Klarheit über die Form der Uranverteilung.

Bei den vererzten Lagen handelt es sich nicht, wie ursprünglich angenommen, um stratigraphisch exakt definierbare (Leit)Horizonte, die durch Tektonik in unterschiedliche Höhenlagen gebracht worden sind.

Radiometrische Aufnahmen und chemische Analysen ergaben das folgende Verteilungsmuster:

  • Tonsteine: schichtkonkordante Verteilung
  • Arkosen: wolkig-diffuse, schichtübergreifende Verteilung

 

 

 

 

 

 

Abb.: Geologische und radiometrische Aufnahme einer schichtgebundenen Uranvererzung im Kirchheimerstollen (verändert nach: Ertle, Kneuper & Müller 1976). Bei beiden Aufnahmen ist die Lage der Schiefer- und Sandschieferschichten mit einer roten Umrandung hervorgehoben.

Der in der Abbildung wiedergegebene Ausschnitt aus der radiometrischen Vermessung des Kirchheimer- Stollens zeigt zwischen 32 und 44 m einen relativ scharf begrenzten Vererzungshorizont, wie er in ähnlicher Art auch im gleichen Stollen von 53 bis 61 m aufgeschlossen ist.

Im Gegensatz hierzu stehen diffuse Vererzungsbereiche, die keinerlei Bindung an die Schichtung erkennen lassen und nach bisheriger Kenntnis an keiner Stelle eine Urankonzentration erreichten, die dem Maximum in den schichtgebundenen Vererzungen entspricht.

Diese im Großbereich deutlich erkennbare Verteilung des Urans lässt sich auch im Kleinbereich und sogar im Mikroskop beobachten. Wie Hauptmann (1976) feststellte, zeichnen die uranvererzten Tonsteine und tonreichen Arkosen sogar die syngenetischen Wickelstrukturen nach und geben im Mikroskop sogar eine subparallele Anordnung von Tonmineralen und Pechblende-Partikeln zu erkennen.

Hieraus kann man schließen, dass

  • diese Art der Vererzung als primär anzusehen ist,
  • während für die wolkig-diffuse Uran Verteilung eine sekundäre Genese angenommen werden muss.

Für eine sekundäre Umlagerung spricht auch folgende Beobachtung: Die Konglomerate enthalten stellenweise vererzte Gerölle, während die Matrix praktisch uranfrei ist. Die Vererzung ist dabei nicht auf eine bestimmte Art der Gerölle beschränkt, es finden sich sowohl uranimprägnierte Granit-, Greisen- und Porphyr- Gerölle. Im Hinblick auf die große Mobilität des Urans sind mehrfache Umlagerungen nicht auszuschließen, doch ist auffällig, dass die postkarbonische Tektonik als Wegsamkeit für die zirkulierenden Lösungen keinerlei erkennbaren Einfluss auf die Verteilung des Urans genommen hat.

Störungen und Klüfte sind weder vererzt noch haben sie in sichtbarer Weise zu einer Verarmung geführt. Die gelegentlich auf Kluftflächen zu beobachtenden sekundären Uranminerale sind wahrscheinlich erst Produkte jüngster Umlagerungen.

An primären Uranmineralen wurden bisher Pechblende und Coffinit beobachtet, sekundäre Uranminerale sind durch Zeunerit, Autunit, Torbernit, Heinrichit, Uranophan, Phospuranylit und ein Urankarbonat vertreten. Ein Teil des Urans scheint jedoch adsorptiv an Tonminerale gebunden zu sein oder auch als Uranyl-Humat vorzuliegen (vgl. hierzu auch die eingehenden Untersuchungen von Hauptmann 1976).

Abgesehen von den wenigen Fällen der rezenten bis subrezenten Ausblühung spärlicher sekundärer Uranminerale sind die Uranträger ohne Mikroskop nicht zu beobachten, den Tonsteinen und Arkosen ist der Urangehalt also nicht anzusehen.

Genese der Uranmineralisation

Bei der intensiven Untersuchung des Uranvorkommens bei Müllenbach wurde aus den beiden Stollenauffahrungen und zahlreichen Oberflächenaufschlüssen sowie aus einigen tausend Bohrmetern umfangreiches Datenmaterial gewonnen.

Danach ergibt sich folgendes Bild der Uranvererzung:

1: Die Vererzung ist beschränkt auf die Schichten des Karbons

Nennenswerte Anreicherungen wurden bisher weder im Granit noch in den hangenden Schichten des Rotliegenden oder des Buntsandsteins beobachtet. Die hier festgestellten Anomalien erwiesen sich stets als lokal eng begrenzt und in der Konzentration nur von mineralogischem Interesse. Möglicherweise handelt es sich hierbei um Ausfällungen aus Lösungen, die ihren Urangehalt aus den karbonischen Schichten bezogen.

2: Die Uranvererzung war ursprünglich wohl über das gesamte Vorkommen der karbonischen Sedimente verbreitet

Primäre Inhomogenitäten aufgrund unterschiedlicher Gesteinsausbildung und spätere selektive Auslaugungen im Gefolge der Erosion täuschen lokale Primär-Konzentrationen vor.

  • Diese Feststellung konnte durch Bohrungen bestätigt werden, die in Bereichen ohne Oberflächenanomalien in größerer Tiefe Uranvererzungen antrafen.
  • Da erst die Gebiete mit ausgeprägten Oberflächenanomalien nach der Tiefe zu untersucht wurden, war zunächst der Eindruck entstanden, als seien auch nur in diesen Gebieten in der Tiefe Vererzungen vorhanden.

3: Die Verteilung des Urans in den Sedimenten lässt noch keinen gesicherten Schluss auf die Herkunft des Urans zu.

Eine hydrothermale Zufuhr aus dem liegenden Granit über Klüfte ist jedoch auszuschließen.

  • Ein im Granit aufsetzender Erzgang mit Baryt, Kupferkies, Malachit und braunem Glaskopf fand in der überlagernden Arkose keine Fortsetzung.
  • Eine den Gang begleitende Störung war im Bereich des Sediments lediglich mit geringen Mengen von Brauneisen markiert. Dieser Gang zeigte zwar gelegentlich eine etwas erhöhte Strahlungsaktivität, doch war sie stets beschränkt auf das aus der Zersetzung des Kupferkieses stammende Brauneisen.

4: Über das Alter der Uranvererzung liegen noch keine gesicherten Angaben vor

Physikalische Altersbestimmungen am Uran erbrachten bisher erst Maximalwerte von 300.000 Jahren. Dieses extrem junge Alter bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf umgelagertes Uran, das tatsächliche Alter der Vererzung dürfte dem des Sediments entsprechen, also oberkarbonisch sein.

Thesen zur Urananreicherung

Die Uranvererzung erstreckt sich wolkig-diffus durch das Gestein und erschwert eine Vorratsberechnung.

Es zeigt sich jedoch, dass entlang dünner, schwarzer Tonsteinlagen Uran am häufigsten auftritt. Dagegen fehlen in der Hauptmasse des Gesteins (in den 10 m bis 20 m mächtigen Lagen aus Arkosen und Konglomeraten) ausgesprochene Erzhorizonte. Doch auch hier gibt es Urananreicherungen. Bei ihrer Entstehung spielt das Grundwasser eine wichtige Rolle.

Die grobkörnigen Arkosen und Konglomerate führen Schwefelkies (FeS2). Bei Zutritt von  sauerstoffreichem Grundwasser oxidieren die Sulfide zu Schwefelsäure, die das im Gestein dispers verteilte Uran löst und mit dem Grundwasserstrom verfrachtet. Trifft das Grundwasser auf sich ändernde Redoxbedingungen, z.B. auf kohlenhaltige Schichten, dann wird das gelöste, sechswertige Uran zur vierwertigem Uran reduziert und fällt an der „Front“ zum sauerstoffarmen Bereich aus, wo sich in den Gesteinsporen in konzentrierter Form dünne Lagen mit Uranmineralien abscheiden. Der Mechanismus einer solchen Erzanreicherung wird „Rollfront“ genannt.

Altersbestimmungen an den Uranmineralien ergaben mit 300.000 Jahren ein vergleichsweise sehr junges Alter. Daraus kann rückgeschlossen werden, dass der Rollfront-Mechanismus noch heute andauert.

Von allen genetischen Modellen scheint die von Berger & Salger (1965) formulierte Theorie am ehesten auf die Vererzung im Nordschwarzwald zuzutreffen: Die Entstehung der Urananreicherung wird folgendermaßen gedeutet:

Schichtgebundene Uranvererzung

Das in geringer Konzentration im Wasser als Uranyl- oder Uranylkomplexion in sechswertiger Form gelöste Uran kommt in ein stark reduzierendes Milieu, gekennzeichnet durch wechselnde Konzentration von Huminstoffen und kohligen pflanzlichen Resten.

Es wird zur vierwertigen Stufe reduziert.

Da diese wesentlich weniger löslich ist, fällt Uran als Hydroxyd in dem Maß aus, wie es dem pH und Eh der Lösung entspricht. Es wird mit der Tontrübe im Sedimentationsraum abgesetzt.

Änderungen im Oxidationspotential und in der Reaktion der Lösungen bewirken unterschiedliche Fällungen und können die Differenzen zwischen den einzelnen Gesteinen erklären.

Soweit also auch im Karbon des Nordschwarzwaldes noch schichtkonkordante Vererzungen vorliegen, ist ihre Entstehung wohl im zitierten Sinne anzunehmen.

Wolkig-diffuse Uranvererzung

Dies stark vereinfachte Bild muss jedoch noch insoweit modifiziert werden, als die Bereiche der wolkig-diffusen Vererzung nicht so gedeutet werden können.

Für sie müssen in jedem Fall sekundäre Umlagerungen angenommen werden.

Der Zeitpunkt dieser Umlagerungen ist nicht allgemein festzulegen; aufgrund der hohen Mobilität des Urans ist anzunehmen, dass dieser Vorgang auch heute lokal noch andauert.

Durch diese Umlagerungen entstanden neue Vererzungsbereiche mit rollfrontartigem Charakter. Sie finden sich vorwiegend in den gut durchlässigen, grauen, also reduzierten Arkosen.

Geochemische Untersuchungen durch Hauptmann (1976) konnten für diese Bereiche eine für Rollfrontvererzungen typische Korrelation von Uran und Arsen feststellen, nicht jedoch für Uran und Kupfer bzw. Vanadium, doch besteht die Aussicht, an neuen Aufschlüssen unter Tage eine derartige Verbindung noch nachzuweisen.

These zur hydrothermalen Entstehung (nach Zuther)
Beschreibung folgt

Beschreibung folgt

Chronologie
1973: Prospektion auf Uran- und Thoriumerze

Die Saarberg Interplan, Gesellschaft für Rohstoff-, Energie- und Ingenieurtechnik mbH erhält am 12. März 1973 eine Untersuchungserlaubnis zum Aufsuchen von Uran- und Thoriumerzen im Raum Baden-Baden/Gernsbach.

Im September 1973 werden mittels radiometrischer Messungen mehrere Anomalien in den ausstreichenden Karbonschichten des Oostroges festgestellt. Abgesehen von unbedeutenden Ausnahmen, befinden sich alle Anomalien in den karbonischen Sedimenten.

Die größte Anomalie, mit mehr als 1 Million Impulse pro Minute (ipm), wird am Hummelsacker bei Müllenbach ermittelt.

1974: Beginn bergmännische Aufwältigung (Kirchheimerstollen)

Auf Empfehlung von Prof. Dr. Franz Kirchheimer, Präsident des Geologischen Landesamtes Baden-Württemberg, beginnt im August 1974 die bergmännische Aufwältigung der Vererzung am Hummelsacker. Der Kirchheimerstollen am SE-Hang des Hummelsacker fährt auf 150 m Länge das Karbon querschlägig an und erschließt dabei drei größere und mehrere kleinere Vererzungen mit beachtlichen Gehalten von bis zu 1 % U3O8.

1975: Tiefere Erkundungsbohrungen

Nach der Genehmigung durch die Bergbehörde können im Sommer 1975 nun auch tiefere Erkundungsbohrungen zur Teufenuntersuchung der Vererzung niedergebracht werden. Die tiefste Bohrung (am Steufenberg) weist eine Vererzung bis in eine Teufe von 920 Meter nach.

1975: Sauersboschstollen

Am 02.07.1975 wird mit dem Sauersbosch-Stollen, am NW-Hang des Hummlesacker, ein zweiter Stollen, ca. 40 m tiefer als der Kirchheimerstollen, angesetzt.

1975: Schürfkonzession Murgtal

Gemäß Antrag vom 06. August 1975 wird die Untersuchungserlaubnis von 1973 in die Schürfkonzession Murgtal umgewandelt (befristet bis zum 31.12.1979, verlängert um fünf Jahre am 19.12.1979)

1976 | 1978: Anlage Aufhauen 2/1-1

Dezember 1976 + Frühjahr 1978:Anlage des Aufhauens 2/1-1 zwischen dem Sauersbosch- und dem Kirchheimerstollen.

1977: Einführung der Lade- und Fördertechnik

Einführung der gleislosen Lade- und Fördertechnik in den Vortrieb der Untersuchungsstrecken. Dazu mussten die teilweise zu engen Stollen nochmals nachgegossen werden.

1978: Stundung Vortrieb Aufhauen 2/1-1

Stundung des Vortriebs von Aufhauen 2/1-1 im März 1978 bei 172 m Länge, da die Stadt Baden-Baden eine weitere Haldenablagerung vor dem Stollenmundloch nicht genehmigt. Im hinteren Bereich des Stollens wird eine Klärkammer für die Grubenwässer errichtet.

1978: Laugungsversuche

Für Laugungsversuche werden im Mai 1978 insgesamt 26 t Erz aus dem Sauersbosch-Stollen entnommen.

1978 | 1979: Anlage Aufhauen 2/1-2

Juli 1978 – Februar 1979: Anlage des Aufhauens 2/1-2 vom Sauersbosch-Stollen im Einfallen der Vererzung. Installation eines Schrappers und Förderbandes.

1979: Durchschlag Aufhauen mit dem Kirchheimerstollen

Das beim Leerschrappern der Strecke angefallene Material wird im Februar 1979 im nicht fertig gestellten Aufhauen 2/1-1 eingelagert. Die bergmännischen Untertagetätigkeiten werden fortan gestundet, v.a. weil die Stadt Baden-Baden die Genehmigung zur weiteren Aufhaldung von Gesteinsmaterial im Sauersboschtal noch immer verweigert.

1979: Kündigung der Gestattungsverträge

Die Stadt Baden-Baden kündigt am 28.08.1979 alle Gestattungsverträge mit dem Begbauunternehmen.

1979: Untersuchungen Strahlenbelastung

Untersuchungen zur Strahlenbelastung der Bergleute + der Umwelt und der Beeinflussung der natürlichen Gewässer durch die Exploration und den Grubenbetrieb in Zusammenarbeit mit dem Kernforschungszentrum Karlsruhe.

Die Untertageanlagen werden fortan als „Versuchsgrube“ bezeichnet. Es werden Reihenversuche zur Erprobung von Messgeräten wie Dosimetern unter Bedingungen des Grubenbetriebs ausgeführt. Darüber hinaus finden Langzeitbeobachtungen der Grund- und Oberflächenwässer und der meteorologischen Bedingungen statt.

1980: Verlängerung Radonstollen

Im ersten Halbjahr 1980 wird der sogenannte Radonstollen um etwa 12 m verlängert, im Herbst um weitere 9 m. Der Abraum wurde im Aufhauen 2/1-1 handversetzt.

1982: Erzentnahme für Auslaugungsversuche

Die Saarberg-Interplan schlug im März 1982 ein Drei-Phasen-Programm für die weiteren Arbeiten in der Versuchsgrube vor:

  • Phase I: Weitere Exploration + Sicherung und Erweiterung der bekannten Vorräte.
  • Phase II: Versuchsbergbau zur Erprobung verschiedener Abbaumethoden + Test einer Pilot-Aufbereitungsanlage im Waldbachtal, die durch eine untertägige Rampe an die Versuchsgrube angeschlossen werden sollte. Die Aufbereitung war als Sickerlaugung in einer Laugungshalle konzipiert (Ausfällung von Yellow cake).
  • Phase III: Wirtschaftliche Gewinnung von Uranerz im Müllenbachtal.

Die Betriebspläne wurden wegen heftigen Widerstandes der Stadt und zahlreicher Umweltverbände nicht genehmigt.

1982: Drei-Phasen-Programm

Die Saarberg-Interplan schlug im März 1982 ein Drei-Phasen-Programm für die weiteren Arbeiten in der Versuchsgrube vor:

  • Phase I: Weitere Exploration + Sicherung und Erweiterung der bekannten Vorräte.
  • Phase II: Versuchsbergbau zur Erprobung verschiedener Abbaumethoden + Test einer Pilot-Aufbereitungsanlage im Waldbachtal, die durch eine untertägige Rampe an die Versuchsgrube angeschlossen werden sollte. Die Aufbereitung war als Sickerlaugung in einer Laugungshalle konzipiert (Ausfällung von Yellow cake).
  • Phase III: Wirtschaftliche Gewinnung von Uranerz im Müllenbachtal.

Die Betriebspläne wurden wegen heftigen Widerstandes der Stadt und zahlreicher Umweltverbände nicht genehmigt.

1985: Vorläufige Betriebseinstellung

Im Juli 1985 schlägt die die Interuran, die Nachfolgegesellschaft der Saarberg-Interplan, die vorläufige Einstellung des Betriebes vor. Ein Abschlussbetriebsplan sollte sicherstellen, dass von den Grubenbauen und Halden keine Gefährdung ausgeht.

  • Am Sauersboschstollen werden Haldenteile > 350 mrem/a in den Stollen transportiert. Die Trafostation, die Baustellenwagen und Material für den grubenbetrieb werden entfernt.
  • Am Kirchheimerstollen wird das oberflächliche haldenmaterial > 400 mrem/a entfernt und in den Stollen eingelagert.
  • Die Haldenflächen werden anschließend mit Mutterboden angedeckt und eingesät.
  • Aus der Grube werden noch die verwendbaren Maschinen und Geräte sowie elektrische Anschlüsse und Pumpen demontiert. Grubenausbau, Klärbecken und Sprengstofflager blieben für eine eventuelle Wiederbenutzung erhalten. Die Mundlöcher beider Stollen werden abschließend doppelt vermauert.
1985 bis 1988: Rekultivierung

Mai 1985 bis Januar 1988: Rekultivierung

Zwischen Mai 1985 und Januar 1988 werden die Flächen rekultiviert. Die Grube wird im Februar 1988 durch die Bergbehörde aus der Bergaufsicht entlassen.

Textquellen

Steen, H.: Geschichte des modernen Bergbaus im Schwarzwald. 488 S., Verlag: Books on Demand, Norderstedt, 2004.

Das östliche Stollenmundloch der Grube Müllenbach: Der Kirchheimerstollen (Foto vom Januar 2023).

Oberried: Museums-Bergwerk Schauinsland

Oberried: Museums-Bergwerk Schauinsland

Oberried: Museums-Bergwerk Schauinsland

Mit der Lorenbahn im Arbeitseinsatz. © Forschergruppe Steiber

Überblick & Geschichte

Das heutige Breisgau mit dem Zentrum Freiburg, im Rheintal klimatisch begünstigt, war schon immer ein bevorzugtes Siedlungsgebiet verschiedener Kulturen. Archäologische Funde weisen steinzeitliche, keltische, römische und alemannische Siedlungen nach. Für die Vorbergzone z.B. in Badenweiler, Sulzburg, nicht jedoch für das Schauinslandgebiet, ist römischer Bergbau nachgewiesen. Die Rodung der Wälder und langsame Besiedelung der Schwarzwaldberge begann erst vor rund 1.000 Jahren aus den Tälern heraus. Im Mittelalter war dafür der wesentliche Grund die Suche nach Edelmetallen. Silber (Gold wurde in Mitteleuropa kaum gefunden) war im Mittelalter Grundlage des sich entwickelnden Geldwesens und wegen seiner Knappheit begehrt und teuer. Es war durchaus in seiner Kaufkraft dem heutigen Goldpreis vergleichbar.

Über die Anfänge des Bergbaus am Schauinsland um das 13. Jahrhundert ist bisher nicht viel bekannt, denn übertägige Spuren des oberflächennahen Bergbaus aus der Anfangsphase macht die durch Höhenlage und strenge Winter verstärkte Erosion bald unkenntlich. Bereits im 14. Jahrhundert besaß der Bergbau im Schauinsland jedoch eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für die Region und war lange Zeit wesentlicher Silberlieferant der Freiburger Münze. Deshalb trafen sich im Juni 1372 einflussreiche Bergwerksbetreiber aus dem Breisgau auf dem Schauinsland bei der Grube Dieselmuth (ungefähr beim Hotel Halde gelegen), um strittige rechtliche Fragen mit Graf Egon IV. von Freiburg zu klären. Das daraus entstandene, bald 750 Jahre alte Dieselmuth-Bergweistum, ist das älteste in deutscher Sprache bekannte Bergrecht.

Ungewöhnlich sind auch die beiden Glasfenster mit Bergbaudarstellungen im Freiburger Münster, gestiftet von damaligen am Schauinsland erfolgreich tätigen Bergwerksbetreibern (Fronern). Das Münster ist die einzige im Mittelalter begonnene und auch fertiggestellte gotische Großkirche in Deutschland. Sitz eines Bischofs wurde Freiburg erst 1821. Das zeigt die nach der Stadtgründung 1120 rasch erreichte wirtschaftliche Blüte und den Wohlstand einer Stadt mit damals nur 5.000 Einwohnern, möglich geworden durch die erfolgreiche Symbiose von Handel und Silberbergbau.

Die drei charakteristischen Bergbauperioden am Schauinsland
Mittelalterlicher Bergbau

Der mittelalterliche Bergbau des 13. bis 15. Jahrhunderts galt überwiegend dem Silber. In dieser ersten Periode erreichte der Bergbau am Schauinsland seine größte Blüte. Der anfängliche Bergbau wurde durch den höheren Silbergehalt in den oberflächennahen Bereichen der Erzgänge (Zementationszone) begünstigt. Probleme mit Grubenwässern traten noch kaum auf und das Gestein war nicht so hart. Mit dem Vordringen in die Tiefe erfolgte gezwungenermaßen der Übergang vom Tagebau zum aufwändigeren Stollen- und Schachtbau.

Zahlreiche Bergwerke unter verschiedenen Betreibern und in Konkurrenz stehend, beschäftigten damals Hunderte von Bergleuten. Trotz des mühsamen händischen Herausmeißelns der Stollen entstand bereits im Mittelalter ein Stollensystem mit ca. 10 km Länge im Schauinsland. Teilweise wurden die oberen 200 m der Erzgänge abgebaut und fast die 1.000 m Höhenlinie erreicht, auf welcher Ende des 19. Jahrhunderts die Kapplersohle aufgefahren wurde.

Bis Ende des 18. Jahrhundert wurden die Erze vor Ort am Schauinsland aufbereitet und verhüttet. Als Antriebsmedium für die Pochanlagen diente Wasser. Heizmaterial für die Schmelzöfen und Reduktionsmittel war aus Holz gewonnene Holzkohle.

Neuzeitlicher Bergbau

Beim neuzeitlichen Bergbau des 16. bis 18. Jahrhundert wurde in beträchtlichem Umfang neben dem Silber auch das Blei mitgenutzt, welches im Bauwesen, für Glasuren und militärisch bei den mit Schießpulver betriebenen neuen Kanonen als Kugeln verwendet wurde.

Aufgrund des vollständigen Abbaus der reichen, oberflächennahen Erzgänge und des Verfalls des einst hohen Silberpreises durch die großen Edelmetallmengen aus Mittel- und Südamerika verschlechterten sich die wirtschaftlichen Bedingungen für den Bergbau am Schauinsland. Für andere Bergbaureviere im Schwarzwald war damals wegen fehlender Wettbewerbsfähigkeit bereits das Ende gekommen. Im Schauinsland konnte jedoch aufgrund seines Erzpotenzials mit geringeren Erträgen weiter abgebaut werden.

Ab etwa 1620 wurde unter Verwendung von Schwarzpulver mit handgebohrten Sprenglöchern untertage gesprengt und damit die Leistungsfähigkeit enorm erhöht. Schwarzpulver, der erste Sprengstoff überhaupt, wurde 1355 für Europa von dem Franziskanermönch Berthold Schwarz in Freiburg erfunden.

Moderner Bergbau

Der moderne Bergbau ab Ende des 19. Jahrhunderts nutzte erstmalig alle drei in der Lagerstätte vorkommenden Metalle Silber, Blei und Zink. Zink ist ein Metall, welches erst durch die Industrialisierung nachgefragt wurde. Aus Kupfer und Zink entsteht Messing, heute der Kontaktwerkstoff der Elektrotechnik.

1889 begann mit der Auffahrung des Kappler-Stollens durch die Gewerkschaft Schwarzwälder Erzbergwerke/Köln eine neue Epoche am Schauinsland. Unter dieser Bergbaugesellschaft wurden alle Aktivitäten am Schauinsland zusammengefasst, eine nassmechanische Aufbereitung zur Trennung der Erze vom tauben Gestein am Ausgang des Kapplertals errichtet und diese mit einer 5,3 km langen Materialseilbahn an die Grube angebunden. Durch Wasserkraft des Reichenbachs angetriebene Kompressoren erzeugten Druckluft zum Antrieb der Bohrhämmer und gesprengt wurde mit Dynamit, einem modernen, sehr leistungsfähigen Sprengstoff.

Nach zwei Gesellschaftswechseln und 5-jähriger Betriebsunterbrechung übernahm 1935 die Stolberger Zink AG/Aachen als letzte aktive Bergbaugesellschaft den Grubenbetrieb am Schauinsland und modernisierte ihn nachhaltig. Wesentliche Neuerung war der Umbau der Aufbereitung in eine Flotation. Somit wurde nicht mehr nach Dichteunterschieden selektiert, sondern nach verschiedenen Oberflächenbenetzbarkeiten, einem viel trennschärferen Verfahren. Damit stand erstmalig ein der Lagerstätte angemessenes Aufbereitungsverfahren zur Verfügung.

In den beiden Weltkriegen musste Raubbau mit höchstmöglicher Förderung betrieben werden, unter totalem Verzicht auf weitere Aus- und Vorrichtung der Lagerstätte.

Der Tiefbau erreichte 1952 mit der 9. Sohle auf +358 m Höhe über NN den tiefsten Punkt der Grube Schauinsland und damit einen Teufenaufschluss von 900 m. Die Ergebnisse enttäuschten jedoch. Die Verschlechterung der Erzgänge zur Teufe, deutlich gestiegene Lohnkosten und eine langanhaltende Baisse an den Metallmärkten machten die Grubenschließung zum 31. Oktober 1954 unvermeidlich. Da zukünftige Bergbauaktivitäten im Schauinsland ausgeschlossen wurden, erfolgte eine vollständige Demontage aller unter- und übertägigen Einrichtungen einschließlich der Aufbereitung. Nur das Wasserkraftwerk an der Brugga im Oberrieder Tal (insgesamt 620 kW) lieferte nun seinen Strom in das öffentliche Netz und wurde 1969 an einen privaten Betreiber verkauft.

1970 kaufte die damals selbstständige Gemeinde Kappel das Bergwerkseigentum von der Stolberger Zink AG, welches mit der Eingemeindung 1974 zur Stadt Freiburg kam. Für das Museums-Bergwerk Schauinsland hat Berthold Steiber einen Gestattungsvertrag mit der Stadt Freiburg bis 2049.

Grubenriss Bergwerk Schauinsland. © Forschergruppe Steiber

Grube Schauinsland

Der Bergbau am Schauinsland weist eine 800-jährige Tradition auf und bot früher vielen Bergleuten aus Kappel, Oberried, Hofsgrund und Umgebung die Lebensgrundlage. Ende Oktober 1954 mußte die zuletzt tätige Bergbaugesellschaft Stolberger Zink AG/Aachen aus wirtschaftlichen Gründen die Grube Schauinsland schließen. Dabei wurden alle unter- und übertägigen Einrichtungen demontiert.

Durchschnittlich arbeiteten im 20. Jahrhundert in der Grube Schauisland etwa 250 Bergleute. In diesem Jahrhundert bauten sie als Erz eisenreiche und deshalb schwarze, silberarme Zinkblende (Sphalerit, ZnS) und silberhellen Bleiglanz ab (Galenit, PbS) mit einem Silbergehalt von ca. 0,1%. Im 20. Jahrhundert wurden insgesamt ca. 1,2 Millionen Tonnen Erz mit einem durchschnittlichen Gehalt von 5,7% Zink, 1,0% Blei und 0,001% Silber gewonnen. Dieses entspricht in heutigen Preisen (Stand 2011) einer Wertschöpfung von etwa 200 Millionen Euro. Trotz des, mit Unterbrechungen über 800 Jahre andauernden Bergbaus, ist der Schauinsland heute noch die größte Blei-Zink-Silber-Lagerstätte des Schwarzwaldes und der Vogesen. Die Erzvorräte sind etwa zu Dreiviertel abgebaut worden.

Bedeutende Stollen und Schächte in der Grube Schauinsland
Übersicht

In der Grube Schauinsland erschließen Stollen die damals 12 zumindest partiell abbauwürdigen, im Bereich des Schauinsland Gipfels gelegenen, hydrothermalen steilstehenden Erzgänge. Die bedeutendsten Stollen (Mundlochhöhen in m über NN) auf der nördlichen Kappler Seite sind

  • der Tiefe Stollen (+443 m)
  • der Leopold-Stollen (+836 m)
  • der Kappler-Stollen (+981 m), der sog „Hebammenstollen“ und
  • der Barbara-Stollen (+560 m), heute Zentraler Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland

und auf der südlichen Hofsgrunder Seite

  • der Hofsgrunder-Stollen (+998 m), mit Kappler-Stollen verbunden, und
  • der Gegentrum II-Stollen (+1.189 m), der Zugang zum Museums-Bergwerk.
Kappler-Stollen („Hebammenstollen“)

Der Kappler-Stollen ist heute der wohl bekannteste Stollen der Grube Schauinsland. Er wurde 1889 unter Frhr. von Roggenbach angeschlagen und war ab 1891 Hauptförderstollen der Grube Schauinsland. Über den Hofsgrunder Stollen war er mit der Südseite des Schauinslandes verbunden. Mit der Kapplersohle war die Grube Schauinsland eines der wenigen Bergwerke mit einem Stollen, der ähnlich einem Tunnel den Schauinsland vom oberen Kappler-Großtal auf der Nordseite nach Hofsgrund auf der Südseite durchquerte. Wegen der Lage der Erzgänge nimmt er jedoch nicht den direkten Weg, sondern hat einen S-förmige Verlauf.

Berühmtheit erlangte der Kappler-Stollen als Verbindung von Kappel nach Hofsgrund, die nicht nur von Bergleuten genutzt wurde. Der kürzeste Weg zwischen den damals noch selbstständigen Orten Kappel und Hofsgrund führte durch den Hebammenstollen des Schauinslandes. So hatten die Kinder der Bergleute vom der Bergbausiedlung auf der Nordseite des Schauinslands einen auch im Winter gangbaren Weg zur Schule nach Hofsgrund auf der Südseite. Dieser Fußweg durch den Kappler-Stollen dauerte etwa eine halbe Stunde Zeit und war damit deutlich schneller als der Weg über den Berg. Die Kinder mussten auf ihrem „Schulweg“ durch das Bergwerk jedoch äußerst achtsam sein, denn der Abbaubetrieb in der Grube wurden nicht unterbrochen, wenn sie durch den Stollen gingen. Zudem hatte diese wettersichere Verbindung noch einen erheblichen Nachteil: In besonders schneereichen Wintern waren die Kinder der Bergleute oft die einzigen, die in der kleinen Schule beim Mundloch des Hofsgrunder-Stollens saßen, da die Kinder der umliegenden Bauernhöfe oft von den Schneemassen eingeschlossen waren.

Der heute noch gebräuchliche Name „Hebammenstollen“ für den Kappler-Stollen rührt daher, dass eine Hebamme aus Hofsgrund diesen Stollen als Möglichkeit entdeckte, ihr Einzugsgebiet zu vergrößern. Zudem war die Geburtshelferin auf diesem Weg deutlich schneller zur Stelle, wenn ihre Dienste im Bergmannsheim und auf der Kappler Seite benötigt wurden.

Nach Silber, Blei und Zink wird heute hochwertiges Trinkwasser aus dem Kappler-Stollen gewonnen.

Leopold-Stollen

Der Leopold-Stollen (rund 150 m unter der Kapplersohle gelegen) wurde ab 1903 aufgefahren und löste ab 1908 den Kappler-Stollen als Hauptförderstollen ab. Von hier führte die Materialseilbahn der Grube Schauinsland zur Erzwäscherei in Kappel.

Tiefer-Stollen

Der rund 540 m unter Kapplersohle Tiefe Stollen blieb fördertechnisch ein Torso. Nur der Bereich Grubenzentrum unterhalb des Schauinslandgipfels (Mundloch Hercherhof angeschlagen 15.12.1938) konnte am 6. März 1947 mit dem Zwischenzugang beim Hercherhof und fast 5 km Länge fertiggestellt werden. Die von der Stolberger Zink kühn geplante ganze untertägige Verbindung wurde nie fertiggestellt, da ein kleines Reststück in der Verbindung Hercherhof-Erzwäscherei in Kappel/Neuhäuser fehlte. Es ist ein Trauerspiel, denn dieses fehlende kurze Stück macht nur etwa 120 m der rund 2 km langen Verbindung aus. Das legt den Schluss nahe, bereits Jahre vor der endgültigen Grubenschließung hatte die Stolberger Zink nicht mehr an eine Zukunft der Grube Schauinsland geglaubt. Die frühzeitige Inventarisierung 1952 geht ebenfalls in diese Richtung.

Zwar konnte durch das „Teilstück“ des Tiefen Stollens die Entwässerung der Grube Schauinsland ab 1947 im natürlichen Gefälle zum Hercherhof vorgenommen werden, Ausnahmen waren nur die 8. und 9. Sohle. Auch bedeutete für viele der rund 250 Bergleute die tägliche Ein- und Ausfahrt mit dem Grubenzug durch den Tiefen Stollen zum Roggenbachschacht eine Erleichterung. Ein Abwerfen der störanfälligen 5,3 km langen Materialseilbahn und eine Neustrukturierung des Haufwerk-Abtransportes durch den Tiefen Stollen zur Erzwäscherei unterblieb wegen dessen nie erfolgter Fertigstellung.

Barbara-Stollen

Dieser Stollen wurde 1903 unter dem Namen „Oberrieder-Stollen“ im Oberrieder Tal (+560 m) begonnen – zeitgleich mit dem Leopold-Stollen, jedoch rund 270 m tiefer gelegen. Die Auffahrungen wurden jedoch 1914 bei einer erreichten Länge von fast 1.100 m endgültig eingestellt zugunsten einer Intensivierung der Arbeiten auf der Leopoldsohle; lediglich das bereits 1912 fertiggestellte Kraftwerk Oberried wenig unterhalb blieb in Betrieb.

Heute unter dem Namen Barbara-Stollen bekannt, ist dieser Grubenbau eine weitere Besonderheit der Grube Schauinsland. Die Bundesrepublik kaufte zu Beginn der 70er Jahre die dazugehörenden Grubenfelder und ließ 1973 zwei Kammern 400 m tief im Berg anlegen. Dort werden in Edelstahlbehältern auf Mikrofilmen inzwischen über 1 Milliarde Dokumente archiviert. Dieser Zentrale Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland unterliegt seit 1978 den Regeln der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten und ist das größte Langzeitarchiv in Europa.

Im Bergwerk sind die 22 Etagen durch senkrechte Schächte verbunden. Darunter vier größere Blindschächte, die nicht zur Tagesoberfläche geführt sind (Teufe in m)

  • Roggenbach-Schacht (535 m Teufe): Kapplersohle – 7. Sohle, tiefster Blindschacht Süddeutschlands
  • Schacht II (151 m Teufe:) Leopoldsohle – 3. Sohle
  • Schacht VI (147 m Teufe): Leopoldsohle – 3. Sohle
  • Blindschacht Tiefer Stollen (100 m Teufe): 7. Sohle – 9. Sohle
Roggenbach-Schacht

Der bereits 1929 unter der Bergbau AG Lothringen begonnene, auf 55 m geteufte Roggenbach-Schacht mit begonnener Auffahrung der 1.Sohle, konnte nach Sümpfung ab 1935 fortgesetzt werden. Er ermöglichte im Grubenzentrum ein kostengünstiges Vordringen zur Teufe. So erschien dem damaligen Betreiber (der Stolberger Zink) ein Übergang zum forcierten Tiefbau – auf Kosten eines riskanteren weiteren Breitenaufschlusses – verlockend. 1940 erreichte er die 7.Sohle, von wo aus der neue Tiefstollen jetzt im Gegenortvortrieb in Angriff genommen wurde. 1949 wurde nach aufwendigen Vermessungen der Roggenbach-Schacht als zentraler Förderschacht der Grube Schauinsland von der Leopold- zur Kapplersohle im Gegenortbetrieb hochgebrochen. Damit ist der Roggenbach-Schacht mit 535 m der tiefste Blindschacht Süddeutschlands.

Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Fördermaschinen. Beide wurden im Schauinsland eingesetzt:

  • Trommel-Fördermaschine
  • Fördermaschine mit Treibscheibe

Die Fördermaschine mit Treibscheibe wurde 1877 vom Bergingenieur Carl Friedrich Koepe erfunden und patentiert und stellte, gerade bei tieferen Schächten mit gegebenen Förderverhältnissen, eine Vereinfachung dar und fand zum Schluss auf der Kapplersohle am Roggenbach-Schacht Verwendung. Bei den anderen Blindschächten im Schauinsland wurden Trommelfördermaschinen eingesetzt.

Die Koepe-Treibscheibe im Kappler-Stollen hatte einen Durchmesser von 3 m. Das Förderseil mit 34 mm Durchmesser wurden nicht aufgetrommelt, sondern von der Fördermaschine über die Treibscheibe bewegt, und an dessen Enden hing jeweils ein 2-etagiger Förderkorb. Die elektrische Antriebsleistung betrug 170 kW/380 V, Geschwindigkeit 6 m/sec (mittlere Seilfahrtsanlage), Nutzlast 1.500 kg.

Beim Teufen des Roggenbach-Schachtes befand sich auf der Leopoldsohle dagegen eine Trommelfördermaschine der Maschinenfabrik Beien aus Herne (NRW). Zwei Trommeln mit 2,5 m Durchmesser bei 1,2 m Breite nahmen das Förderseil (Durchmesser 31 mm) auf. Die Geschwindigkeit betrug 3 m/sec, Nutzlast 1.500 kg, Teufe bis 500 m bei einer elektrischen Antriebsleistung von 118 kW/380 V.

Nach dem Einbau der Fördermaschine mit Koepe-Treibscheibe auf der Kapplersohle wurde die Trommel-Fördermaschine auf der Leopoldsohle nicht mehr benötigt und demontiert. Heute ist dort nur der leere Aufstellort mit Betonfundamenten und den bei der Demontage der Grube herausgeschlagenen Zugängen übriggeblieben.

Markante historische Bergbauspuren am Schauinsland. © Forschergruppe Steiber

Lagerstätte
Größte Silber-, Blei-, Zink-Lagerstätte des Schwarzwalds und der Vogesen

Die Lagerstätte gliedert sich in ein Nord- und ein Südfeld im Schauinsland und umfasst in der Gipfelregion eine Fläche von rund 3 km².

Im gut bekannten Nordfeld ging der moderne Bergbau um bis Oktober 1954 um. Diese Periode beginnt Ende des 19. Jahrhunderts durch Bergbautätigkeit des Freiherrn Carl von Roggenbach. Ihm folgten die 1890 gegründete Gewerkschaft Schwarzwälder Erzbergwerke in Köln sowie zwei weitere Bergbaugesellschaften, bis zuletzt die Stolberger Zink die Grube 1935 übernahm.

Im Südfeld dagegen, das durch eine erzleere Zone getrennt südwestlich vom Nordfeld liegt, ging nur bis zum 18. Jahrhundert der Bergbau um. Hier begann im Mittelalter der Metallerz-Bergbau, welcher der Stadt Freiburg und der Region Wohlstand brachte und den Bau des Münsters ermöglichte. Das Freiburger Münster ist die einzige gotische Großkirche in Deutschland, die noch im Mittelalter fertiggestellt wurde. Freiburg wurde erst durch den geänderten Zuschnitt der Bistümer 1821 Bischofsitz, lange nach Fertigstellung des Münsters „Unserer Lieben Frau“. Zuvor war das Münster eine reine „Stadtkirche“.

Steilstehende Erzgänge mit Zinkblende und Bleiglanz

Die beiden Haupterze Zinkblende und Bleiglanz kommen im Nordfeld in 12 steilstehenden, fast senkrechten Gangspalten vor, genannt Erzgänge. Zwei verschiedene, horizontale Streichrichtungen (Hauptgänge: Gang II, Roggenbach-Gangzone, Gang III, Gang VI, Gang VIII mit ca. 40 Grad bei einem Vollkreis von 360 Grad (SW-NO), Diagonaltrümer 0(!), 1, 2a, 2b, 3, 4, 5 mit ca. 90 Grad (N-O) gingen mit einer historisch entstandenen Nummerierung einher. Die streichende Ganglänge betrug nur wenige Hundert Meter bei einer Mächtigkeit von 0,5 bis 3 m und einem absätzigen Gangverhalten. Das Manko der geringen Streichlänge wurde bei der Roggenbach-Gangzone, welche im Schauinsland das meiste Erz brachte, durch eine vertikale Teufe von über 700 Höhenmetern mehr als ausgeglichen. Die Anhäufung von 12 Erzgängen unterhalb des Gipfels auf einer Fläche von nur einem Quadratkilometer ist ungewöhnlich. Dem haben wir das kompakte Museums-Bergwerk zu verdanken, da in den oberen Teufen nur der Bereich zwischen Gang III und VI untersucht wurde.

Leider war nie die gesamte Füllung eines Erzgangs aus Bleiglanz und Zinkblende bestehend, sondern metallerzfreie, wertlose Gangarten waren in der Mehrheit. Gangarten sind im Schauinsland-Nordfeld der bei Gangerz-Lagerstätten fast allgegenwärtige Quarz, daneben Schwerspat, Kalkspat, Dolomit. In der Regel machten die Metallerze rund ein Drittel und die Gangarten zwei Drittel der Erzgänge aus. Die saubere Trennung in die beiden Erze und die Abtrennung der Gangarten ist im modernen Bergbau Aufgabe der Aufbereitung. Früher wurde diese Trennung vor Ort durchgeführt und der Erzgang unter Inkaufnahme enger Arbeitsplätze oft nur im silberhaltigen Bleiglanzbereich abgebaut. Natürlich veränderten sich über die Zeit die Vorstellungen von Bauwürdigkeit. Einige Zentimeter Bleiglanz- und 10 cm Zinkblende-Mächtigkeit waren unter der Stolberger Zink keine schlechte Vorgabe. Die Metallerzkonzentration in Gangerz-Lagerstätten ist eine sehr gute und betrug im Schauinsland stets deutlich über 10%.

Vererzung
Zusammensetzung

Im Schauinsland kommen in den Erzen die Metalle (Elemente) Silber, Blei, Zink und Cadmium – alles Schwermetalle mit Dichten ähnlich Eisen – und bei den nichtmetallhaltigen Gangarten zusätzlich die Elemente Silicium, Barium, Calcium, Magnesium, Eisen, Kohlenstoff, Sauerstoff und Schwefel vor. Durch Kombination lassen sich zahlreiche Mineralien bilden, etwa 80 verschiedene wurden bisher für den Schauinsland nachgewiesen. Der Schauinsland ist eine sulfidische Lagerstätte, und beide Erze sind ganz einfache chemische Verbindungen, jeweils nur aus dem Metall und Schwefel bestehend. Abgebaut wurde im Firstenstoßbau, das Nebengestein ist sedimentär gebildeter Paragneis.

Der Schauinsland war in Deutschland das höchstgelegene Bergwerk, welches über längere Zeit im Abbau stand. Früher waren große Schaustufen (nicht Micromounts) aus dem Gang II oberhalb der Holzschlägermatte mit dunklem kristallinem Erz, den hellen Gangarten und Überzügen von goldfarbenem Pyrit Klassiker, die durch Kristallgröße und Farbkontrast wirkten. Während der Abbauzeit konnten kubische Bleiglanzkristalle mit Kantenlängen bis 5 cm gewonnen werden. Die wegen ihres Eisengehaltes tiefschwarze Zinkblende mit Diamantglanz erreichte Kristallgrößen bis 1 cm und war bei Sammlern begehrt. Bräunliches Wurtzit als weitere Zinkblende-Variante ist im Schauinsland selten. Verwachsungen der Erze mit Gangarten und Nebengestein führten zu Brekzien-Strukturen mit schönem Farbkontrast, insbesondere in der Roggenbach-Gangzone.

Durch zufließende Wässer werden stetige Umbildungen von eisenreicher Zinkblende ausgelöst. Aus dem Zinkerz kann sich weißes Hydrozinkit bilden und aus dem Eisenanteil brauner Limonit. Manche Gangstrecke untertage „verrostet“ bei inzwischen gut sichtbaren weißen Hydrozinkitüberzügen. In den 1920er wurde u.a. wegen des Silbergehaltes im Bleiglanz weitergearbeitet und Schaustufen in den angelsächsichen Raum gegen inflationsbeständige Devisen verkauft.

Mineralienreichtum

Eine weitere Besonderheit des Schauinslandes ist Grünbleierz (Pyromorphit), ein Bleiphosphat und als Umwandlungsprodukt aus Bleiglanz im Südfeld so häufig, dass es früher abgebaut wurde. Sein Silbergehalt ist zum Bleiglanz leicht gemindert. Wegen seiner intensiven grasgrünen Farbe hatte er wohl im Mittelalter eine Signalfunktion für die Lagerstätte. Der braune Pyromorphit (Braunbleierz) hingegen ist am Schauinsland selten. Im Nordfeld – und dort wieder in den oberen Teufen – kommt statt des Grünbleierzes Weißbleierz (Cerussit) lokal gehäuft vor. Mit seinen weißen Nadeln ist es ebenfalls eine Umbildung des Bleiglanzes. Mit Erfahrung können Sammler Erzstufen aus dem Schauinsland aufgrund deren Ausprägung durchaus einem Erzgang zuordnen. Die Grube Schauinsland dürfte heute noch weltweit mit ihren Mineralien in vielen Museen vertreten sein.

Durch den langandauernden Grubenbetrieb mit den konstant zufließenden Oberflächenwässern ist die Oxidationszone weit in den Berg hineingezogen worden und reicht heute im Gang VI über 200 Höhenmeter bis zur Kapplersohle hinab. Im Bereich der alten früheren Grundwasserhorizonte (Zementationszonen) konnten deutlich erhöhte Metallerzmengen und gediegenes Silber vorkommen, welche den Altbergbau beflügelten.

Mit „Die Mineralien und der Bergbau vom Schauinsland, Schwarzwald“ erschien von uns 1986 im Januar-März Emser-Heft ein Bergwerksportrait, welches leicht erweitert später in zwei Auflagen als Buch gedruckt wurde. Die Emser-Hefte, leider eingestellt, waren Lagerstätten im deutschsprachigen Raum gewidmet.

Herkunft

Die Frage kann doppelt gestellt werden, sowohl nach dem absoluten Alter der Erze als auch nach dem Alter der Erzgänge mit der dortigen Ablagerung der Erzmetalle im Schauinsland. Die Naturwissenschaft hat Modelle geschaffen, welche universale Gültigkeit besitzen. Die gesamte Materie setzt sich aus 92 Elementen zusammen, vom leichtesten mit der Ordnungszahl 1, dem Wasserstoff (gasförmig), bis zum Uran (Metall) mit der Ordnungszahl 92. Diese Elemente kommen in sehr unterschiedlichen Mengen vor. Ein Würfel von 1.000 m Länge, 1.000 m Breite und 1.000 m Höhe, also 1 km³, wiegt bei einer angenommenen Dichte von 2,3 kg/cm³ (welche etwa dem Gestein entspricht) 2.300.000.000 kg. Das sind 2,3 Milliarden kg, und dieser 1 km³ (etwa die Größe der Schauinsland-Lagerstätte) enthält durchschnittlich 750 kg Silber. Silber ist damit rund 20-mal häufiger als Gold und 700-mal seltener als Kupfer. In einem km³ sind des Weiteren 750.000 kg Zink und 140.000 kg Blei enthalten. Auf jeden Fall ist eine starke Anreicherung notwendig, um eine bergmännische Gewinnung wirtschaftlich zu ermöglichen. Diese Anreicherung erfolgte im Schauinsland in Erzgängen.

Blei und Zink können nicht durch Kernfusion in der Sonne erzeugt werden. Die Kernfusion findet ihr Ende beim Eisen mit der Ordnungszahl 26. Blei- und Zinkmetall sind somit älter als unser Sonnensystem. Sie stammen alle aus dem kurzzeitigen, hellen Aufleuchten eines massereichen Sterns am Ende seiner Lebenszeit durch eine gigantische Explosion, einer Supernova, welche deutlich größer als die Sonne ist. Aus deren staubförmigen Überresten, welche auch die höheren Elemente über Eisen hinaus enthielten, entstand vor 4,6 Milliarden Jahren die Erde. Die Lebensdauer der Elemente ist zwar begrenzt, sie sind jedoch äußerst langlebig. Das Alter des Weltalls seit dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren beträgt damit rund das 3-fache des Sonnensystems.

Es ist interessant, wie sich in den Geowissenschaften über die Zeit doch Vorstellungen über die Bildung von Erzgängen verändern. Die von uns mit hohem Einsatz an privater Zeit und Geld wieder zugänglich gemachten Grubenbaue mit guten Aufschlüssen bis zur Leopoldsohle führten in Kombination mit strukturgeologischen Untersuchungen zu neuen Erkenntnissen über die Lagerstättenbildungen im Südschwarzwald. So konnte nachgewiesen werden, dass die Vererzungen im Schauinsland erst im frühen Miozän erfolgten, also vor ca. 20 Millionen Jahren und somit früher als die Alpenauffaltung. Die in den Erzgängen gebundenen Metalle kamen dabei durch Laugung aus den Gneisen, und eine Wechselwirkung mit von der Oberfläche eingedrungenen Formationswässern ließ schwerlösliche Sulfide entstehen. Damit gilt die lange Zeit vertretene Lehrmeinung von z.B. Hans Schneiderhöhn, der früher an der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg den Lehrstuhl für Lagerstättenbildung innehatte und eine Koryphäe war, über die Entstehung der Erzgänge mit einer Abkühlung von Granit-Intrusionen und ihrem oberkarbonischen, also viel höherem Alter, als überholt. Ein entsprechender Granit-Pluton wurde zudem nie gefunden.

Textquellen

© Forschergruppe Steiber, Stand: Oktober 2022. Mit freundlicher Genehmigung. Vielen Dank.

Baden-Baden: Thermalquellen am Florentinerberg

Baden-Baden: Thermalquellen am Florentinerberg

Baden-Baden: Thermalquellen am Florentinerberg

INHALT

Die Thermalquellen

AQVAE und die römischen Bäder

Die Entwicklung des Bäderwesens

Geologie

Sinterkegel

Thermalwasserbohrungen

Übersicht Thermalquellengebiet

Historische Ansichtskarten

Ein junger Mann ist einst auf einer Wanderung durch den Schwarzwald zum Mummelsee gekommen.

Am Ufer sieht er ein Seeweiblein, das sich ihm bald nähert. Er ist so von der Schönheit der Nixe verzaubert, dass er mehrere Stunden mit ihr am See verbringt. Beim Abschied gibt ihm die Nixe drei Steine aus dem See.

Der junge Mann nimmt sie an sich, denkt aber: „Die sind doch wertlos.“ Später wirft er sie auf seiner Wanderung nach und nach weg.

Aber überall, wo einer dieser Steine hinfällt, sprudelt eine Quelle hervor,

die erste an der Stelle des Erlenbades,

die zweite in Hub,

die dritte in Baden-Baden.

Die Thermalquellen

Direkt unterhalb vom Neuen Schloss in Baden-Baden entspringen am Florentinerberg und am direkt angrenzenden historischen Marktplatz und Klosterareal mehr als ein Dutzend Thermalquellen.

Das Quellgebiet

Das Quellgebiet erstreckt sich über eine Fläche von ca. 110 m x 90 m. Hier tritt artesisch gespanntes Wasser aus über einem Dutzend Quellen aus einer Tiefe von über 1.000 Metern mit Temperaturen von bis zu 69° C an die Erdoberfläche. Die wichtigsten Bestandteile der Wässer sind v.a. Natrium und Chlorid, daneben auch Fluor, Lithium, Kieselsäure und Bor.

Die wichtigste und mit einer Schüttung von 113 m³/d ergiebigste Quelle, ist die Ursprungsquelle, die im Untergeschoss der Alten Dampfbades gefasst ist.

Datenquelle: BILHARZ, A. (1934), unter Mitwirkung von HASEMANN, W.: Erläuterungen zu Blatt Baden-Baden (Nr. 67). – Geol. Spez.-Kt. Baden: 144 S., 8 Abb., 2 Beil.; Freiburg i.Br. – [Unveränderter Nachdruck als Geol. Kt. 1:25000 Baden-Württ., Bl. 7215 Baden-Baden, Stuttgart 1985.]

Die ergiebige Schüttung der Ursprungsquelle war ausschlaggebend für den Bau des „Alten Dampfbades“ an dieser Stelle in den Jahren 1846-1848.

Das Thermalwasser der Ursprungsquelle wird nur zu Badezwecken verwendet.

Der Quellenaustritt wurde 1980 bei der Renovierung des Hauses neu gefasst und als einzige Baden-Badener Thermalquelle zugänglich und sichtbar gemacht.

Die Ursprungsquelle im Alten Dampfbad im Oktober 2022

Quellfassungen

Die wichtigsten Quellaustritte wurden zwischen 1868 und 1871 unter der Federführung des Karlsruher Ingenieurs Robert Gerwig, dem späteren „Erbauer“ der Schwarzwaldbahn, in zwei Stollensystemen gesammelt.

Beim Vortrieb des Hauptstollens versiegten einige Quellen (Brüh-, Ungemach- und Judenquelle). Die tägliche Gesamtschüttung aller Quellen konnte durch die bauliche Umgestaltung von 693 m³ (5,1 l/s) im Jahr 1868 auf 856 m³ im Jahr 1871 gesteigert werden. Wegen der Hitze konnten die Stollen nicht direkt bis zur Störung (Hauptquellaustritt) vorgetrieben werden.

Durch den späteren Bau des Kirchen- und Rosenstollens und weiterer Stollen zwischen 1897 bis 1898 konnten die Wassermengen weiter gesteigert werden.

Um den hohen Wasserverbrauch des Friedrichsbades decken zu können, wurden im Pflutterloch, oberhalb vom Neuen Schloss, zwei Tiefbrunnen gebohrt, die das Friedrichsbad seit 1969 jeden Tag mit ca. 293 m³ Thermalwasser versorgen.

Alle Thermalquellen von Baden-Baden fördern täglich 1,7 t NaCl und 40 kg LiCl und das seit mindestens 2.000 Jahren. Das sind in Summe über 1,24 Millionen t NaCl.

Graphik aus: Kirchheimer, Franz: Über radioaktive und uranhaltige Thermalsedimente, insbesondere von Baden-Baden, Geologisches Landesamt Baden-Württemberg, Freiburg i. Br., 1959.

Im Bademantel zum Dienst (ein Video des SWR auf Facebook)

Brühquelle
Büttenquellen
Fettquelle
Freibadquelle
Friedrichsquelle
Höllgassquelle
Höllquelle
Judenquelle
Klosterquelle
Kühlquelle
Murquelle
Römerquelle
Ungemachquelle
Ursprungsquelle

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur: 66,1 °C

Am Brühbrunnen wurden außerhalb der gewöhnlichen Badezeit, im späten Herbst und Winter, durch die Metzgerzunft in der über 60°C heißen Quelle geschlachtete Tiere abgebrüht. Mit dem zunehmenden Fremdenverkehr zu Beginn des 19. Jahrhunderts sollte ein kleines Häuschen den Brühbrunnen von den Blicken der Gäste abschirmen. Da sich die Metzgerzunft aber gegen dieses Häuschen sträubte, verlor sie das Recht zur Nutzung des Brühbrunnens.

Bei der Umgestaltung des Bäderbezirkes zwischen 1868 und 1871 durch den Karlruher Ingenieur Robert Gerwig versiegten beim Vortrieb des Hauptstollens die Brüh-, Ungemach- und Judenquelle, die im Hauptstollen zusammengefasst wurden.

Alternative Bezeichnung(en): Metzigquellen
Maximale Temperatur: 34,7 °C (stark schwankend)

Ungefähr 100 m südwestlich vom eigentlichen Thermalareal am Westrand des Markplatzes befinden sich die als Büttenquellen altbekannten Austritte warmen Wassers.

Die Existenz der Büttenquellen (zwei Quellaustritte) ist durch eine Urkunde vom 13. Juni 1471 erstmals belegt. Der Markgraf schenkte sie der Stadt 1477. Die Quellen wurden gegenüber dem Badhaus „Baldreit“ in einem 1558 angelegten, 1894 um wenige Meter verlängerten Stollen unter dem Gebäude Büttenstraße 8 gefasst (Stollenlänge ca. 15 m).

Im Gegensatz zu den übrigen Thermen entspringen die Büttenquellen nicht dem anstehenden Gestein, sondern sickern aus dem auf Oberen Karbon liegenden jungen Schutt. Auch zeigt das auf ca. 170,5 m austretende Wasser erhebliche Unterschiede in der Temperatur, die während der Jahre 1894 bis 1932 zwischen 13 °C und 34,7 °C geschwankt hat. Die Ursache der vergleichsweisen geringen Temperaturen/großen Schwankungen ist eine größere Beeinflussung der Büttenquellen von Oberflächenwasser.

In den Jahren 1926 bis 1928 wurde der Keller der Metzgerei in der Büttenstraße ausgebaut. Bei den Erdarbeiten kam es zu einem Austritt von heißem Wasser. Um das Wasser zu stoppen, presste man große Mengen Zement in die Öffnung, bis die Stelle abgedichtet war. In der Folge ließ aber auch die Büttenquelle nach und wurde 1935 als „außer Betrieb“ erklärt. Erst bei Sprengungen im Zuge von Fundamentarbeiten für das Kaufhaus Horten (heute Wagener) im Jahr 1979 wurde die Büttenquelle erneut aktiv.

Nach Schäden am Mauerwerk des Hauses Büttenstraße 8 wurde ein Rohr vom Quellstollen in den vor den Brunnen verlaufenden Abwasserkanal gelegt. Das Haus wurde an einen Privatmann verkauft, der das Gebäude 1991 abreißen ließ. Das Landesdenkmalamt verpflichtete den neuen Besitzer beim Wiederaufbau den Stollen der Büttenquelle zu erhalten, den Kopfstein des Stolleneingangs wiedereinzusetzen und für den zerstörten Wandbrunnen eine Rekonstruktion anfertigen zu lassen. Der Baden-Badener Bildhauer Walter Grimm schuf nach den alten Plänen den neuen Wandbrunnen.

Radioaktivität

Berühmtheit erlangten die Büttenquellen zum Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts als in ihrem Wasser die radioaktiven Elemente Radium und Radon entdeckt wurden. Zu dieser Zeit galt die Büttenquelle, als die radioaktivste Quelle Europas. Die Stadt versuchte diese neuerliche Attraktion für sich zu nutzen. Unter anderem wurde eine Rohrleitung von der Büttenquelle zum Palais Hamilton gelegt und dort das sogenannte Büttenquellen-Emanatorium eingerichtet. In dieser Anstalt war es möglich die natürliche und angeblich gesundheitsfördernde Radiumstrahlung der Büttenquelle einzuatmen. Im Jahr 1923 wurde der Betrieb aus mangelndem Interesse der Kurgäste wieder eingestellt.

Entdeckung eines „neuen“ Elements

Im Jahr 1904 entdeckte der Physiker Hans Friedrich Geitel unter Mitarbeit des Apothekers Rößler in dessen Labor in einer Schlammprobe der Büttquelle ein „neues“ radioaktives Element, das als „Badenium“ künftig immer mit der Bäderstadt an der Oos in Verbindung gebracht werden sollte. Wie sich bald aber herausstellen sollte, war das „neue“ Element nicht neu, sondern es handelte sich, wie eine Arbeistgruppe um den Physiker Otto Hahn feststellte, um ein radioakives Isotop des bereits bekannten Elements Thorium (Th-228), das deshalb fortan „Radiothor“ oder auch „Radiothorium“ genannt wurde.

Radiumhaltige Quellen

Abseits des Thermalbezirks liegen vier Li-haltige kühle Radiumquellen.

Den höchsten Radongehalt besitzt um die 1960er/1970er Jahre die Murquelle, während 1926 in der Büttenquelle die höchste Radioaktivität gemessen wurde. Der Radium- und Radongehalt wird auf das Oberkarbon und Rotliegende zurückgeführt.

Robert Bunsen hatte 1861 in der Höll- und Ungemachquelle Rubidium und Cäsium festgestellt.

Alternative Bezeichnung(en): Moorquelle
Maximale Temperatur: 63,2 °C

Um 1870 wurde an der Ostseite des Friedrichsbades an den Dernfeldstaffeln eine künstliche Grotte mit Trinkbrunnen angelegt. Zur Verblendung wurden Sintersteine aus dem hier früher vorhandenen Sinterhügel verwendet. Der eigentliche Quellaustritt befindet sich an der direkt angrenzenden Klosterkirche „Vom Heiligen Grab“. Die Fettquelle versorgte bis Ende des 17. Jahrhunderts die dort vorhandene Badeherberge „Zum Ungemach“ mit heißem Wasser.

Der Name der Quelle rührt wohl von den Gesteinspartikeln her, die das Wasser wie Fett glänzen lassen. Einst war das Thermalwasser der Fettquelle beim Austritt 63 °C heiß.

Textquelle: Stadtwiki Baden-Baden

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur:
59,9 °C

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur: 67,5 °C

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur: 54 °C

Die Höllgassquelle, nicht zu verwechseln mit der Höllquelle, wurde um 1901/1902 gefasst.

Die Höllgasse war eine schmale, eng mit Wohnhäusern bebaute Gasse zwischen dem Florentinerberg und dem Alten Dampfbad.

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur: 68,8 °C

Die Höllquelle ist die höchstgelegene und heißeste Quelle im Thermalgebiet am Florentinerberg.

Alternative Bezeichnung(en): Judenbrühbronnen
Maximale Temperatur: 66,1 °C

Bei der Umgestaltung des Bäderbezirkes zwischen 1868 und 1871 durch den Karlruher Ingenieur Robert Gerwig versiegten beim Vortrieb des Hauptstollens die Brüh-, Ungemach- und Judenquelle, die im Hauptstollen zusammengefasst wurden.

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur: 60,3 °C

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur: 56,6 °C

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur: 57,4 °C

In den 1960er/1970er Jahren wurde in der Murquelle die höchste Radioaktivität der Thermalquellen gemessen. Der Radium- und Radongehalt wird auf das Oberkarbon und Rotliegende zurückgeführt.

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur: 62 °C

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur: unbekannt

Der Physiker Gustav Robert Kirchhoff und der Chemiker Robert Bunsen entdeckten bei der spektralanalyischen Untersuchung der Mutterlaugen der Solwässer von Bad Durkheim und Bad Kreuznach sowie des Wassers der Ungemachquelle in Baden-Baden  im Jahr 1860 zwei bis dahin unbekannte blaue Spektrallinien, die sie einem neuen vierten Alkalimetall zuschrieben. Für das neue Element schlugen sie unter Anlehnung an das lateinische Wort caesius (himmelblau) den Namen Caesium und das Symbol Cs vor.

Bei der Umgestaltung des Bäderbezirkes zwischen 1868 und 1871 durch den Karlruher Ingenieur Robert Gerwig versiegten beim Vortrieb des Hauptstollens die Brüh-, Ungemach- und Judenquelle, die im Hauptstollen zusammengefasst wurden.

Alternative Bezeichnung(en): unbekannt
Maximale Temperatur: 63,8 °C

Die ergiebige Schüttung der Ursprungsquelle war ausschlaggebend für den Bau des „Alten Dampfbades“ (in historischer Zeit 113 m³/d).

Der Quellaustritt im Untergeschoss wurde 1980 im Zuge der Gebäuderenovierung neu gefasst. Die Ursprungsquelle ist die einzige öffentlich zugängliche Thermalquelle in Baden-Baden.

ACHTUNG: Nach aktuellen EU-Richtlinien ist das Thermalwasser in Baden-Baden aufgrund erhöhter Arsengehalte heute nicht mehr als Trinkwasser zugelassen.

AQVAE und die römsichen Bäder

Die Stadt Baden-Baden verdankt ihre Bedeutung den Thermalquellen. Schon in römischer Zeit bestand in der Nähe der Thermalquellen eine Siedlung.

Die Römerzeit
AQVAE

Im 1. Jahrhundert n. Chr. entstand die Siedlung AQVAE. Bei archäologischen Ausgrabungen Angang der 1990er Jahre wurde am Rettig-Plateau ein schon langes in Baden-Baden vermutetes Kastell entdeckt. Das Kastell wurde Mitte der 70er Jahre des 1. Jahrhunderts n. Chr. errichtet.

Ab dem 2. Jahrhundert nach Christus waren römische Besatzungstruppen in Baden-Baden stationiert und erkundeten die Umgebung um Straßburg (ARGENTORATE). Die Römer nutzten die heilenden Quellen, um in erster Linie ihre Verletzungen zu kurieren. Die Bäder boten die Möglichkeit zur Entspannung und Pflege sozialer Kontakte. Die Bäder für die Kaiser waren luxuriös, die für die Soldaten und Pferde entsprechend einfacher ausgestattet. Die archäologischen Überreste der Soldatenbäder mit ihren ausgeklügelten Heiz- und Wassertechnologien unterhalb des Friedrichsbads können heute im Museum „Römische Badruinen“ am Römerplatz besichtigt werden, wo neben den Ausgrabungen auch Computer- und Videoanimation einen bildlichen Eindruck der ursprünglichen Bäder ermöglichen.

Im Jahr 213 wurden die Badeanlagen durch Kaiser MARCVS AVRELIVS ANTONIVS CARACALLA erweitert, seitdem wurde der Ort AQVAE AVRELIA genannt, er war Teil einer größeren Verwaltungseinheit am Schwarzwaldrand, der CIVITAS AVRELIA AQVENSIS („Die Stadt der Aurelia des Wassers“).

Unter dem Marktplatz in Baden-Baden fand man römische, mit Marmorplatten ausgekleidete Bäder, die als „Kaiserthermen“ bezeichnet wurden. Einfachere Badeanlagen befinden sich unter der Stiftskirche und unter dem Römerplatz, die man „Soldatenbäder“ nannte. Beim Alemanneneinbruch wurde der römische Badeort um 260 n. Chr. durch einen Brand vernichtet.

Das seit der römischen Besiedlung frei austretende Thermalwasser konservierte die Ruinen unter einem 6 m mächtigen Sinterhügel.

Nach der römischen Ära waren das Oostal und die Gegend um die Quellen wohl über einen längeren Zeitraum unbesiedelt, zumindest gibt in der Zeit zwischen 260 und 500 n. Chr. – in der Herrschaftszeit der Alemannen – keine archäologischen Hinweise (auch nicht in den Sinterablagerungen) auf eine dauernde Anwesenheit von Menschen.

Kaiserbäder

Die Kaiserbäder am heutigen Markplatz, zwischen der Stiftskirche und dem Alten Dampfbad. Heute sind dort keine Spuren der römischen Badeanlagen zu erkennen, das farblich abgehobene Straßenpflaster zeichnet jedoch den Grundriss der alten Anlagen nach.

1847 wurden beim Abriss der Antiquitätenhalle, am heutigen Standort des Alten Dampfbades, die beiden östlichen Badebecken (70 m² bzw. 90 m²) freigelegt. Über eine natürliche Felsrinne und ein Bronzerohr aus einer zweiten gefassten Quelle wurde das bis zu 70°C heiße Wasser zuerst in ein kleines Reservoir und von dort schließlich in die Becken geleitet. Vervollständigt wurde die Badeanlage durch zwei weitere, größere und aufwändiger ausgestattete Becken, im westlichen Teil (jeweils ca. 130 m²).

Die Kaiserbäder waren ein luxuriös ausgestattetes Kur- und Heilbad („thermae“) mit Wand- und Bodenverkleidungen aus weißem Auerbacher Marmor (Ostteil) und grünlichem Granit (Westteil). An der Südseite befand sich ein „sudatorium“ (ein trocken-heißes Schwitzbad).

Die Kaiserbäder waren offenbar terrassiert angelegt (der östliche Teil lag höher), das Abwasser wurde über die „cloaca maxima“ von Aquae in die Oos abgeleitet.

Die symmetrische Anordnung der Badebecken lässt eine getrennte Nutzung, z.B. für Männer und Frauen vermuten, wie dies von anderen römischen Badeanlagen wie in Badenweiler nachweislich bekannt ist.

Der zentrale Teil der Anlage wurde vermutlich bereits im letzten Drittel des 1. Jahrhunderts n. Chr. als Kurbad für das Militär errichtet. Der vermutlich letzte Ausbau – vermutlich nach einem Brand – wird gemäß einer in der Anlage aufgefundenen Inschrift auf den Zeitraum um 213 bis 217 n. Chr. datiert. Befehlsgeber war Kaiser Marcus Aurelius Antonius, besser bekannt als Kaiser „Caracalla“. Ob sich Caracalla auch selbst in Aquae aufhielt, ist nicht eindeutig belegt.

Soldatenbäder

Die Soldatenbäder an der Ostseite des Friedrichsbades, dessen Ruinen heute im gleichnamigen Museum besichtigt werden können. Der Begriff „Soldatenbad“ wurde offenbar durch die Ausgräber im 19. Jahrhundert geprägt und spielt auf die im Vergleich zu den reich ausgestatteten Kaiserbädern einfachere Ausstattung an.

Die Soldatenbäder wurden als Hygienebad („balneum“ oder „balineum“) errichtet und dienten der Körperreinigung. Von der ursprünglich knapp 2.900 m² großen Anlage (60 m x 48 m) sind heute noch ca. 420 m² erhalten (20 m x 21 m).

Die Soldatenbäder wurden erstmals 1846/1847 bei Erdarbeiten vor der Klosterkirche des Frauenklosters „Vom Heiligen Grab“ freigelegt. Das Mauerwerk war auffällig gut erhalten. Beim Bau des Friedrichsbades wurden zwischen 1869 und 1877 weitere Teile der Anlage angeschnitten. Zwischen 1890 und 1893 wurden beim Bau des Augustabades Eingang und Latrine ausgegraben, nach der Einmessung und Dokumentation aber zerstört.

Erste öffentliche Begehungen der Ruinen waren um 1900 möglich. Mitte der 1960er Jahre wurde mit dem Neubau der Friedrichsbadterrasse der heutige Schutzbau errichtet, die Ruinenanlage selbst war wenig verändert. Zwischen 1995 und 2003 waren aufwändige Sanierungsarbeiten erforderlich, da die alte Bausubstanz durch den jahrzehntelangen Museumsbetrieb erheblich beschädigt wurde.

Ausführliche Informationen zu den Soldatenbädern erhält man bei einem Museumsbesuch oder im Führer “Die römischen Soldatenbäder in Baden-Baden (Aquae Aureliae)“.

Zugang Museum „Römische Badruinen“

Das Museum befindet sich zwischen dem Friedrichsbad und der Klosterschule im „souterrain“ der Friedrichsbadterrasse.

Ein zweiter, barrierefreier Zugang ist über die Straße „Römerplatz“ möglich.

Im Museum können Teile der Soldatenbäder besichtigt werden. Das Museum ist vom 16. März bis 15. November täglich von 11.00 bis 12.00 Uhr und 15.00 bis 16.00 Uhr geöffnet.

Weitere Infos gibt es hier

Blick von den Dernfeldstaffeln auf die Friedrichsbadterrasse am Römerplatz mit dem Treppenzugang zum Museum „Römische Badruinen“.

Die Entwicklung des Bäderwesens
Vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert

Vor der Wiederentdeckung der römischen Badekultur wurde das Thermalwasser in Baden-Baden zum Waschen von Wäsche und Abbrühen geschlachteter Tiere verwendet. In den Bädern wurde das Thermalwasser zu Bade-, Inhalations- und Trinkkuren verwendet.

Mittelalter

Im Mittelalter wurden die römischen Badruinen überbaut, dadurch ist ihre einstige Ausdehnung nur ungefähr bekannt, es dürfte aber ein städtischer Charakter bestanden haben.

Der Zähringische Markgraf HERMANN II. erbaute um 1100 über der Siedlung bei den Thermalquellen ein Schloss (Hohenbaden). Er nannte sich ab 1112 Markgraf von Baden.

Urkundliche Überlieferungen setzten mit Beginn des 14. Jahrhunderts ein.

Im 14. Jahrhundert wurde die Stadt zur Bekämpfung von Seuchen mehrfach erfolgreich mit Thermalwasser geflutet. Ein Aberglaube verhieß Glück und Gesundheit im gesamten Jahr, wenn man im Mai ein Bad nimmt. Das Thermalwasser wurde aufgrund seiner „Heilwirkung“ zur Bekämpfung verschiedenster Krankheiten, wie Kinderlosigkeit und Gicht sowie bei Hautkrankheiten und Atembeschwerden eingesetzt.

Bereits 1306 existierte beim Marktplatz – direkt neben den römischen Badebecken, die damals schon im Untergrund verborgen waren – eine öffentliche Badeeinrichtung, für deren Benutzung bezahlt werden musste. Nach Meinung der Fürsten sollten die Vorzüge der Bäder möglichst vielen Menschen zuteilwerden, deshalb wurde das Freibad – wo nach späteren Berichten Männlein und Weiblein gemeinsam badeten, „nackend wie die Frösch“ – errichtet.

15. bis 18. Jahrhundert

Das Freibad wurde 1393 erstmals urkundlich erwähnt, ab dem 16. Jahrhundert wurde es auch „Armenbad“ genannt. Ein zweites Bassin neben dem Freibad, das sogenannte „Bürgerbad“, wurde von den Einwohnern, getrennt nach dem sozialen Stand, genutzt.

Bis ins 18. Jahrhundert gab es separate Badezeiten für Diener, Knechte und Mägde der Bürger. Nach dem Bade mussten sie das Wasser ablassen, das Bassin säubern und wieder frisches Wasser einlassen. Eine weitere Badestube existierte in der Nähe des Königshofes, auf dem heutigen Römerplatz. Die Stadtgemeinde hatte sie vom Markgrafen gepachtet.

Des Weiteren gab es auch Badeherbergen privater Betreiber. Diese durften gegen ein festgelegtes Entgeld eine genau festgelegte Wassermenge in ihr Haus leiten. Die wichtigsten Badeherbergen im 15. und 16. Jahrhundert standen dort, wo heißes Wasser aus dem Boden kam. Die Quellen waren auf den Gassen oder in den Gebäuden gefasst, Stollen gab es noch keine. Jede einzelne Quelle hatte einen eigenen Namen. Die Hauptquelle wurde „Ursprung“ genannt.

Einige Quellen wurden nach den Herbergen benannt, in denen ihr Wasser zum Baden verwendet wurde, z.B. die Ungemachquelle, deren Wasser in die Badeherberge „Zum Ungemach“ am Römerplatz geleitet wurde. An der heutigen Stelle des Rathauses befand sich das Fürstenbad des Markgrafen. Die am höchsten Punkt am Florentinerberg entspringende Quelle wurde „Höll“ genannt.

Mit Ausnahme des „Baldreit“ in der Küferstraße, wo noch Grundmauern der Badeherberge „Zum Balderich“ erhalten sind, sind die Spuren dieser Badeeinrichtungen verschwunden. Nördlich des Baldreit befindet sich in der Büttenstraße ein auf das Jahr 1558 datierter Abschlussstein der inzwischen fast versiegten, einst nur lauwarmen Büttenquelle.

In der Blütezeit des Badebetriebs im 16. Jahrhundert bestanden in der Stadt 12 Badehäuser (Fürsten-, Bürger- und Armenbäder) mit 389 Badkästen mit Platz für ein oder zwei Personen. In diesen saßen Pesthafte, Kranke und Gesunde täglich bis 10 Stunden bei Speis‘ und Trank im heißen Wasser. Als vornehmste Badherberge galt 1625 das „Ungemach“, sie verfügt über 60 Badkästen.

Bäder wurden bei Rheumaleiden, Herz- und Kreislaufbeschwerden, Stoffwechselstörungen und Atemwegserkrankungen angewendet.

Auf dem Marktplatz existierten zwei öffentliche Bäder. Ein durchschnittlicher Badeaufenthalt dauerte drei bis sechs Wochen bei einer Badezeit von bis zu zehn Stunden täglich.

Baden-Baden wurde im August 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich fast vollständig niedergebrannt, dabei verbrannten auch die Badeeinrichtungen. Die Stadt wurde teilweise wieder aufgebaut, doch der Badebetrieb kam fast zum Stillstand. Das Bürger- und das Freibad auf dem Marktplatz wurden wieder aufgebaut. Im Jahr 1764 bestanden erst wieder vier Badehäuser. Das Bürger- und das Freibad bestanden bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts.

Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts rückten bei den Anwendungen zusehends die im Wasser gelösten Mineralien in den Fokus. Die Trinkkuren setzten sich durch, z.B. bei Leber- und Gallenleiden, Magen- und Darmerkrankungen, Diabetes und Gicht. Die reinen Thermalbadanwendungen verloren an Bedeutung.

Der Wiederaufstieg zur Kurstadt wurde in den Jahren 1765/1766 durch den Bau des Promenadenhauses und den Entwurf einer Kastanienallee außerhalb der Stadtmauern westlich der Oos (Lichtentaler Allee) initiiert.

19. Jahrhundert

Anfang des 19. Jahrhunderts setzte wieder ein rascher Aufstieg ein. Nach Abbruch der Stadtbefestigung dehnte sich Baden-Baden rasch über den alten Mauerring aus und entwickelte sich zur Villenstadt. Die Eröffnung der Spielbank 1838 leitete einen ungeahnten Aufschwung ein, der auch erste geologische Aufnahmen der Umgebung der Badeorte ermöglichte.

Zwischen 1839 und 1842 wurde nördlich des Kurhauses nach den Plänen des Karlsruher Architekten Heinrich Hübsch die neue Trinkhalle, eine Kombination aus Trink- und Wandelhalle, errichtet, die durch eine Rohrleitung vom Florentinerberg mit Thermalwasser versorgt wurde.

Die Stadt entwickelte sich zum sommerlichen Treffpunkt von Fürsten, Diplomaten, Dichtern, Komponisten und Bankiers und galt 1845-1870 als vornehmste Kurstadt Europas („Sommerstadt Europas“ oder etwas eleganter: „capitale d’été“).

Badehäuser ab dem 19. Jahrhundert
Altes Dampfbad (1848 bis 1877)

Das Alte Dampfbad wurde zwischen 1846 und 1848 nach den Plänen des Karlsruher Architekten Heinrich Hübsch im Stil eines toskanischen Landhauses über der Ursprungsquelle errichtet. Es ist das einzige Badegebäude, das aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts bis heute erhalten geblieben ist.

Das Dampfbad, mit Kabinetten für Dampbäder und einem Inhalationsraum ausgestattet, wurde an der Stelle der Antiquitättenhalle, dem ersten Museum in Baden-Baden, errichtet.

In den Jahren 1864/1865 erweiterte L. Engesser das Bad an der östlichen Schmalseite um eine zweigeschossige Apsis mit großen Fenstern, die als Sauna genutzt wurde.

Mit der Eröffnung des direkt angrenzenden Friedrichsbades verlor das Alte Dampfbad seine ursprüngliche Funktion.

Heute erinnert nur noch die im Untergeschoss gefasste Ursprungsquelle an die frühere Nutzung. Heute wird das Gebäude, als Vereinssitz der Freunde Junger Kunst, für Kunstausstellungen genutzt.

Im Gebäude ist es Dank der Ursprungsquelle mollig warm. Gehen Sie rein und überzeugen Sie sich selbst.

Friedrichsbad (seit 1877)

Ende der 1850er Jahre drohte die Schließung der Spielbank. Dies sorgte seitdem für Diskussionen über die Konkurrenzfähigkeit Baden-Badens, die insbesondere von Medizinern angestoßen wurde. Die weitgehende Vernachlässigung der Therapie zu Gunsten des Vergnügens in der Bénazet-Ära war nicht in ihrem Sinne, so dass sie das Ende des Glückspiels eher als Chance denn als Krise begriffen.

Planungsphase:

Erste Pläne des Bezirksbauinspektors Lukas Engesser im Jahr 1859 wurden rasch verworfen, die Diskussion über die Zukunft der Kurbäder in Baden-Baden nahm aber immer mehr Fahrt auf.

Der Großherzogliche Amtsarzt Julius Füsslin forderte in einer Denkschrift im Jahr 1864 eine Modernisierung der Bäder und kritisierte die Zustände in Baden-Baden mit deutlichen Worten:

„Die hiesigen Bade- und Heilanstalten entsprechen bekanntermaßen so wenig den Anforderungen der jetzigen Zeit wie den Einrichtungen der übrigen concurrierenden Badeorte … Man ist über die aller einfachste Benützung unserer reichen Quellenschätze, nämlich zu Thermalwasserbädern, nicht hinausgekommen.“

Ähnlich beurteilte Füsslins Kollege Carl Frech die Situation, der sich bereits 1861 Gedanken machte, wie man dem Badeleben in Baden-Baden Impulse geben könnte. Er forderte ein großes öffentliches Gesellschaftsbad für alle Klassen. Er macht dafür neben medizinischen Gründen vor allem das Argument der Geselligkeit geltend. Baden doch in zahlreichen anderen Bädern Männer, Frauen und Kinder dutzendweise in großen gemeinschaftlichen Bassins, und werden diese gemeinschaftlichen Bäder, selbst von höheren Ständen, den ihnen zu Gebot stehenden Einzelbädern vorgezogen.

Diese Einrichtung sollte das bestehende Dampfbad von Heinrich Hübsch, das aus seiner Sicht völlig unzureichend war, ablösen.

Die Großherzogliche Badeanstalten-Kommission lehnte Frechs Entwurf, u.a. wegen der „Gefährdung der Schamhaftigkeit“ ab. Die Kommission empfahl im Mai 1862, gestützt auf ein Gutachten der Heidelberger Professoren Robert Bunsen und Robert Kirchhoff, den Neubau unterhalb des Dampfbads von Hübsch zu errichten. Nach deren Expertise geschieht die Dampfentwicklung im Bad am besten durch einen Sprühregen, der auch unterhalb des Quellaustritts durch Rohrleitungen möglich ist.

Eine am 16.Juli 1862 von der Regierung neu einberufene Kommission, der auch Frech angehörte, empfahl, das Dampfbad des Heinrich Hübsch abzureißen und einen großen Neubau mit Gesellschaftsbädern nach den Vorstellungen von Frech zu errichten. Diese Überlegungen waren Auslöser für Planungen in der Baudirektion Karlsruhe. Friedrich Theodor Fischer, der 1864 als Nachfolger von Heinrich Hübsch die Leitung der Baudirektion übernahm, sollte das wichtig Bauprojekt selbst übernehmen.

Die Bezirksbauinspektion in Baden-Baden führte im Auftrag Fischers eine mehrjährige Versuchsreihe zur Dampfbelastbarkeit verschiedener Steinmaterialien durch. Die Planungen wurden zwischen 1865 und 1867 daraufhin mehrfach überarbeitet. Bald darauf jedoch verstarb Friedrich Theodor Fischer völlig überraschend.

Auftragsvergabe:

Schlussendlich erhielt 1868 der zu diesem Zeitpunkt relativ unbekannte Bezirksbauinspektor Karl Denfeld (1831 bis 1879) den Planungsauftrag für das Friedrichsbad.

Denfeld war auch Architekt der neugotischen St. Peter und Paul Kirche im nahegelegenen Bühl. In intensiver Vorbereitung auf die Entwurfsarbeiten besichtigte Denfeld gemeinsam mit Medizinalrat Carl Frech „die besuchtesten Badeorte Deutschlands und Frankreichs, sowie hauptsächlich auch unter den Badeanstalten größerer Städte solche in Wien, Ofen-Pesth und Berlin“.

Neubau:

Das Bad entstand an der Stelle eines abgebrochenen Altstadtreviers.

Bauzeit: 1869 bis 1877

Die eigentlichen Bauarbeiten begannen nach Abschluss der Aushub- und Fundamentierungsarbeiten erst 1871.

In Anlehnung an antike Vorbilder ist der Grundriss streng axialsymmetrisch aufgebaut.

Bereits die Eingangshalle und der Aufgang zum Friedrichsbad lassen ein außergewöhnliches Badeerlebnis erahnen. Das antike Ambiente des Badetempels gewährt zwischen eindrucksvollen Duscharmaturen, handbemalten Majolika-Kacheln und dem prächtigen, zentral gelegenen kreisrunden Kuppelsaal einen unvergesslichen Einblick in jahrhundertealte Badetraditionen.

Das im Renaissance-Stil erbaute Gebäude galt bei seiner Eröffnung im Jahre 1877 als das modernste Badehaus Europas und hat seither nichts an Charme und Atmosphäre verloren. Die „Aerztlichen Mitteilungen aus Baden“ würdigen die Einrichtung anlässlich ihrer Fertigstellung wie folgt:

„Mit der Eröffnung des Friedrichsbades in Baden enthält unsere Bäderstadt eine Musteranstalt, wie sie in keinem anderen Badeorte und selbst in keiner anderen Großstadt Europas in gleicher Eleganz und Vollkommenheit gefunden wird“.

Das Bad stieß auf ein großes Besucherinteresse und erreichte bereits in den frühen 1880er Jahren seine Kapazitätsgrenze. Ab 1885 dachte man daher im badischen Innenministerium über Alternativen nach (siehe Augustabad).

Heute bilden die siebzehn aufeinander abgestimmten Wohlfühlstationen des historischen Friedrichsbades den maximalen Ausgleich zwischen Energietanken und Badespaß.

Thermalwasserbohrungen:

Das Friedrichsbad wird seit 1969 zusätzlich jeden Tag mit ca. 293 m³ Thermalwasser aus zwei Tiefbrunnen im Pflutterloch, oberhalb vom Neuen Schloss, versorgt.

Landesbad (1890 bis 1960er?)

Das 1890 eröffnete Landesbad diente, im Gegensatz zu den Luxusbädern, als Volksbad den breiten Bevölkerungsschichten. 1890 wurde nebenan zur Therapie von Atemwegserkrankungen ein Inhalatorium errichtet. An dieser Stelle befindet sich heute die Caracalla-Therme.

Augustabad (1890 bis 1963)

Aufgrund des großen Publikumsinteresses war die Kapazität des Friedrichbades bereits in den frühen 1880er-Jahren erschöpft. Daraufhin wurde beschlossen, das eigentlich als Doppelanlage konzipierte Friedrichsbad ausschließlich für männliche Badegäste zu nutzen und für Frauen einen kleineren Neubau zu erstellen.

Die badische Baudirektion nannte das Gasthaus Zum Salmen unmittelbar östlich des Friedrichsbades, in dem das Armenbad untergebracht war, als Bauplatz. Ursprünglich sollte ein Teil des Gebäudekomplexes erhalten bleiben, als dann aber noch eine Erweiterung in Richtung Osten um eine heilgymnastische Anlage angefügt wurde, musste das Gasthaus Salmen komplett abgerissen werden.

Die Baupläne für den dreieckförmig zugeschnittenen, schwer zu bebauenden Bauplatz zwischen Friedrichsbad, Kloster vom Heiligen Grab und Zähringerstraße erstellte der Leiter der badischen Baudirektion Josef Durm.

Mit den Bauarbeiten des zweigeschossigen Bauwerkes wurde im März 1890 begonnen. Großherzog Friedrich I. verfügte, anlässlich des Geburtstages der verstorbenen Kaiserin Augusta (1811-1890), das Frauenbad nach ihr zu benennen. Am 28. Juni 1893 wurde das Kaiserin-Augusta-Bad offiziell seiner Bestimmung übergeben.

Wilhelm Schleyer schreibt in seiner Veröffentlichung „Bäder und Badeanstalten“ im Jahr 1909: „Der an die Lage der Quelle gebundene Bauplatz bot dem Architecten erhebliche Schwierigkeiten, welche indessen äußerst glücklich überwunden sind und innen und außen unter reicher Verwendung echter Materialien zu einer glanzvollen Gestaltung geführt haben; die phantasievolle Raumbildung und Ausschmückung findet ihresgleichen nur in den schönsten und großartigsten Bäderbauten der Römer“.

Das Augustabad wies eine überaus reiche Innenausstattung auf: So wurden kostbare, verschiedenfarbige Marmorsorten eingesetzt und die Wandverkleidungen meist mit bunten Fayencen, Majoliken und Glasmalereien geschmückt. Die Decken waren alle gewölbt, die Fußböden aus Tonfliesen, Terrazzo oder Stiftmosaik hergestellt; die Oberlichte und Fenster hatte man mit Glasmalereien geschmückt, in der Eingangshalle und in den Treppenhäusern fanden sich figürliche Malereien. Die Wannen waren überwiegend aus einem Block Carrara-Marmor, andere aus englischer Fayence gefertigt, während die Bassins vielfach in Monierbauweise ausgeführt und mit Marmorplatten auf wasserdichtem Zementputz bekleidet waren.

Im Zuge der Umgestaltung des Bäderviertels zu einem zeitgemäßen Kurviertel mit grüner Umgebung wurden in den 1960er Jahren große Teil der historischen Bausubstanz abgerissen (Kaiserin-Augusta-Bad, Fangohaus und Inhalatorium).

Das Augustabad wurde 1963, nach der Demontage der wiederverwendbaren Ausstattung, abgebrochen.

Heute befindet sich in am Standort des Augustbades eine Grünanlage, in der eine Figur aus der Fassade des Bauwerks an die frühere Position des einstigen Bades erinnert.

Haupttextquelle: Coenen, Ulrich: Von Aquae bis Baden-Baden. Die Baugeschichte der Stadt und ihr Beitrag zur Entwicklung der Kurachitektur. Verlagshaus Mainz GmbH Aachen, 2008.

Caracalla Therme (seit 1985)

Die nach dem römischen Kaiser Caracalla benannte Therme befindet sich am früheren Standort des Landesbades und Inhalatoriums.

Zwischen 1963 und 1966 entstand nach den Plänen des Architekten Rolf E. Weber unmittelbar nordöstlich des Vorgängerbaus das sogenannte Kurmittelhaus („Neues Augustabad“), ein siebengeschossiger Kubus in Stahlbeton-Skelettbauweise mit Glasfassade und einer Trinkhalle im zweiten Geschoss sowie einem Hallenbad im Dachgeschoss.

Webers Entwurf wurde der gestellten Aufgabe, das „Neue Augustabad“ für eine Stadt mit fast 2000 jähriger Badgeschichte zu bauen, in keiner Weise gerecht und wirkte im historischen Bäderviertel deplatziert.

„Die formale Ausgestaltung des Kurmittelhauses war willkürlich, das Gebäude von außen nicht als Therme zu identifizieren und hätte genauso ein Bürohaus sein können“, schreibt Ulrich Coenen in einem Buch „Von Aquae bis Baden-Baden“ wohlwollend freundlich.

Das neue Bad wurde vom Publikum auch nur unzureichend angenommen, schon bald wurde sogar der Abriss in Betracht gezogen. Diese Idee wurde aber verworfen.

Stattdessen wurde das Kurmittelhaus nach Plänen des Freiburger Architekten Hans-Dieter Hecker umgebaut und erweitert. Das Bestandgebäude konnte aufgrund der beengten Situation am Südhang des Florentinerberges zwischen Kloster und Spitalkirche nur nach Osten in Richtung Landesbad (Rheumazentrum) erweitert werden. Heckers Ziel war ein Entwurf, der an die Baden-Badener Kur- und Bäderbauten anknüpft, in dem er die alte Form eines von Säulen getragenen Rundbaues mit zeitgemäßen architektonischen und konstruktiven Mitteln neu interpretiert.

Im März 1983 begannen die Bauarbeiten. Die obersten Geschosse des Kurmittelhauses wurden rückgebaut und direkt angrenzend eine Badehalle als von weißen Stahlbetonsäulen getragener Rundbau mit angegliederten runden Außenbecken und offenem Liegebereich errichtet.

Am 19. August 1985 wurde die fortan nach dem römischen Kaiser Caracalla bezeichnete Therme ihrer Bestimmung übergeben.

Haupttextquelle: Coenen, Ulrich: Von Aquae bis Baden-Baden. Die Baugeschichte der Stadt und ihr Beitrag zur Entwicklung der Kurachitektur. Verlagshaus Mainz GmbH Aachen, 2008.

Weitere Thermalwassernutzungen
Trinkhalle

Die Trinkhalle ist wohl eines der beeindruckendsten Gebäude in Baden-Baden.

In leicht erhöhter Lage erinnert der Bau mit seinen 16 Säulen und dem 90 Meter langen offenen Wandelgang an die römische Geschichte Baden-Badens. Insgesamt 14 großformatige Wandgemälde von Jakob Götzenberger (1802 bis 1866) stellen Szenen aus der Sagenwelt des nördlichen Schwarzwalds dar und runden die imposante Erscheinung des majestätisch wirkenden Gebäudes ab.

Die Trinkhalle wurde 1839 bis 1842 nach Plänen von Heinrich Hübsch, einem Schüler Friedrich Weinbrenners, für die im 19. Jahrhundert in Mode gekommenen Trinkkuren erbaut. Der Trinkbrunnen im prächtigen Innenraum wird (wurde) aus der Friedrichsquelle gespeist, so die Inschrift vor dem Gebäude.

ACHTUNG: Nach heutigen Richtlinien ist das Thermalwasser, v.a. aufgrund des erhöhten Arsengehaltes, nicht als Trinkwasser geeignet. Arsen wirkt kanzerogen. Durch den Hinweis „Kein Trinkwasser“ wird deshalb vom Verzehr abgeraten, was den einen oder anderen durstigen Touristen beim Betreten der Trinkhalle dann doch etwas verwundert.

Stiftskirche

In den 1860er Jahren wurde in der Stiftskirche eine Thermalwasserheizung aus Kupferrohren installiert. Sie war bis 1954 in Betrieb stellte sich aber rückblickend als sehr schädlich für das Mauerwerk heraus.

Reiherbrunnen

Der Reiherbrunnen in der Sophienstraße wird wie auch die Fettquelle mit Thermalwasser gespeist. Der Entwurf dieses Brunnens im Jugendstil geht auf den Karlsruher Bildhauer Karl Albiker (1878-1961) zurück. Auf dem steinernen Brunnentrog thronen drei bronzene Reiher. Der mittlere Reiher hat die Flügel ausgebreitet und aus seinem Schnabel strömt das heiße Thermalwasser. Insbesondere im Winter bei geschlossener Schneedecke ist der dampfende und schneefreie Reiherbrunnen ein echter Blickfang. Die heutige Position auf der Mittelachse der Sophienallee hat der Brunnen erst seit 1981 inne. Von seiner Einweihung am 10. Oktober 1908 bis ins Jahr 1966 stand er auf Höhe des Sonnenplatzes. Nachdem er in den 1960er Jahren mehrfach von Autofahrern angefahren worden war, wurde er in eine Ladennische an der Ecke Sophienstraße/Stephanienstraße versetzt. Die Vorbereitungen zur Landesgartenschau 1981 gaben Anlass zur erneuten Versetzung an seine heutige Position. Während das Wasser des Reiherbrunnens 1992 noch 42 °C warm war, ist es seit Oktober 2012 mit 28 °C nur noch lauwarm. Grund dafür ist ein Gesetz, das Thermalwasser aus öffentlichen Brunnen als Trinkwasser einstuft. Da der Arsengehalt des Baden-Badener Thermalwassers über dem gesetzlichen Grenzwert liegt, werden die Brunnen nun mit vorgefiltertem Wasser versorgt, das aus verschiedenen Thermalwasserquellen stammt. Auch der lange Leitungsweg von der Quelle beim Friedrichsbad bis zum Brunnen in der Sophienstraße wird für einen Teil der Abkühlung des Wassers verantwortlich gemacht.

Anfang August 2013 beschädigten Unbekannte den Brunnen. Der mittlere Reiher mit ausgebreiteten Flügeln wurde abgerissen. Nachdem der abgerissene Reiher von Bildhauerin Birgit Stauch restauriert worden war, konnte er am 16. April 2014 wieder installiert werden. Der Schaden belief sich laut OB Gerstner auf 10.000 Euro.

Textquelle: Stadtwiki Baden-Baden

Die Trinkhalle im Oktober 2022

(KEIN) Trinkbrunnen in der Trinkhalle

Blick auf den Florentinerberg

Quellschacht am Florentinerberg

Altes Dampfbad und Friedrichsbad

Friedrichsbad

Treppenzugang Römische Badruinen

Caracalla Therme und Spitalkirche

Zeitliche Entwicklung der Thermalquellen
Anfang 17. Jahrhundert

Früher hatte fast jede der ca. 20, teilweise sehr nahe beisammen liegenden Thermalwasser­austritte, einen eigenen Namen. 1606 wurde von Joh. Matthaeus Heuss ein erstes Verzeichnis der Badener Quellen veröffentlicht. Dort sind 12 Wasseraustritte benannt:

  Name
1 Baldreitquelle
2 Brühquelle
3 Büttquelle
4 Fettquelle
5 Höllquelle
6 Kühler Brunnen
9 Judenquelle
10 Murquelle
11 Ungemachquelle
12 Ursprungsquelle
Mitte 18. Jahrhundert

Im Jahr 1768 wurden die Thermalquelle, Leitungen und Badeeinrichtungen genau verzeichnet. NE der Stiftskirche bestand das Frei- und Bürgerbad mit Einzelbadekästen, zwei Becken und einer Badestube. Die Ursprungsquelle war in einer gemauerten Brunnenstube gefasst.

Mitte 19. Jahrhundert

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts traten die meisten Quellen getrennt aus.

Vor dem Bau des alten Dampfbads (1846 bis 1848) wurden die drei am hinteren Ende des Markplatzes liegenden Quellen (Freibad-, Kühl- und Ursprungquelle) gefasst.

Umgestaltung Bäderbezirk 1868 bis 1871

Der Karlsruher Ingenieur Robert Gerwig, der spätere „Erbauer“ der Schwarzwaldbahn, konnte 1868 bis 1871 die wichtigsten Thermalwasseraustritte fassen und in zwei Stollensystemen sammeln.

Beim Vortrieb des Hauptstollens versiegten die Brüh-, Ungemach- und Judenquelle, sie wurden im Hauptstollen zusammengefasst. Die tägliche Gesamtschüttung aller Quellen konnte durch die bauliche Umgestaltung von 693 m³ (5,1 l/s) im Jahr 1868 auf 856 m³ im Jahr 1871 gesteigert werden. Wegen der Hitze konnten die Stollen nicht direkt bis zur Störung (Haupt-Quellaustritt) vorgetrieben werden. Durch den späteren Bau des Kirchen- und Rosenstollens und weiterer Stollen zwischen um 1897 bis 1898 konnten die Wassermengen weiter gesteigert werden.

Heute

Nach Erweiterungen um die Wende zum 20. Jahrhundert ist das ausgemauerte und begehbare Stollensystem heute insgesamt 200 m lang.

Die drei Stollen versorgen als Mischwasser die Caracalla Therme und das Friedrichsbad. Der Friedrichsstollen fördert rund 50 % der gesamten Wassermenge. 

Geologie

Baden-Baden liegt in der Badener Oberkarbon-Rotliegend-Senke, welche durch SW- NE-Streichen gekennzeichnet ist. Ihr Kern ist die in gleicher Richtung verlaufende Battert-Aufwölbung, in deren Norden die Rotenfelser Senke und in deren Süden die Lichtentaler Senke angelegt ist, kleine Teiltröge des gesamten Badener Troges. Diese drei Zentraleinheiten werden durch Verwerfungen voneinander getrennt. Die Trogfüllung ist nach bisheriger Kenntnis über 1.000 m mächtig:

  • 600 m Rotliegendes  (Oostal Subformation, rTO)
  • 400 m Oberkarbon    (Staufenberg Formation, coS)

Am Florentinerberg stehen Gesteine des Oberkarbon an, eingerahmt von paläozoischen Schiefern im SW, Graniten im NW und Oberrotliegendem im E und SE. Das Oberkarbon besteht aus Arkosen, Sandsteinen und Konglomeraten in Wechsellagerung mit Schiefertonen. Bei Quellfassungsarbeiten stieß man 1895 in einem Stollen in den Arkosen auf ein 15 bis 20 cm mächtiges Kohlenflöz. Die Schichten des Oberkarbon fallen am Florentinerberg ca. 20-35° nach NW ein.

Im Grenzbereich der Battert-Aufwölbung und der Lichtentaler Teilsenke setzt aus Richtung Kurhaus eine SW-NE streichende, nach SE einfallende Störungszone (Abschiebung) zum Neuen Schloss ein, die das Oberkarbon gegen eine höher liegende Scholle aus Friesenberggranit verstellt. An dieser zum Gebirge einfallenden Störungszone steigen die Thermalwässer auf.  Die unterschiedlichen Temperaturen der Austritte zeigen an, dass die Wässer aus unterschiedlichsten Tiefen stammen.

Die Hauptthermalstörung kommt vom Beutig im Westsüdwesten her und zieht auf das Kurhaus hin. Hinter dem Nordflügel des Kurhauses, in der Felswand des Parkplatzes (Alte Schiefer, Baden-Baden-Schiefergruppe), ist die Störung aufgeschlossen. Das auf einer Breite von nahezu 100 m zerruschelte, mit verstürzten Massen gemengte Gestein ist gebleicht und tonig zersetzt; neben Baryt sind auch andere thermale Minerale vorhanden.

Die Störung ändert von hier ab ihre Richtung von WSW-ENE (ca. 67 °) in SW-NE (ca. 37°), streicht südlich der Trinkhalle vorbei und wird dann durch die quartären Kiese der Oos verdeckt. Bis zum Fluß versetzt sie die Alten Schiefer (Devon) im Norden gegen oberkarbonische Sandsteine im Süden. Östlich ist sie in der unteren Büttenstraße festzustellen, zieht mit 37° über die Büttenquelle auf die NW-Begrenzung des Marktplatzes, über die Westecke der Schloßterrasse am Florentinerberg in Richtung Hungerberg auf das Murgtal zu. Bis zum Marktplatz grenzen Alte Schiefer im Norden an Oberkarbon im Süden, von da bis zur Schloßterrasse Badener Granit (Friesenberg Granit) gegen Oberkarbon.

Ausschnitt aus der Geologischen Karte 1:50.000. Datenquelle: Kartenviewer LGRB

Die Thermalquellen treten am Südhang des Florentinerberges südöstlich der Hauptthermalspalte im Bereich einer stark zerrütteten, durch Störungen umgrenzten Oberkarbonscholle aus. An die Oberkarbon-Rotliegend-Senke grenzt im Süden, getrennt durch die SW-NE ver­laufende Gernsbacher Störungszone, das höher aufragende Nordschwarzwälder Granitmas­siv an, dessen Oberfläche nach Norden unter die Senke abtaucht.

Als Regenerationsgebiet für die Thermalwässer wird das südlich der Lichtentaler Senke gelegene Granitmassiv betrachtet. Das von dort in die Lichtentaler Senke vordringende Wasser wird im Grenzbe­reich zur Battert-Aufwölbung in der Hauptthermalspalte zum Austritt gezwungen. Die ungewöhnliche Lage der Thermalwasseraustritte ca. 30 m über Talniveau wird durch eine Abdichtung bestehend aus tonigem Gesteinsmaterial bewirkt.

Die Radium- und Urangehalte der Thermalwässer sollen aus den Sedimenten des Oberkarbon stammen. Es sind Schwemmfächerablagerungen bestehend aus dem Material des erodierten Granites im Süden der Lichtentaler Senke.

Textquelle: Stober, Ingrid: Geologie und Geschichte der Mineral- und Thermalquellen im Schwarzwald, Ber. Naturf. Ges. Freiburg i. Br., 92, Heft 2, S. 29-52, Freiburg 2002.

Nach der Zerstörung der römischen Bäder lief das Thermalwasser am Florentinerberg frei ab. Es bildete sich ein mehrere Meter mächtiger Sinterhügel. Der poröse, schmutzig-graubraune bis gelblichgraue Quellensinter – von Beyer (1788) als „lichtnelkenbraune bläulichweiße Steinart“ bezeichnet – besteht vorwiegend aus Aragonit (CaCO3), das im Vergleich zum „trigonalen“ Calcit (CaCO3) eine andere Kristallstruktur aufweist und untergeordnet auch aus Kalkspat und Kieselsinter. Er enthält schwärzliche und gelblichweiße erdige Flecken.

Die Ausscheidung (Fällung) von Opalkieselsinter erfolgte durch Kieselalgen, die im warmen Wasser lebten.

Im Sinterhügel wurden Schnecken (Helix pomatia) und Kieselhölzer gefunden. Beim Bau des Friedrichsbads musste der Sinterhügel 1869 bis 1870 abgetragen werden.

Das Material wurde zum Auffüllen im Rotenbachtal und u.a. zur Ausgestaltung der Brunnengrotte der Fettquelle verwendet.

Heute setzt sich Kalksinter in Thermalwasserleitungen ab. Aus Thermalwasser schlägt sich außerdem ein plastischer, gelb- bis grauschwarzer Badschlamm nieder. Dabei weist der manganoxidreiche Thermalschlamm der angrenzenden Murquelle nach Kirchheimer (1959) die höchste Radioaktivität auf.

Graphik verändert nach: Metz, Rudolf: Mineralogisch-landeskundliche Wanderungen im Nordschwarzwald – besonders in dessen alten Bergbaurevieren, Moritz Schauenburg Verlag, Lahr/Schwarzwald, 2. vollständig überarbeitete Auflage, 1977.

Die Grotte ist mit Steinen aus dem früheren Sinterhügel ausgekleidet.

Der poröse, schmutzig-graubraune bis gelblichgraue Quellensinter – von Beyer (1788) als „lichtnelkenbraune bläulichweiße Steinart“ bezeichnet besteht vorwiegend aus Aragonit (CaCO3) und untergeordnet auch aus Kalkspat und Kieselsinter. Er enthält schwärzliche und gelblichweiße erdige Flecken.

Die Ausscheidung (Fällung) von Opalkieselsinter erfolgte durch Kieselalgen, die im warmen Wasser lebten. Im Sinter wurden Schnecken (Helix pomatia) und Kieselhölzer gefunden.

Bei dem roten Mauerwerk handelt es sich um Leisbergporphyr, der früher in der Nähe abgebaut wurde.

Um 1870 wurde an der Ostseite des Friedrichsbades an den Dernfeldstaffeln eine künstliche Grotte mit Trinkbrunnen angelegt.  Der eigentliche Quellaustritt befindet sich an der direkt angrenzenden Klosterkirche „Vom Heiligen Grab“. Die Fettquelle versorgte bis Ende des 17. Jahrhunderts die dort vorhandene Badeherberge „Zum Ungemach“ mit heißem Wasser.

Der Name der Quelle rührt wohl von den Gesteinspartikeln her, die das Wasser wie Fett glänzen lassen. Einst war das Thermalwasser der Fettquelle beim Austritt 63 °C heiß.

Die Brunnengrotte der Fettquelle bei den Dernfeldstaffeln an der Ostseite des Friedrichsbades im Oktober 2022. Der eigentliche Quellaustritt der Fettquelle liegt wenige Meter entfernt an der NW-Ecke der Klosterkirche (im Foto rechts).

Sintermauerwerk Brunnengrotte

Thermalwasserbohrungen
Pflutterloch (1960 bis 1965)

Ab 1959 gab es Bemühungen, mittels Bohrungen zusätzlich Thermalwasser zu erschließen. Es lag nahe, zunächst einen Streifen nördlich und südlich der Hautthermalspalte vom „Beutig“ bis zum „Hungerberg“ durch thermische Messungen näher zu erkunden.

Vorerkundungen

Zunächst wurden im Januar/Februar 1960 in einem Gebiet vom Kloster „Zum Heiligen Grab“ bis in das Gebiet an den Radiumbrunnen im „Steinwald“ in 500 Bohrlöchern bis 4 m Tiefe geoelektrische Messungen durchgeführt.

In einem zweiten Schritt wurden im Januar/Februar 1962 in weiteren 400 Bohrlöchern analoge Messungen in einem Gebiet nördlich des „Steinwald“, im „Pflutterloch“ und westlich der Oos vom „Friesenberg“ bis zum „Rebbuckel“ und die „Beutigwiesen“ durchgeführt. Alle Messungen wurden in einem 25 m-Raster durchgeführt.

Die Ergebnisse zeigten, dass das Wiesengelände an der Westseite des Schlossbergs, im Pflutterloch, besonders hoffnungsträchtig ist. Die Auswertung ergab, dass vom Westrand des Schlossgartens nach Nordosten eine Wärmeanomalie vorhanden ist, welche mit ziemlicher Gewissheit durch im Untergrund zirkulierendes Thermalwasser erzeugt wird.

Zunächst musste jedoch überprüft werden, ob sich die durch die bisherigen Messungen nachgewiesenen Anomalien auch bei Wiederholung zeigen und auch in größere Tiefe zu verfolgen sind. Deshalb wurden im Pflutterloch eine Anzahl Bohrungen von 10, 20 und 50 m Tiefe gestoßen. Darin wurden bis 1964 zu verschiedenen Zeiten Kontroll- und Wiederholungsmessungen vorgenommen, insbesondere aber in einer 21 m tiefen Dauermessstelle, in welche 17 Messelemente stationär eingebaut waren. Die Messungen ergaben einen ungewöhnlich hohen Temperaturgradienten von 2,8°C/100 m. Der Raum erschien somit zu Bohrversuchen prädestiniert, zumal auch in anderen in der Nähe gelegenen Bohrlöchern ähnlich abnormale Gradienten festgestellt waren (Normalgradient 3° C/100 m). Eine solche ungewöhnliche Aufheizung konnte nur mit einer echten tiefenbedingten Wärmeanomalie in Beziehung stehen.

So wurden 1965 an der Westseite im Pflutterloch zwei vollständig gekernte Versuchsbohrungen abgeteuft.

Bohrung B 1

Ansatzhöhe:

  • 200,41 m NN

Bohrwinkel:

  • 15° nach Süden

Geothermischer Gradient: 

  • 23,6 °C/100m (Messbohrung BQ 16, ca. 50 m entfernt)

Bohrlänge:

  • 301,5 m

Lithologie:

  • bis 6,60 m Hangschutt
  • bis 228,00 m Granit
  • bis 241,00 m Schiefer
  • bis 242,00 m Granit
  • bis 249,00 m Schiefer
  • bis 252,00 m Granit
  • bis 256,00 m Schiefer
  • bis 257,00 m Granit
  • bis 301,50 m Schiefer

Thermalwasserzutritte:

  • 197 m NN (Zufluss schwach)
  • 203 m NN (Hauptzutritt)

Auslauf:

  • frei (artesisch gespannt)

Schüttung:

  • 1,12 l/s

Wassertemperatur:

  • 62,4 °C (am Auslauf)

Mineralisation:

  • 2.792,4 mg/kg, v.a. Natrium und Chlorid

Ausbau:

Das Schrägbohrloch 1 wurde nicht erweitert und derart ausgebaut, dass zuerst ein Vorschacht von 1,60 m Durchmesser unter 15° Neigung bis 17,20 m geteuft wurde, wobei das vorhandene Kernbohrloch zur Führung des Piloten verwendet wurde. In den Vorschacht wurde ein Hagustarohr NW 150 (vollwandig) eingebaut, welches auf 3 m dicht in den Fels einbetoniert wurde. Zusätzlich wurde eine Abdichtung mit Hilfe eines in die Felsbohrung eingesetzten Gummipackers vorgenommen.

Bohrung B 2

Ansatzhöhe:

  • 241 m NN

Bohrwinkel:

Bohrlänge:

  • 553 m

Lithologie:

  • bis 11,00 m Hangschutt
  • bis 358,00 m Granit
  • bis 359,00 m Schiefer
  • bis 360,00 m Granit
  • bis 366,00 m Schiefer
  • bis 368,00 m Granit
  • bis 372,00 m Schiefer
  • bis 374,00 m Granit
  • bis 553,00 m Schiefer

Thermalwasserzutritte:

  • 139 m NN
  • 446 m NN
  • 496,6 m NN (Hauptzutritt)

und immer wieder in geringen bis geringsten Mengen bis 511 m

Auslauf:          

  • frei (artesisch gespannt)

Schüttung:      

  • 0,87 l/s
  • 2,27 l/s (im Pumpbetrieb)

Wassertemperatur:

  • 55,5 °C

Mineralisation:

  • 3.640 mg/kg, v.a. Natrium und Chlorid

Ausbau:

Das Bohrloch wurde angesichts der günstigen Ergebnisse für die Produktion aufgebohrt (253 mm bis 98 m und danach mit 225 mm bis zur Endteufe). Es wurde mit korrosionsbeständigen Hagusta-Aufsatz-Rohren NW 175 bis 451,70 m ausgebaut, an die sich Filterrohre derselben Dimension und Beschaffenheit mit versetzter Schlitzlochung dreimal 25 mm anschließen, durch welche das Thermalwasser eintreten kann. Um gegen Oberflächenwässer abgesichert zu sein, wurde eine Schutzrohrtour von 240 mm Durchmesser bis 98 m eingestellt. Die Zwischenräume zwischen Bohrlochwand, Hilfsverrohrung und Hagustarohren wurden bis 128 m über Injektionsrohre ausbetoniert. Der nach erfolgtem Ausbau durchgeführte Dauerpumpversuch ergab, dass 2,27 l/s (= 196 m³/d) bei Absenkung des Wasserspiegels um 100 m gefördert werden können.

Regionalgeologische Erkenntnisse

Die beiden Bohrungen konnten wesentlich zur Klärung über die Art des Kontaktes zwischen den Alten Schiefer (Baden-Baden-Schiefergruppe) und dem Badener Granit (Friesenberg Granit) beitragen.

Die starke Verzahnung von Granit und Schiefer ergibt einen Schuppenkontakt, was sich durchaus mit den mikroskopischen Befunden deckt. Der Mineralbestand der Schiefer zeigt zwar, dass sie einer Metamorphose unterlegen haben, doch hat es sich hierbei um die niedertemperierten Zonen der Grünschieferfazies gehandelt, also um eine seichte Regionalmetamorphose. Für eine Kontaktmetamorphose an einem Granit lassen sich selbst direkt am Kontakt absolut keine Kriterien feststellen.

Wasser für das Friedrichsbad

Eine 630 m lange Leitung führt seit 1969 das Thermalwasser der beiden Bohrungen zum Friedrichsbad, im Pumpenbetrieb täglich 293 m³ (3,4 l/s).

Alle Thermalquellen von Baden-Baden fördern täglich 1,7 t NaCl und 40 kg LiCl und das seit mindestens 2.000 Jahren.

Herkunft und Alter des Thermalwassers

Das Thermalwasser stammt – bei einem lokalen geothermischen Gradienten von ca. 5°C/100 m – aus Tiefen von ca. 1.200 m bis 1.500 m. Die enthaltenen Mineralstoffe weisen auf eine Herkunft in der Füllung des Oberrheingrabens hin, wo das Tertiär W der Senke von Baden-Baden eine Mächtigkeit von ungefähr 1.200 m aufweist. Niederschlagswasser dringt dort in den Untergrund ein, bewegt sich in der tektonisch zerlegten Randscholle nach N und vermischt sich dabei mit salinaren Lösungen aus dem Oberrheingraben, um an Störungen im Bereich des Florentinerberg artesisch bis zur Oberfläche aufzusteigen.

Über das Alter der Thermalquellen sind keine genauen Angaben möglich. Vermutlich sind sie im Spätpleistozän durch neuerliche Bewegungen an älteren Störungen entstanden.

U

Brunnenschacht Thermalwasserbohrung B 1

U

Pumpenhaus Thermalwasserbohrung B 2

Das Pflutterloch oberhalb (nördlich) vom Neuen Schloss im November 2022.

Bohrung B 1

Ansatzhöhe: 200,41 m NN

Bohrwinkel: 15° nach Süden

Geothermischer Gradient: 23,6 °C/100m (Messbohrung BQ 16, ca. 50 m entfernt)

Bohrlänge: 301,5 m

Bohrung B 2

Ansatzhöhe: 241 m NN

Bohrwinkel: 

Bohrlänge: 553 m

Von hier wird das Thermalwasser beider Bohrungen zum Friedrichsbad gepumpt.

Die Thermalbrunnen im Pflutterloch im November 2022.

Datenquelle: Maus, Hansjosef & Sauer, Kurt: Die Thermalwasserbohrungen im Gewann Pflutterloch auf Gemarkung Baden-Baden – Balneo- und regionalgeologische Ergebnisse, Ber. Naturf. Ges. Freiburg i. Br., 10, Heft 3, S. 469 – 480, Freiburg, 01. August 1972.

Übersicht Thermalquellengebiet

Schachtfassung „A“

Schachtfassung „B“

Schachtfassung „C“

Historische Ansichtskarten

Textquellen

Stadt Baden-Baden (Hrsg.): Teil der gemeinsamen transnationalen UNESCO Welterbebewerung Great Spas of Europe, Broschüre, 3. Auflage; Herausgeber: Baden-Baden, Juli 2019.

Coenen, Ulrich: Baden in Baden-Baden. Von den römischen Anlagen zur modernen Caracallatherme, in: Die Ortenau, Seite 189 bis  228 (2001).

Coenen, Ulrich: Von Aquae bis Baden-Baden. Die Baugeschichte der Stadt und ihr Beitrag zur Entwicklung der Kurachitektur. Verlagshaus Mainz GmbH Aachen, 2008.

Mayer-Reppert, Petra & Rabold, Britta: Die römischen „Soldatenbäder“ in Baden-Baden (Aquae Aureliae), Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg, Band 25, Landesamt für Denkmalpflege – Regierungspräsidium Stuttgart (Hrsg.), 2008.

Maus, Hansjosef & Sauer, Kurt: Die Thermalwasserbohrungen im Gewann Pflutterloch auf Gemarkung Baden-Baden – Balneo- und regionalgeologische Ergebnisse, Ber. Naturf. Ges. Freiburg i. Br., 10, Heft 3, S. 469 – 480, Freiburg, 01. August 1972.

Metz, Rudolf: Mineralogisch-landeskundliche Wanderungen im Nordschwarzwald – besonders in dessen alten Bergbaurevieren, Moritz Schauenburg Verlag, Lahr/Schwarzwald, 2. vollständig überarbeitete Auflage, 1977.

Stober, Ingrid: Geologie und Geschichte der Mineral- und Thermalquellen im Schwarzwald, Ber. Naturf. Ges. Freiburg i. Br., 92, Heft 2, S. 29 – 52, Freiburg 2002.

Schopfheim: Naturdenkmal Eichener See

Schopfheim: Naturdenkmal Eichener See

Schopfheim: Naturdenkmal Eichener See

Ein geheimnisvoller Ort

Nach einer Legende befindet sich unter dem See ein unterirdischer Palast, „angefüllt mit Gold, Silber und Edelsteinen, in dem kleine Männlein leben. In einem trockenen Jahr mit verdorrten Feldern schließt ein Bauer einen Pakt mit diesen Wichten: Wenn sie die Felder wässern, gibt er ihnen im Gegenzug seine jüngste Tochter. Doch die Tochter versucht mit ihrem Liebsten zu fliehen. Da setzt ein gewaltiges Rauschen, Blitzen und Donnern ein, der See überschwemmt alles und reißt das Paar in den Tod. Noch heute sagen die Bauern, wenn der See ansteigt, erinnern uns die Wichte an den Verrat.“

Ein gefährlicher Ort

In den alten Chroniken gibt es geheimnisvolle Geschichten um den Eichener See. So sorgte er bereits im Jahre 1772 für Aufsehen, als fünf Männer ertranken. In der Zeit von 1799 bis 1800 erschien der See fünfmal und in den Jahren 1801 bis 1802 viermal. Der Wasserstand war damals so hoch, dass der See gegen das Dorf Eichen auszubrechen drohte. Seit der Zeit wurde das sporadische Erscheinen des Sees registriert. Im Jahre 1876 forderte der See sein nächstes Opfer und 1910 ertranken weitere drei Personen.

Ein besonderer Ort

Der Eichener See ist ein nur zeitweise erscheinender See, der sich nur bei hohen Niederschlägen in Verbindung mit einem sehr hohen Karstwasserstand ausbildet.

Der See liegt in einer Karstwanne auf der Hochfläche des östlichen Dinkelbergs zwischen Schopfheim und Wehr.  Die Wanne hat oberirdisch weder einen Zu- noch Abfluss. In der Senke sammelt sich Niederschlagswasser (Regen und geschmolzener Schnee), das im Vergleich zur Umgebung nicht in den sehr gut wasserdurchlässigen, verkarsteten Untergrund versickern kann. Der Grund dafür ist die besonders in der Wannenstruktur tiefgründig wirkende Verwitterung des Muschelkalks zu einem sehr schlecht wasserdurchlässigen Lehm. In Abhängigkeit des tatsächlichen Wasserdargebots entsteht eine unterschiedlich große Wasserfläche. Das Wasser tritt besonders nach der Schneeschmelze oder nach längeren Regenphasen zu Tage.

Messungen haben ergeben, dass der Wasserspiegel bei Austritt pro Tag um etwa 8 bis 14 cm steigt. Der höchste Wasserstand ist nach 1 bis 5 Wochen erreicht. In besonders niederschlagsreichen Jahren kann der Wasserstand bis zu drei Meter betragen und der See innerhalb von 1 bis 5 Wochen eine Ausdehnung von 250 m Länge und 135 m Breite (ca. 2,5 ha) erreichen. Bis das gesamte zu Tage getretene Wasser wieder verschwindet, können 8 bis 160 Tage vergehen.

Schutzgebietsausweisungen

Rund um den Eichener See wurde am 11.02.1983 ein ca. 3,5 ha großes Gebiet als flächenhaftes Naturdenkmal ausgewiesen (Schutzgebiets-Nr. 83360810001). Seit dem 25.10.2018 ist der Eichener See darüber hinaus auch Bestandteil des FFH-Gebietes „Dinkelberg und Röttler Wald“ (Schutzgebiets-Nr. 8312311).

 

Geologie

Der Eichener See liegt in der „Schopfheimer Bucht“, einer großen, durch verschiedene Störungssysteme in sich zerbrochenen tektonischen Scholle, welche die Bewegungen bei der Entstehung des Oberrheingrabens / Schwarzwaldes nur teilweise mitgemacht hat.

Der östliche Dinkelberg wird hier im Nordwesten durch die Wiese, im Osten durch die Wehra und im Süden durch den Hochrhein begrenzt. Zu diesen Flüssen bildet die Hochfläche des Dinkelbergs jeweils einen steilen Abfall. Landschaftsprägend ist eine wellige, leicht kuppige Hochfläche bei einer mittleren Höhenlage um 450 m ü. NN. Die Morphologie der Hochfläche wird überwiegend vom Wannenkarst bestimmt. Bekannte Karsterscheinungen im Dinkelberg sind Höhlen, Bachschwinden, Karstquellen, Trockentäler und temporäre Seen.

Bei dem See handelt es sich um eine zeitweise mit Wasser gefüllte Doline im Verbreitungsgebiet des Oberen Muschelkalks (Trochitenkalk, mo1). In ca. 30 m Tiefe folgen Schichten des Mittleren Muschelkalks (mm), beginnend mit der 15 m mächtigen Dolomitzone, bestehend aus dünnlagigen, blättrigen, bräunlichgelben bis hellgelben Dolomiten und dolomitischen Mergeln mit eingelagerten dünnen Ton- und Hornsteinlagen. Die Dolomitzone ist nur sehr gering wasserdurchlässig und wirkt als Stauhorizont. Im tieferen Bereich des mm sind u.a. auch gut wasserlösliche Salz- und Gipsschichten ausgebildet, die verstärkt ausgelaugt werden. Durch diese Lösungsvorgänge kommt es in den überlagernden Gesteinsschichten zu Absenkungen, die sich bis an die Oberfläche durchpausen, wo dann eine Geländesenke entsteht. Im Gegensatz zu einem „Erdfall“, bei dem sich eine Senke durch einen Einsturz tieferer Gesteinsschichten bildet, spricht man bei einer Senke, die durch unterirdische Lösung entsteht (Subrosion) von einer „Doline“.

Der Obere Muschelkalk ist an der Oberfläche sehr stark verwittert. Im Randbereich der Wanne wurden bei Bohrarbeiten 1,4 m mächtige, gering wasserdurchlässige Verwitterungslehme angetroffen (Durchlässigkeitsbeiwert: 10-9 m/s). Innerhalb der Wanne konnten durch geoelektrische Messungen sogar Mächtigkeiten bis 9 m nachgewiesen werden.

 

Kommen und Gehen

Langjährige Beobachtungen und zahlreiche Untersuchungen und Messungen, v.a. Ende der 1960er Jahre bis Mitte der 1970er Jahre durch das Geologische Landesamt in Freiburg (heute LGRB) und das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung in Hannover (Bohrarbeiten, Geoelekrische Untersuchungen, Markierungsversuche, Chemische Anlysen, Isotopenuntersuchungen) haben dazu beigetragen, den Mechanismus des Erscheinens und Verschwinden des Sees besser verstehen zu können. In einer 1968, ca. 1 km SE des Sees abgeteuften 50 m tiefen Bohrung zur Geologischen und Hydrogeologischen Erkundung wurde in einer Tiefe von 42,4 m die Basis des oberen Karstwasserstockwerks angetroffen (Schichtgrenze mo/mm bei 429,5 m NN). Die Bohrung wurde zur Beobachtung der jahresteitlich stark schwankenden Karstwasserstände zu einer Grundwassermessstelle ausgebaut.

Gemäß den langjährigen Untersuchungen erscheint der See vorwiegend in der winterlichen Jahreszeit besonders nach kurzzeitigen Starkniederschlagsereignissen. Ein Teil des Niederschlagswassers versickert in den Untergrund, ein Teil verdunstet. Der größte Teil strömt jedoch – auch über Rinnsale – der Seemulde zu. Mehrfach wurde von Einheimischen auch beobachtet, dass Wasser aus Grabgängen von Mäusen, Würmern und Iltissen heraustrat. Ein geringer Zustrom von Grundwasser kann bei hohem Karstwasserstand aus einer Stelle am Südufer des Sees erfolgen, dieses Wasser enthält möglicherweise auch Anteile aus Bereichen außerhalb des oberirdischen Einzugsgebietes.

Vergleich Karstwasserstand / Seewasserstand

Um feststellen zu können, ob ein Zusammenhang des Karstwasserstandes mit dem Auftreten des Sees besteht, wurden zwischen 1968 und 1977 im See (wenn vorhanden) und in der 1 km entfernten Grundwassermessstelle die Wasserstände gemessen.

Während der gesamten Beobachtungszeit ist der See lediglich in vier verschiedenen Jahren erschienen. Zwischen 1971 und 1974 war kein See zu sehen. Anhand der Messadten ist zu erkennen, dass das Wasser an der Oberfläche schon zu sehen ist bevor der Karstwasserstand die Höhe des Seebodens erreicht. Sinkt der Karstwasserstand unter das Seebodenniveau, bleibt der See – wegen der Abdichtung durch die Verwitterungslehme – aber noch längere Zeit erhalten.

Ergebnis:

Durch die langjährige vergleichende Beobachtung der See- und Karstwasserstände konnte nachgewiesen werden, auch in Verbindung mit Isotopenuntersuchungen der beiden Wässer (Tritium und Kohlenstoff-14), dass das Erscheinen des Sees nahezu überwiegend an den Zufluss von Niederschlagswasser aus dem eigenen Einzugsgebiet gekoppelt ist.

Seltene Tiere

Im Jahr 1911 entdeckten zwei schweizer Zoologen im Eichener See sogenannte Feenkrebse  (Tanymastix lacunae), im Volksmund auch „Urzeitkrebse“ genannt.

Aussehen

Die seltenen Kiemenfüßer sind etwa 7 bis 20 mm lang, milchigweiß bis grünlich gefärbt und verfügen über 11 Beinpaare. Beide Geschlechter besitzen ein Paar fadenförmige, relativ kurze erste Antennen. Die zweiten Antennen sind bei den Männchen und den Weibchen unterschiedlich geformt. Bei den Männchen tragen sie lappenförmige Anhänge, die eingerollt werden können. Adulte Weibchen sind an den bauchseitig gelegenen Brutsäcken zu erkennen, die mit Eiern gefüllt sind. Die gegabelte Furca am Hinterleibsende ist bei den Weibchen durchscheinend hell.

Lebensweise

Paarung und Eiablage:

Kurz vor und auch während der Paarung halten die Männchen die Weibchen mit ihren Kieferzangen fest (die Geschlechtsorgane befinden sich vor dem gegabelten Körperende nach den Beinpaaren).  Nach der Paarung entwickeln sich die Eier in den Eisäcken am Hinterleib der Weibchen. Das Weibchen kann man an ihrer rot bis grün schillernden Ei-Tasche erkennen.

In jedem Eisack werden 8 bis 14 Eier produziert, welche im offenen Wasser gelegt werden. Die linsen- oder diskusförmigen, kupferbraunen bis ziegelroten Eier haben einen Durchmesser von 0,40 bis 0,43 mm. Bei den „Eiern“ handelt es sich eigentlich um „Zysten“, da sie bei der Ablage schon zu mehrzelligen Stadien weiterentwickelt sind.

Ein Weibchen kann bis zu 10.000 Ei-Pakete ablegen. Die Eier sinken auf den Gewässergrund und können im Substrat mehrere Jahre andauernde Trockenheit überleben. Bei Überflutung durch Hochwasser oder Eindringen von Qualmwasser entwickelt sich dann eine neue Generation.

Die dauerhaften Zysten können von Wasservögeln in andere Gewässer transportiert werden. In Flüssen können sie auch durch Hochwasser verfrachtet werden.

Vom Larvenstadium zur Geschlechtsreife:

Im zeitigen Frühjahr, oft schon im Januar oder Februar unter dem Eis der Gewässer, schlüpfen die Naupliuslarven aus den Zysten, in denen sie Trocken- und Kälteperioden überdauern können. Dieses Stadium dauert jedoch nur einige Stunden. Je nach Wasserstand kann sich der Schlupfzeitpunkt bis in den Mai erstrecken. Die Larven wachsen schnell heran und können nach bis zu 40 Häutungen in ein bis zwei Wochen die Geschlechtsreife erreichen.

Atmung und Ernährung:

Die Atmung erfolgt über die dünnhäutigen Kiemenlappen der Ruderfüße, über die  Sauerstoff ins Blut aufgenommen wird. Aufgrund dieser speziellen Form der Atmung werden  die Feenkrebse innerhalb der Art „Krebstiere“ (Crustacea) in die Ordnung der „Kiemenfüßer“ (Anostraca) eingeordnet.

Die Feenkrebse schwimmen mit der Bauchseite nach oben im freien Wasser. Dabei filtern sie mit ihren Blattfüßen Plankton und Detrituspartikel aus dem Wasser, indem sie durch die Bewegung der Füße kleinste Wellen erzeugen, die Plankton und Detritus einfangen und in eine zentrale Rinne leiten. Durch den sich dabei bildenden Unterdruck wird die aufgenommene Nahrung in den Mundraum geleitet.

Lebensdauer:

Bei sinkendem Wasserstand oder höheren Wassertemperaturen und damit verbundener Sauerstoffzehrung sterben die adulten Tiere. Die Lebensdauer der Tiere ist abhängig von der Temperatur und der Saison und bewegt sich zwischen 30 Tagen im Sommer und bis über 60 Tage im Winter.

Eichener See

Ein See aus dem Nichts.

Eine multimediale Reportage der Schwäbischen Zeitung.

Im Winter 2021 war der Eichener See mit einer Fläche von 320 m x 170 m so groß ausgebildet wie seit über 50 Jahren nicht mehr. Eine ideale Saison v.a. auch für die Krebstiere.

Foto: Infotafel am Eichener See. © Stadt Schopfheim. Mit freundlicher Genehmigung.

Textquellen

Wikipedia

Faltblatt „Der Eichener See – Eine Reise in die Urzeit“, Landratsamt Lörrach.

Fischbeck, Reinhard; Hüttner, Rudolf & Käß, Werner: Der Eichener See (Schopfheim, Stadtteil Eichen, Lkr. Lörrach, Baden-Württemberg); Ber. Naturf. Ges. Freiburg i. Br., 106: 69-100, Freiburg 2016.

Schluchsee-Aha: Die Glasmachersiedlung Äule

Schluchsee-Aha: Die Glasmachersiedlung Äule

Schluchsee-Aha: Die Glasmachersiedlung Äule

Am 24. April 1716 hatte das Kloster St. Blasien gestattet, dass in „der hinderen Aha„, im letzten holzreichen Klosterwald eine Glasmachersiedlung aus dem Boden gestampft wurde. Die Glashütte Äule nahm 1716 ihren Betrieb auf und produzierte bis 1878.

Mit der Glashütte Äule knüpfte das Kloster St. Blasien an eine lange Glasmachertradition an. Vor Äule hatte es in den Wäldern am Schluchsee bereits drei andere Glashütten gegeben: Die Erste ab 1597 in Blasiwald-Muchenland, danach die zweite 1622 in Blasiwald-Althütte und schließlich von 1684 bis 1714 eine dritte im oberen Windbergtal.

Die Glasmachersiedlung Äule am 10.04.2023. Die Glashütte stand neben/rechts der Kapelle.

Für das Kloster besaßen Glashütten eine Doppelfunktion. Sie setzten zum einen die unerschlossenen Wälder in Wert. Mit Hilfe des Rohstoffs Holz stellten die Glasmacher nämlich wertvolles Glas her. Gleichzeitig schufen sie durch die Rodung Siedlungsraum. Eine Handschrift im Archiv von St. Paul bringt es auf den Punkt: „Die Glashütten in den Waldungen des Stifts machten Silber aus Holz und Wohnungen aus Einöden.

Die Medaille hatte aber zwei Seiten: Der Holzbedarf der Glashütten war gewaltig. Allein zur Herstellung der Pottasche, die beigemischt wurde, um den Schmelzpunkt des Quarzsandes auf 1100 Grad zu senken, wurden große Holzmengen einfach verbrannt. Und dann musste der Schmelzofen Tag und Nacht befeuert werden. Um eine einzige Flasche herzustellen, benötigte man einen Kubikmeter Holz. So war der Wald um eine Glashütte bald kahlgehauen, das Holz musste aus immer größeren Entfernungen herbeigeschafft werden. Nach wenigen Jahrzehnten war dieser Transport so teuer, dass man die Glashütte abbrach und in ein neues Waldgebiet verlegte.

So schlug die Geburtsstunde von Äule. Geburtshelfer waren zwei andere, sterbende Hütten. Die Bonndorfer Glashütte hatte schon 1706 „wegen Mangel des Holzes“ Versorgungsschwierigkeiten bekommen. Auch den Glasmachern im oberen Windbergtal ging 1714 das Holz aus. Zudem endete deren Nutzungsvertrag mit dem Kloster.

Schon 1711 hatte der Abt nach einem holzreichen Waldgebiet als Standort für eine neue Glashütte Ausschau halten lassen. Dazu trafen sich der klösterliche Oberrechner Cajetano, der Stallmeister und ein Secretarius mit dem Bettmaringer Obervogt, zwei Klosterjägern und einige Glasmeistern. Und sie wurden fündig. Nachdem man in Schluchsee „eine Mittag Suppen genossen„, so die Niederschrift, visitierte man „in der hinderen Aha eine solch immens große Waldung, mit welcher wohl über die 100 Jahr eine Glashütten fouriert (versorgt) werden könne“. Der Standort wurde auch von den Glasern als „extra wohl und commod“ angesehen.

Aber als es dann 1714 für die Glasmacher im Windbergtal ernst wurde mit der Umsiedlung in den Äulemer Wald, baten sie „fueßfällig“ um Aufschub. Der Abt möge ihren Vertrag doch um einige Jahre verlängern, damit in Äule „in dießer Zeit die nöthige Hütten und Heüßer nach und nach aufgerichtet würden, und wür alßo von unser dermahlen besitzenden – gleich die Neue Hütten antretten, und unßre Arbeyd fortführen könten.

Das Kloster indes verlängerte den Vertrag nicht mehr, und der Bau der Siedlung Äule begann noch in 1714.

Infopavillon Glasträgerweg in Äule am 10.04.2023 (Bushaltestelle gegenüber der Kapelle).

Infos
Der Bau der Glashütte

Am 24. April 1716 unterzeichneten Abt Augustin Fink und die Glasmacher den „Bestandtsbrieff über die neuw erlaubt- undt erbauwene Glas Hütten beym Äuwle“. Das Dokument regelt auf neun eng beschriebenen Seiten das Vertragsverhältnis zwischen dem Kloster St. Blasien und Andres Sigwarth, Johann Sigwarth, Michel Sigwarth, Samuel Sigwarth, Joseph Greiner, Blasi Küeffer und Kaspar Schmidt. Abt Augustin Fink gestattet den genannten sieben „Glas- und Hütten Meistern“ den Bau einer neuen Glashütte – „an dem sogenannten Äuwle in der Aha gelegen“.

Die sieben Glasmeister, die „Gründerväter“ von Äule, hatten ab 1714 zunächst fünf Glasmeisterhäuser errichtet – zwei Doppel- und drei Einfamilien-Gebäude. Mit dem Bau der kleinen Häuser für die Holzknechte, Aschenbrenner, Fuhrleute und Glasgehilfen war gerade begonnen worden, als am 6. Juni 1715 der genaue Standort der Glashütte festgelegt wurde. Der Talschluss unterhalb Schnepfhalde, Silberfelsen und Kapellenkopf war dicht bewaldet, lediglich im Talgrund am Bach besaßen der Hinterbauernhof-Bauer Christa Schmidt und der Käppelehof-Bauer Thoma Schmidt aus Aha saftige Wiesen, die „Äulematten“. Auf die galt es Rücksicht zu nehmen. Die Glashütte musste deswegen „oberhalb der Straß, so gegen Menzenschwand gehet, unterhalb der sogenannten Schnepfhalde auf der Ebene oberhalb der unteren und oberen Aulematt gesetzt werden“. Gegen die Lage unterhalb der Straße sprach auch, dass das Holz zunächst über die rechte Talflanke zur Hütte „herabgeriest“ werden sollte, was die Straße arg in Mitleidenschaft gezogen hätte.

Im Sommer 1715 begann der Bau der Glashütte. Sie stand auf dem heute freien Platz, wenige Schritte östlich der Kapelle. Mitten im Hüttengebäude thronte die gewaltige, aus Bruch- und Ziegelsteinen gemauerte Ofenanlage. Ihr Herz war der große Schmelzofen mit zehn Arbeitsöffnungen, „Ständ oder Werkstätt“ genannt. Eigentlich sollte jede Arbeitsöffnung von einem Glasmeister mit seinen Gehilfen bedient werden. Da Äule 1716 nur sieben Meister aufzubieten hatte, übernahm Samuel Sigwarth zwei, Andres Sigarth gar drei „Werkstätten“ – auf eigenes Risiko, aber auch mit höheren Ertragschancen. Im Schmelzofen hinter den Arbeitsöffnungen standen auf einem Podest die zehn feuerfesten Glashäfen für die Glasschmelze.

An den Schmelzofen waren zwei Nebenöfen angebaut, nämlich der Fritteofen und der Auskühlofen. Über der Ofenanlage erhob sich das hölzerne Hüttengebäude als Wind- und Wetterschutz. Es hatte mit 15 m Breite, 25 m Länge und einer Höhe von ca. 10 m beeindruckende Ausmaße.

Die Glashütte Äule war ein imposantes Gebäude. Hier eine Fotomontage unter Verwendung eines Aquarells von K. Schuster (um 1890) aus dem Augustinermuseum-Städtische Museen Freiburg.

© Fotomontage:  Killian / Fiedbert Zapf

Der Grundstoff für die Glasherstellung ist quarzreicher Sand, den gab es reichlich rund um Äule. Reiner Quarzsand schmilzt bei 1600 Grad, eine Temperatur, die mit einem Holzfeuer, selbst mit Holzkohle, nicht zu erreichen ist. Durch die Zugabe von Pottasche konnte der Schmelzpunkt auf 1100 Grad gesenkt werden. Aschenbrenner stellten im Auftrag der Glasmeister diese speziell behandelte Asche her.

Zunächst wurden ein Drittel gereinigten Sands mit zwei Dritteln Pottasche und wenigen anderen Ingredienzien, z.B. Kalk als Stabilisator, vermengt und im Fritteofen vorgeschmolzen. Diese Masse ging in den zehn Glashäfen des Schmelzofens bei Temperaturen über 1000 Grad nach zwölf bis 24 Stunden in den zähflüssigen Zustand über.

Alle Vorarbeiten leisteten die Glasergesellen und Lehrbuben. Die beiden Schürer hielten das Ofenfeuer Tag und Nacht in Brand. Wenn dann die Glasermeister auf das hölzerne Podest des Schmelzofens stiegen, war das Werkzeug gerichtet, und hinter den Arbeitsöffnungen brodelte die Glasschmelze. Der Meister tauchte die Glasmacherpfeife in die heiße Schmelze, holte unter ständigem Drehen einen kugeligen Glasposten heraus und blies diesen wie eine Seifenblase auf. Durch Schwenken und Rollen formte er den Glaskörper, der durch den Einsatz von Glasschere, Zange, Holzlöffel und Formen die endgültige Gestalt erhielt. Die heißen Glasgebilde mussten, um nicht zu zerspringen, ganz langsam abgekühlt werden. Dies geschah im etwa 1000 Grad heißen Auskühlofen.

Die Glasmacher fangen alle Tag abends um Betzeit an arbeiten und continuieren 11 Hüttenstund lang; eine Hüttenstund macht 5/4 Stund aus. Unter diesen 11 Stund rastet man auch 2 Stund. … Zur Sommerzeit erstrecken sich die 11 Hüttenstund von Abendbetzeit bis anderntag um 11 und 12 Uhren.“ Dies erfahren wir aus einem Untersuchungsbericht von 1753.

© Friedbert Zapf

„Saufen, Ludern und Fluchen“ wird nicht geduldet

In einem von Klosterbediensteten abgegrenzten „Bezirk Walds“ dürfen die Holzknechte der Glashütte 50 Jahre lang das Holz schlagen, welches zum Betreiben der Hütte benötigt wird. Dafür entrichten die Glasmeister einen jährlichen „Wald- und Bestands Zünß“ in Höhe von 100 Gulden. Außerdem müssen sie einmal im Jahr „1500 mittlere saubere Glasscheiben“ im „Kuchelambt“ in St. Blasien abliefern. Der Fuhrmann, der die in Stroh verpackten Fensterscheiben transportiert, wird dort mit einem „Bächer Wein und mütschle Brodt“ bewirtet.

Die sieben Glasmacher zahlen keine Steuern, doch müssen sie für den „genüssenden Schutz und Schirmb“ des Klosters zusammen weitere 10 Gulden im Jahr bezahlen. Weil die Zeit der Türkenkriege noch in Erinnerung ist, behält sich St. Blasien vor, bei „Türken- und Religionskriegen“ eine Kriegssteuer zu erheben. Im Übrigen sind die Glaser nicht verpflichtet, Landwehrdienst zu leisten, doch haben sie Waffen vorzuhalten, um dem Kloster in „Nothfällen beyspringen“ zu können.

Für das Getreide, das die Glaserfamilien ernten, ist der „Fruchtzehnte“ in die Klosterscheuer abzuliefern, für Hanf, Flachs und Rüben der „Kleine- und Martinszehnte“ zu entrichten. Vieh dürfen sie so viel halten, wie sie überwintern können. Und die Glasmacher müssen zwei Tage lang bei der Heuernte auf dem klostereigenen Meierhof Oberkrummen helfen, dort werden sie mit „gewehnlichem Essen“ verpflegt.

Der Besuch der Pfarrkirche in Schluchsee an allen Sonn- und Feiertagen ist für die Glaserfamilien und das „Hütten- und andere Werkvolkh“ Pflicht, und für die „pfarrherrliche Seelsorg“ hat Äule – wo keine „Unkatholischen“ geduldet werden – zwölf Gulden an den „Pfarrherrn von Schluchsee“ zu entrichten.

Die Zunderschwammernte ist verboten, Harzen ist nur erlaubt, soweit das Harz für die Glashütte gebraucht wird. Auch sollen sich die Bewohner von Äule „nicht erfrechen“ zu fischen, zu jagen, Vögel zu fangen oder Nester auszunehmen. Doch an den Klosterjagden müssen sie zwei- oder dreimal im Jahr als Treiber teilnehmen. In Äule dürfen keine verdächtigen „Weibs- oder Manns personen, Strolche, Zigeiner oder andere Landfahrer“ geduldet werden.

Das Kloster gestattet den Glasmeistern, Wein einzulagern und schanksteuerfrei auch an Durchreisende auszuschenken. In diesem Zusammenhang betont der Abt, er habe „missfällig sehen und hören müssen“, dass vor allem die jungen Glasmeister der aufgegebenen Glashütte im Windbergtal „allein mit Essen und Trinkhen Tag und Nacht, ja gantze Wochen zue größtem Nachtheil des Glaswesens undt zum Verderb ihro Weib und Kindter“ zugebracht hätten. In Äule dulde man „das so unmäßige Saufen und Luodern, fluchen, Schwören und Spihlen“ auf keinen Fall.

© Friedbert Zapf

Der Streit um Holz und Weideplätze

Der Standort der neuen Glashütte war in Bezug auf die Rohstoffe Holz und Quarzsand zwar „extra wohl und commod“, doch war die „hindere Aha“ 1716 nicht menschenleer. Es standen dort bereits der Kapellenhof und der Hinterbauernhof, und die Hofbesitzer besaßen im Klosterwald um ihre Höfe herum alte Holznutzungs- und Weiderechte.

Im Bestandsbrief vom 24. April 1716 regelte das Kloster St. Blasien, dass auch die neu aufgezogenen Glasmeister „der nothdurft nach“ 50 Jahre lang Holz nutzen dürfen, also so viel sie zum Betreiben der Glashütte benötigen. Allerdings in einem ganz bestimmten Waldbezirk, welcher den Glasmachern „von denen allhiesigen Deputierten lauth besonderer zuhanden gestellten Bahns Beschreibung gezeigt undt ausgezeichnet worden“. Schon am 6. Juni 1715 hatte das Kloster mit Blick auf Kapellenhof und Hinterbauernhof festgelegt: „Damit die Glasmacher nicht gleich die den Bauren nächstgelegenen Waldungen ausstocken, könnte ein Bezirk hinein gegen dem Aule rechterhand hinein gegen der Beerhaldten und Fahrenreutte ausgezeichnet werden.“

Klar, dass Christa Schmid, „der Hintere Bauer“, und Thoma Schmid, „der Käpelin Bauer“, in den neuen Nachbarn, den Glasmachern, Konkurrenten im Wald sahen. Sie beschwerten sich in St. Blasien und gingen dabei so weit zu behaupten, der Wald „in der Aha“ befinde sich in ihrem Eigentum. Zunächst stellte das Kloster klar, das sei ein „irriger Wahn“, es handle sich bei diesem Wald und überhaupt beim Wald der ganzen Vogtei Schluchsee um „ein pures absolutes herrschaftliches Lehen“, also um eigentümlichen Klosterwald, worin die beiden Bauern nur Holznutzungsrechte besäßen.

Allerdings beschloss man „zur Verhütung weiter Streitigkeit“, am 19. Juli 1719 den Bezirk, in welchem die Glasmacher ihr Holz hauen durften, exakt auszumarken: Die Grenze führte laut Protokoll „angefangen in der Äulematten, von dieser gerad hinauf 100 Schritt, allda eine Thanne mit einem Kreutz bezeichnet, ferners wieder 100 Schritt, und so fortan alle 100 Schritt ein Kreutz in ein Baum gehauen, bis an den Krummenbahn, von dem Krummenbahn auß der Eckmark zu hinauf bis an die sogenannte Schnepfhalden – Menzenschwanderbahn – … von dar dem Menzenschwanderbahn hinach bis auf des Äule, weilen dieses der Schneeschlaife ganz gerad nachgehet, hat es keine weitere Zeichnus vonnöthen. Von dem Äule wieder der Schneeschlaifen und Wassersaigen nach bis ohngefähr 400 Schritt gegen den Geringenstein, von dar herunter 300 Schritt unterm Gefäll, von dar gerad fürwärts bis an die Hoche Reuthe …, von dar aus herunter an des Hinteren Bauren Äule Matten, allwo kein Wald, sondern die vor 3 Jahren gesetzte Lauchinnen stehen. Von daraus hinüber auf des Käpelin Bauren Äule Matten, allwo man angefangen“.

Das Recht, das Vieh zur Weide in den Wald zu treiben, war existenziell. Im Rezess vom 25. August 1719 bestimmte St. Blasien, dass „der Hintere und Käpelin Bauer“ nach wie vor Weiderechte in dem für die Glasmacher ausgemarkten Bezirk besaßen, die sie zukünftig allerdings mit den neuen Nachbarn teilen mussten. Das sei aber problemlos möglich, weil durch die Holznutzung für die Glashütte der Wald nach und nach gelichtet und dadurch „der Weidgang viel gebessert wird“. Zudem durften die Glasmeister nicht beliebig viel Vieh in den Wald treiben. Hatte ihnen das Kloster im Bestandsbrief von 1716 noch zugestanden, soviel Vieh in das „stück Wald gegen den Veldberg“ zu schlagen, wie sie über den Winter brächten, so legte man 1719 exakte Zahlen fest. Lediglich ein Pferd und zwei Kühe pro Glasmeister bzw. Werkstatt durften zur Nahrungssuche in den Wald getrieben werden, nach 20 Jahren sollten vier Stück Vieh erlaubt sein.

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„Durstige Seelen waren die Glaser zu allen Zeiten“

In Äule lebten Mitte des 18. Jahrhunderts etwa 70 bis 80 Menschen. Neben den sieben Glasmeisterfamilien wohnten noch zahlreiche Hilfskräfte dort: Vier Holzhauer bereiteten das Feuerholz auf, mehrere Aschenbrenner produzierten die Pottasche, und zehn Fuhrleute transportierten Asche, Brennholz und den Quarzsand zur Glashütte. Dort beheizten zwei „Schürer“ die Ofenanlagen, und die Glasknechte und Lehrbuben unterstützten die Meister bei der Glasherstellung.

Neben der Glasmacherei betrieben die sieben Glasmeisterfamilien eine bescheidene Landwirtschaft. Anschaulich schildert Forstrat Gerer die Verhältnisse um das Jahr 1800: „Selten ist der Schnee auf dem Äulemer Bann vor Ende des Brachmonats ganz verschwunden. In dieser Höhe wird also kein Getreid gebaut als etwas Roggen und Haber und dieses bloß, um die trockenen Mattfelder, die man nicht wässern kann, von Zeit zu Zeit zu verjüngen oder um den Weidgang von der Heide- und Heidelbeerstaude oder von dem Ginsterkraut wieder zu reinigen. Von Gemüse wird nur Mangoldskraut, etwas schlechter Kapis, Ruben und Erdäpfel, endlich etwas Flachs, selten aber Hanf gebaut. Das Hauptwesen ist also Viehzucht.

Und eben wegen des Viehs und der Weiderechte im Klosterwald hatte es erneut Streit mit den beiden Bauern aus „der hinteren Aha“ gegeben. Das „Hochfürstlich St. Blasische Reichsamt Bettmaringen“ bestätigte am 18. Dezember 1784 aber erneut das Recht der Glasmacher, pro „Werkstatt“ drei Stück Vieh in den Wald zu treiben, also insgesamt 30 Tiere. Allerdings forderte die klösterliche Kanzlei auch, dass zukünftig „den gedachten zwey Hofinhabere miteinander jährl. auf Martini aus einer Hand 20 Gulden Reichswährung zu bezahlen“ seien.

Was hatte es nun eigentlich mit dem sprichwörtlichen Durst der Glasmacher auf sich? Bereits Georgius Agricola hat auf der bekannten Darstellung einer Glashütte von 1556 in einem Nebenraum sitzende Zecher dargestellt. Und im Augustinermuseum in Freiburg befindet sich ein Ölgemälde von 1770/80, das die Innenansicht der Glashütte Äule zeigt – mit einem trinkenden Glasmacher im Vordergrund. Abt Augustinus hatte es jedenfalls für erforderlich gehalten, in den „Bestandsbrief“ vom 24. April 1716 den vielsagenden Passus aufzunehmen, in Äule dulde man das „unmäßige Saufen und Luodern, fluchen, Schwören und Spihlen“ auf keinen Fall. Trotz offensichtlicher Bedenken gestattete er dennoch jedem der sieben Glasmeister, Wein einzulagern und auch an Durchreisende auszuschenken – in alter Tradition sogar schanksteuerfrei. Zusätzlich wurde vermutlich schon um 1716 ein Wirtshaus in Äule errichtet, das Vorgängergebäude des 1887 neu gebauten „Rössle“.

Oskar Spiegelhalter aus Lenzkirch schreibt 1908: „Durstige Seelen waren die Glaser zu allen Zeiten, und das ist bei ihrer schweren Arbeit vor dem heißen Ofenloch nicht zu verwundern. Deshalb wurde auch, wo und wie es anging, bei der Arbeit getrunken. Wie oft hat mir mein Vater erzählt, daß er in seinen jungen Jahren nach Äule kam und dass es dann jeweils lustig und kreuzfidel hergegangen sei.“ Und Spiegelhalter weiter: „Gegessen wurde dreimal am Tage. (…) Die Kost war kräftiger als sie sonst der Bauer hatte; denn fast jeden Tag gab es Speck neben den auf dem Schwarzwald üblichen Mehlspeisen. Auch wurde bei den Mahlzeiten Wein, Bier oder Schnaps getrunken, was beim Bauern nur ganz ausnahmsweise vorkam. Wein einzulegen und zu verschenken war eine ganz besondere Freiheit, deren sich jeder Glasermeister von alters her erfreute.

© Friedbert Zapf

Die Glasmeister manipulieren die Hüttenuhr

Holz gab es im Äule noch genug, deswegen hatte das Kloster St. Blasien die Glashütte dort angesiedelt. So sollten die Glasmacher zunächst auch ohne Mengenbeschränkung Holz nutzen dürfen. Lediglich den Ort des Holzeinschlags hatte das Kloster am 6. Juni 1715 ungefähr festgelegt, um Streitigkeiten mit dem benachbarten Hinterbauernhof und Kapellenhof zu vermeiden: „Damit die Glasmacher nicht gleich die den Bauren nächstgelegenen Waldungen ausstocken, könnte ein Bezirk hinein gegen dem Aeule rechterhand hinein gegen der Beerhaldten und Fahrenreutte ausgezeichnet werden.

Im Bestandsbrief vom 24. April 1716 bestätigte das Kloster, dass die Glasmeister „der nothdurft nach“ 50 Jahre lang Holz nutzen dürfen, allerdings war der Waldbezirk wohl zu unbestimmt. Nachdem der „Hintere Bauer“ und der „Käpelin Bauer“ sich beschwert hatten, ließ St. Blasien 1719 „zur Verhütung weiter Streitigkeit“ den Bezirk exakt ausmarken.

Längst war es nicht mehr Ziel des Glashüttenbetriebs, durch Rodung auch Siedlungsraum zu schaffen, die Waldvernichtung wurde augenscheinlich. Im Rezess vom 25. August 1719 fordert St. Blasien deswegen von den Glasmeistern, „daß an jenen Orten, wo der Boden zur Waldung qualifizieret, dann und wann ein frischer Baum stehen bleiben und den Samen auswerfen solle“.

Der Holzbedarf stieg weiter, 1754 wies man den Glasmachern neben dem 1719 abgegrenzten Bezirk ein weiteres Gebiet im Bereich des Oberkrummen zur Nutzung zu. „Damit auch die mit sehr vielen Windfällen angefüllte und zur Viehweidung höchst schädliche Waldung, in der Escha genannt, nach und nach geraumt werden möge“, sollten zukünftig 500 Klafter von dort herbeigeschafft werden.

Für St. Blasien war ein jährlicher Holzverbrauch der Glashütte von 1 000 Klaftern (2 720 Festmeter bzw. 3 400 Ster) gerade noch akzeptabel, doch die Klosterbediensteten vermuteten, dass deutlich mehr eingeschlagen werde, dass die Glasmacher sich nicht an die Vertragsbestimmungen hielten und die Meister „nicht aufrichtig zu Werk“ gingen. Und letztendlich erbrachten Verhöre den Beweis, „daß die Glaser stärker glasen“ als vereinbart.

Das einzige Regulativ des Klosters, den Holzverbrauch einigermaßen zu steuern, war die Produktionszeit. Nur elf „Hüttenstund“ lang pro Tag durfte Glas gemacht werden, doch die Äulemer waren findig, sie manipulierten die Uhr. Im Verhörprotokoll von 1753 ist zu lesen: „Die Stunduhr gehe aber ganz unordentlich, man mache beständig daran herum, und sie bleibe öfters stillestehen.“ Um illegal länger arbeiten zu können, setzten die Glasmacher einfach größere Glashäfen ein. Deswegen zur Rede gestellt, entschuldigte sich der Äulemer Vogt Jacob Sigwardt. Er habe „schon manchmalen gezanket und den Hafen an die Wand werfen wollen, wann einer einen größeren Hafen mitgebracht“.

1765 stimmte Fürstabt Martin II. Gerbert zähneknirschend einer Vertragsverlängerung mit acht Äulemer Glasmeistern „auf weitere, anbei aber ungewisse Jahre“ zu – wohlgemerkt, ohne sich bei der Laufdauer zu binden. Denn es waren klosterinterne Diskussionen wegen der Waldzerstörung vorausgegangen. Man sehe – so ein Bediensteter – „allerorts, wie übel die Glaser in dem Wald gehauset und der Hochwachs verderbet“. Für den Fürstabt war es eine Gradwanderung: Einerseits hatte er 1766 eine strenge Forstordnung zum Schutz der Wälder erlassen, andererseits konnte und wollte er die Äulemer Glashütte nicht abwürgen. Also bestimmte er 1769, dass den Meistern Holz „aus der gegen denen fürstenbergischen Grenzen in des Hintern Bauern in der Aha noch stehenden, dann aus der in dem Obersten Krummenbann befindlichen Waldung, der sog. Eschen mit jährlich 750 Klafter von dem Forstmeister angewiesen und abgeben werde“.

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Von Glasschneidern und Glasmalern – die gläsernen Produkte

Die Palette der Äulemer Glasprodukte war bunt. Der Sammler Oscar Spiegelhalter zählt 1908 auf: Gebrauchsglas wie Trinkgläser (Schnapskelch, Weinglas, Bierkrug, Brautkelch) und Maßflaschen („Guttere“), Ziergläser wie Fadenzainle, Zuckerbüchsen, Honiggläser, Netzschüssele, Weihwasserkessele, Pulverhörner, Gebrauchsglas für bäuerliche Haushalte wie Milch- und Blumenhäfen, Essig- und Öl-Gläser, Wäscheglätter (gefüllt mit heißem Wasser oder Sand), Stopfkugeln, Einschüttgläser für krankes Vieh, Milchansauggläser für Wöchnerinnen, Glastrichter, Fliegenfallen, Uhrgewichte.

In den Koalitionskriegen 1792–1805 schob Napoleon die französische Grenze bis zum Rhein vor und belohnte Markgraf Karl Friedrich für dessen Bündnistreue mit dem Großherzogtum Baden. Im Zuge der Säkularisation wurde die Abtei St. Blasien 1806 aufgehoben und ging an das Großherzogtum über. Damit wurde die klösterliche Glashütte Äule badisch. Die Glasmacher indes nahmen dies gelassen zur Kenntnis Die Verwaltung der Glashütte und der Wohnhäuser – die Glasmeister waren noch immer lediglich Pächter – übernahm nun die Großherzogliche Domänendirektion. Diese erfasste 1808 den Bestand. In den Häusern saßen Schmid, Sigwart, Kiefer, Maier, Grüner (Greiner?) und Dilger.

Der Lageplan von 1808 zeigt die genaue Lage der Glashütte und anderer Gebäude der Glasmacherzeit, zum Beispiel die „Schirrhütte“ oberhalb des Hüttenplatzes, in welcher Gerätschaften und Material aufbewahrt wurden. Südlich der Glashütte, unterhalb der Menzenschwander Straße standen das „Glasschneiderhäusle“ (bei der Bushaltestelle) und die „Streckhütte“ (schräg gegenüber Gasthaus).

Schon seit der Inbetriebnahme der Glashütte wurde in der „Streckhütte“ Flachglas, also Fensterglas hergestellt. Erinnert sei an den Bestandsbrief von 1716, der forderte, dass jährlich „1500 mittlere saubere Glasscheiben“ im Kloster St. Blasien abzuliefern seien. Wie wurde aber Fensterglas gefertigt? In der Glashütte zog der Glasmeister aus der Glasblase 30 bis 40 Zentimeter lange Glasröhren. Diese wurden nach dem Erkalten über die Straße in die „Streckhütte“ gebracht, im „Streckofen“ wieder erhitzt, an der Längsseite aufgetrennt und bei etwa 1000 Grad mit einem feuchten Holzstab zu Scheiben flachgebügelt.

Jeder der sieben Glasmeister ließ einen Teil seiner Glaswaren weiterbearbeiten. Glasschneider und Glasschleifer, ebenfalls in Äule wohnhaft, brachten Gravuren wie Messstriche, Inschriften oder einfache Figuren auf. Vinzens Sigwarth übrigens hatte 1748 von St. Blasien die Genehmigung erhalten, ein „Glasschneiderhäusle“ – Stube, „Kuchel“ und zwei Kammern – zu bauen. Im Jahr 1785 richteten die Glasmeister dort noch eine „Schulstube“ ein.

Die Glasweiterverarbeitung findet sich als regelmäßiger Ausgabeposten im Kassenbuch von 1825-1830. Monatlich wurden dafür etwa 80 Gulden bezahlt, das waren 5 Prozent aller Ausgaben. Oskar Spiegelhalter berichtet, dass auch Frauen das Glas weiter bearbeiteten. So fertigten Kreszentia Schlageter und Josepha Vogelbacher in Äule Mitte des 19. Jhd. „die besten Gravierungen“. „Auch das Auftragen der Farben bei den bunten Gläsern geschah meistens durch Frauen oder Mädchen.“ Die Emaille-Malerei garantierte besonders kräftige Farben. In eigenen Öfen wurden die aufgetragenen Farbschichten eingebrannt.

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Die Glasmeister organisieren sich in einer modernen „Compagnie“

Um 1798 wird die Glashütte Äule von Forstrat Gerer als „Glasfabrik“ bezeichnet und deren Umsatz beziffert: „Der tägliche Ertrag der Äulemer Hütte an Glas wird auf den Hafen auf 11 Gulden, somit auf zehn Häfen auf 110 Gulden bestimmt. Nähme man aber die runde Zahl von 100 Gulden an, und berechne man, daß durch 300 Tage im Jahr fabriziert werde, so ergibt sich ein jährlicher Glasertrag von 30 000 Gulden.

Seit 1823 bezog die Glashütte ihr Holz vom Oberen Habsberg, dem „Krummenkreuzle, dem Käppelhof“ und aus dem Privatwald des Georg Schmidt in der Aha. Damals gingen die Umsätze der Glashütte Äule zurück. Zunächst unmerklich, denn jeder Glasmeister arbeitete selbständig, bezahlte seine Gesellen, Lehrbuben, Glasschleifer und Glasmaler, bezog die Materialien auf eigene Rechnung und hatte für den Absatz seiner Ware zu sorgen. Doch schließlich war das Dilemma nicht mehr zu übersehen. Mit der Industrialisierung und der Massenfertigung der Güter wurde es für die Manufakturen im abgelegenen Hochschwarzwald zunehmend schwerer, die Glashütten waren nicht mehr konkurrenzfähig.

Die Glashütten Bubenbach und Herzogenweiler reagierten auf die wirtschaftlichen Herausforderungen mit einer modernen Gesellschaftsform. Die dortigen Glasmeister schlossen sich um 1820 zu „Gesellschaften“ zusammen, die die Rohstoffe gemeinsam einkauften und die Produkte gemeinsam vermarkteten. Schließlich gründeten auch die Glasmeister von Äule am 2. April 1825 nach diesem Vorbild eine „Gesellschaft oder Compagnie“. Sie hatte „zum Zwecke, sämtliche für die Glasfabrikation erforderlichen Materialien in Gesellschaft einzukaufen, die Glasfabrikation in Gesellschaft zu betreiben und auch den Verkauf des Fabrikats namens und für die Gesellschaft besorgen zu lassen.“ Die Anteile der Gesellschafter betrugen je 2022 Gulden, der führende Kopf war Vogt Joseph Kiefer.

Klar, dass die „Gesellschaft oder Compagnie“ alle Geldflüsse in einem Kassenbuch dokumentierte. Ein Glücksfall, dass dieses „Monat Buch der Glas Fabrik Aeile“ auf Umwegen jüngst bei Liselotte Kiefer aus Schluchsee gelandet ist. Auf 108 Seiten werden vom 12. April 1825 bis 31. März 1830 von den beiden Rechnern fein säuberlich die monatlichen Einnahmen und Ausgaben der Glasfabrik aufgelistet. Doch die Glas-Kompanie hatte nur fünf Jahre Bestand, die Glasmeister waren wohl doch zu sehr Individualisten, als sich in eine „Gesellschaft“ einzufügen.

Dabei hatten sie ein funktionierendes Vorbild, nämlich streng organisierte „Glasträgerkompagnien“, die ihre Vertriebsgebiete abgegrenzt hatten, z.B. das Elsass („Elsißträger“) oder die Schweiz („Schwyzerträger“). Die Glasmacher verkauften nämlich nicht an den Endverbraucher, sondern übergaben die Ware an diese Handelsgesellschaften. 1813 übrigens schlossen sich alle badischen Glasträgerkompagnien zu einem Verband zusammen. Äulemer Glas war beliebt, denn die Glasträger mussten sich „allzeit acht Täg vorher um Glas bewerben, sonsten kommen sie keines über“ (Wohleb). Die wirtschaftliche Bedeutung des Glashandels rund um Äule war groß, so belegt Wohlebt, dass 1765 in Schluchsee, Blasiwald und Fischbach 29 verheiratete und 39 ledige „Glasgereiste und Truckhändler“ wohnten. In Schluchsee allein lebte mehr als die Hälfte der Zinspflichtigen vom Hausierhandel.

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Die Glashütte wird privatisiert

1850 gab es eine einschneidende Veränderung. Die acht Glasmeister von Äule beschlossen, „die ärarische Glashütte samt Zubehörde, welche sie seither pachtweise innehatten, käuflich zu erwerben“. Für 14.000 Gulden gingen sämtliche Äulemer Gebäude, mehr als 62 Morgen Wiesen und mehr als 63 Morgen Weidfeld vom Großherzogtum Baden an die „Glasmeisterschaft“ über – in 10 Jahresraten mit 5 Prozent Verzinsung zu zahlen. Die Siedlung wurde politisch der Gemeinde Schluchsee unterstellt.

Durch die Privatisierung erhoffte sich der badische Staat eine Steigerung der Glasproduktion, denn es sei „zu vermuten, daß die Glasmeister durch die Erwerbung der Glashütte als Eigentum und der hieraus erfolgenden freieren Bewegung, das Geschäft besser wie bisher betreiben“. Außerdem standen große Reparaturen am Hüttengebäude an, und schließlich konnte die großherzogliche Vermögensverwaltung mögliche Lasten wie Unterstützung im Krankheitsfall oder bei Arbeitsunfähigkeit nach einer Privatisierung auf die Gemeinde Schluchsee abwälzen. Kurioserweise war der badische Finanzminister Regenauer der einzige, der – aus sozialen Bedenken – vom Verkauf der Glashütte Äule an die Glasmacher abriet: „Allein soviel weiß ich, daß sich arme Leute darauf befinden, die die Kaufsumme nicht wohl übernehmen könnten, und es ist gewissermaßen ein Akt der Humanität, daß man sie beibehält.“ Und der Finanzminister sollte recht behalten: Obwohl bereits Ende 1855 durch den Großherzog ein teilweiser Schuldennachlass verfügt worden war, waren 1889 immer noch 1.000 Mark des Kaufpreises nicht bezahlt, obwohl die Glashütte längst ihre Produktion eingestellt hatte.

Den Glasmachern in Äule war nicht verborgen geblieben, dass sie zunehmend weniger konkurrenzfähig waren. Also schickten sie Adolf Siegwart von 1847 bis 1852 in florierende Glashütten in Frankreich und der Schweiz, um eine „verbesserte Fabrikationsweise zur Anwendung in der Heimat“ zu studieren. Heute würde man das vielleicht als Werksspionage bezeichnen. Doch es gelang nicht, den Niedergang der Äulemer Glashütte aufzuhalten.

Heinrich Kopp aus Schluchsee ist stolz auf eine 20 x 14 cm große Zeichnung der Schluchseelandschaft. Der Künstler hat den See vom Äulemer Weidfeld, der „Hochrütte“ aus abgebildet. Das Entstehungsjahr des Werks ist 1859, und kein geringerer als Hans Thoma, der berühmte Schwarzwaldmaler, hat die Zeichnung signiert. Was hat den damals 20-Jährigen nach Äule geführt? 1855 hatte Thoma eine Anstreicherlehre in Basel abgebrochen, kurz danach auch die Lehre als Uhrenschildermaler in Furtwangen. Wieder daheim in Bernau und kurz bevor er auf die Kunstakademie nach Karlsruhe ging, fertigte er kleine Heiligenbilder und Landschaften und verkaufte sie. „Ich war fleißig darauf aus, Geld zu verdienen“, schreibt Hans Thoma in seiner Biografie „Im Winter des Lebens“ (1919), „und ich benutzte jede Gelegenheit dazu. So ging ich eine Zeitlang in die Glashütte Äule, wo ich auf Gläser mit Firnisfarbe Blümlein und Sprüche malte; auch mein Vetter Franz Maier malte dort das gleiche. Am Samstag brachte ich so immer einige Gulden mit heim.

© Friedbert Zapf

Die Schweizer übernehmen die Glashütte

Mitte des 19. Jhd. hatte die Industrialisierung Fahrt aufgenommen, große Glasfabriken mit Kohlengasfeuerung und Eisenbahnanschluss entstanden, und die Zeit des handwerklich hergestellten, mundgeblasenen Glases in entlegenen Schwarzwaldtälern war abgelaufen.

Die Protokolle der Ratssitzungen, zu denen sich die acht Äulemer Bürger damals in der Schulstube des Glasschneiderhäusles trafen, zeigen, dass die Armut Einzug bei den einst wohlhabenden und stolzen Glasmachern gehalten hatte. 1862 mussten sie eine Kostenbeteiligung für den Ausbau der Menzenschwander Straße ablehnen, weil „die Bürgerschaft von Äule sonst so viel zu bezahlen hat, daß sie fast nicht nachkommen kann“. Im Sommer 1863 wohnten von den inzwischen neun Äulemer Bürgern zwei mittellose auswärts. Man müsse jeden Tag darauf gefasst sein, „daß sie mit ihren Familien zurückkommen und der Gemeinde zur Last liegen“.

1868 konnten sich die 84 Einwohner keinen eigenen Lehrer mehr leisten; sie schickten die Kinder in die Schule nach Aha. Das Glasschneiderhäusle wurde als Wohnung an Julius Dilger und Konrad Siegwart vermietet, die Schulstube nutzte seit 1873 die neugegründete „Glashüttengesellschaft Aeule“ als Kontor.

Die Gründung dieser Gesellschaft war der letzte Versuch, die Glashütte zu retten. Die „Schweizer Träger“ der Lenzkircher Glasträgerkompanie hatten die Eidgenossen schon seit hundert Jahren mit dem hochwertigen Äulemer Glas beliefert. Seit 1830 hatte auch die Züricher Handelsfirma „Meyer, Sibler & Comp.“ das Glas bezogen und war damit sehr zufrieden. Als die Züricher von der drohenden Schließung erfuhren, beschlossen sie, den verbliebenen fünf Äulemer Glasmeistern deren Anteile an der Glashütte abzukaufen, das Produktionsverfahren zu modernisieren und die Hütte weiter zu betreiben.

In einem Brief vom 1. August 1872 teilten die neuen Eigentümer der Kundschaft mit, „daß wir das bis anhin von Jedem einzeln betriebene Glasfabricationsgeschäft zukünftig unter der Firma Glashüttengesellschaft Aeule fortbetreiben werden. Die Herren Meyer, Sibler & Comp. in Zürich als Hauptbeteiligte besorgen die Leitung des Geschäfts“. Den letzten Äulemer Glasmeistern – Wilhelm Dilger, Johann Baptist Dilger, Emil Greiner, Johann Halder und Mathias Schaaf – blieb nur, sich im selben Schreiben vom August 1872 an die Kunden zu wenden: „Für das uns bisher geschenkte Vertrauen dankend, bitten wir Sie, dasselbe der Societät übertragen zu wollen, die durch neue Einrichtungen in den Stand gesetzt wird, prompter und besser als bisher zu bedienen. Die Fabrication wird Ende dieses Monats beginnen.

© Friedbert Zapf

Die Glasöfen erlöschen 1878

Doch die Glasfabrik Äule war nicht zu retten, und 1878 stellte auch „Meyer, Sibler & Comp.“ die Produktion ein. Die Glasöfen erloschen, und die beiden maroden Hüttengebäude – Glashütte und Streckhütte – zerfielen. Das ehemalige „Glasschleiferhäusle“, in dem die Schule untergebracht war, ging im Juli 1882 in Flammen auf, die zwölf Schulkinder mussten nun die Schule in Aha besuchen.

Da gab es 1884 einen Erweckungsversuch. Der Äulemer Glasmacher Theodor Greiner war sich sicher, dass der Bau der Höllentalbahn auch dem Glasgewerbe einen Aufschwung bringen würde. Da das Holz teuer geworden sei, müsse man die Glasöfen zukünftig mit Gas heizen, so wie die Glasfabrik Böhringer in Wolterdingen. Das Bezirksamt St. Blasien zeigte sich aufgeschlossen und gab bei der „Landesgewerbehalle Karlsruhe“ ein Gutachten in Auftrag. Das deckte im März 1885 im Nachhinein zunächst einige Schwachpunkte auf: „Die Glashütte Äule war immer klein, der Bedarf etwa 600 Klafter im Jahre; der Betrieb war regelmäßig ein halbes Jahr unterbrochen. Die Arbeiter gewöhnten sich dadurch an ein unregelmäßiges Leben und brachten ihre Zeit viel im Wirtshaus zu. (…) Eine Hütte müßte in Äule vollständig neu errichtet werden. Von der noch bestehenden wäre nichts brauchbar. Das Arbeiterpersonal müßte neu zusammengebracht werden.“ Und das Fazit war, „daß eine Glashütte in Äule sich nie wird rentieren können“.

Im Gutachten erfahren wir auch, dass in Äule 1885 nur noch „vier eigentliche Glasbläser vorhanden“ seien, „von denen einer Glashandel treibt, die drei anderen in Falkau beschäftigt sind“. Einst stolze Glasmeister, die nun in einer Schraubenfabrik ihr Brot verdienen müssen! 1889 analysierte die Bezirksforstei Wolfsboden die Lage für den nur noch etwa 60 Einwohner zählenden Ort: „Die Gemeinde Äule ist seit Einstellen des Glashüttenbetriebes in stetem Rückgang begriffen; alle Versuche, die Glashütte oder eine ähnliche passende Industrie einzuführen, sind gescheitert, und es ist vorauszusehen, daß allmählich sämtliches Grundeigentum daselbst verkauft werden muß.“

1892 wurde die Glashütte abgebrochen. Zwei Jahre später, im August 1894, stellte die Bezirksforstei fest: „Einen Aufschwung zum Besseren lassen die derzeitigen Verhältnisse nicht zu. (…) Die meist tief verschuldeten Bewohner finden auf dieser kleinen, parzellierten Gemarkung bei jedem Mangel einer industriellen Tätigkeit dauernd eine gute Existenz nicht mehr, umso weniger als die früheren Glasarbeiter wenig geeignet noch geneigt für die Waldarbeit sind (…), und wird nicht bald Wandel geschaffen, so verlieren auch viele Gläubiger, namentlich die Sparkasse St. Blasien, einen großen Teil ihres in Äule stehenden Geldes.

Die Glashütte Äule (Foto von 1894). Die Glashütte ist seit zwei Jahren abgebrochen, rechts neben der Kapelle sind aber noch Fundamente und Reste der Brennöfen zu erkennen.

© Text und Foto: Friedbert Zapf

Aus der Glasmachersiedlung wird ein Waldarbeiterort

Auch der Zeitzeuge Oskar Spiegelhalter blickte 1908 pessimistisch in die Zukunft: „Heute ist die alte, ehrwürdige Hütte verschwunden, und die durstigen und lustigen Glasbläser sind unter dem Boden. Deren Nachkommen aber führen ein armes Dasein, da sie nur auf das Erträgnis ihres kargen Bodens angewiesen sind. Schon hat der badische Staat von den zehn Häusern sechs aufgekauft, und es wird nicht mehr lange dauern, so bekommt er auch die andern. Die Felder werden langsam wieder mit Wald angepflanzt, und die Tannen rücken immer näher und näher an die Behausungen. Wenn auch das letzte Haus verschwunden ist, wird nur noch die Kapelle an den einst so blühenden Glaserort erinnern.

Gott sei Dank hat Spiegelhalter nicht Recht behalten, der Wald hat Äule nicht zurückerobert! Was Spiegelhalter aber richtig beschreibt: Die verarmten Äulemer mussten ihre Häuser und Grundstücke, die sie 1850 dem Großherzogtum Baden abgekauft hatten, nach und nach wieder an den Staat verkaufen. Die Grundstücke wurden teilweise aufgeforstet, ein Teil der maroden Gebäude abgebrochen, die verbliebenen Häuser an zugezogene Waldarbeiter vermietet. So wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Glasmacher- eine Waldarbeitersiedlung.

Das 1716 erbaute, nahe der einstigen Glashütte liegende Glasmeister-Einzelhaus (heute Haus Isele) fiel als „Fidel-Brugger’sches Anwesen“ als erstes an den Staat zurück. Glasmeister Franz Anton Greiner aus Herzogenweiler hatte hier seit 1831 gewohnt. Fidel Brugger heiratete 1860 dessen Tochter. 1896 verkaufte Brugger an den Staat. Das Gebäude wurde 1910 an Waldarbeiter Tritschler vermietet.

Das benachbarte Glasmeister-Doppelhaus (heute Haus Wehrle) war 1714 als erstes Gebäude errichtet worden. Um 1900 wohnte der „Landwirt und Glasmacher“ Wilhelm Dilger im „Otto-Sigwart‘schen Anwesen“. Nach seinem Tod 1913 verkauften die Erben für 7.500 Mark an den Staat, der das Doppelhaus an Waldwegewart Otto Strohmeier vermietete.

Unterhalb des „Rössle“ stand ein 1716 erbautes Glasmeister-Doppelhaus. Das Gebäude ist längst abgebrochen. Besitzer war um 1900 der „Landwirt und Glasmacher“ Mathias Schaaf. Die ledige Berta Kiefer verkaufte das „Schaaf’sche Anwesen“ 1918 für 6.500 Mark an den Staat. Waldwegewart Adolf Siegwart bewohnte ab 1920 das Haus.

Auch das „Otto Mayer’sche Anwesen“ (heute Haus Till) ging um 1900 an den Staat. Es wurde 1910 an Waldarbeiter Albert Spitz vermietet. Auf den Grundmauern der ehemaligen „Streckhütte“ (Fensterglasherstellung) war 1877 ein kleines Wohnhaus errichtet worden, das sich aufgrund einer Forderung im Eigentum der Sparkasse St. Blasien befand. Diese verkaufte das „Sparkassenhäusle“ (heute Haus Schwörer) 1897 für 2.500 Mark an den Staat.

Das vom Wirt Anton Maier 1887 neu errichtete Gasthaus „Rössle“ wurde 1888 zwangsversteigert und fiel an den Maurermeister Fidel Obrist von Menzenschwand. Er verkaufte die Wirtschaft Weihnachten 1895 für 14.000 Mark an den Staat. Bevor auch die Kapelle vom Staat übernommen wurde, musste sie saniert werden, doch die Äulemer hatten dafür kein Geld. Da schlug das Bezirksamt 1897 vor, „eine Sammlung insbesondere bei den Kurgästen vorzunehmen, ebenso eine Sammlung in Schluchsee, Menzenschwand von Haus zu Haus“.

Mit wachsendem Wohlstand erfolgte seit den 1960er Jahren nach und nach der Rückkauf der Häuser wieder in Privatbesitz. Heute gehören nur noch die Kapelle und ein einziges Wohnhaus dem Land.

© Friedbert Zapf

Textquellen

Friedbert Zapf. Ungekürzte Textvorlage einer 2016 in der Badischen Zeitung in 11 Folgen erschienenen Veröffentlichung über die Glashütte Äule.

Mit freundlicher Genehmigung. Vielen Dank.