Gerlingen: Geologischer Pfad
Eine geologische Entdeckungstour durch Gerlingen
An der Wegstrecke informieren 12 Infotafeln über die abwechslungsreiche Geologie vom Oberen Muschelkalk (Station 1) bis zum Stubensandstein im Mittleren Keuper (Station 7).
Mehr Informationen bietet die Broschüre „Gerlingen – Gestalt der Landschaft und geologischer Untergrund“, die in der Reihe der Gerlinger Heimatblätter erschienen ist. Die Broschüre ist in der Geschäftsstelle des Vereins für Heimatpflege im Stadtarchiv Gerlingen, Rathausplatz 1, erhältlich.
Wegstationen
Station 1: Glemstal, Tonmühle: Fossile Meeresböden - Die Glems sägte sich in den Muschelkalk
Schichten erzählen vom Klima
Bei Hitze und Trockenheit entsteht im Meerwasser bevorzugt Kalk, der sich als Schlamm zu Grunde senkt und dort zu hartem Stein wird. Regnet es viel, bringen Flüsse mehr feine, tonhaltige Erde vom Festland ins Meer. Das Tonmaterial legt sich wie ein Schleier über die Kalkschlämme. Das sind heute die Mergel-Schichtfugen: Da sie schneller verwittern als Kalk oder Dolomit, bilden sie Hohlkehlen. Oft sind die Kalkund Dolomitbänke aus der Keuperzeit nahe der Erdoberfläche in einzelne Brocken aufgelöst. Ursache ist die Verkarstung: Das leicht saure Regenwasser löst den Kalkstein langsam auf. Entlang von Klüften und Schichtfugen dringt es immer tiefer; zurück bleiben Hohlräume.
Das Germanische Becken
Vor 250 Mio. Jahren erstreckte sich über ganz Mitteleuropa ein weit gespannter, muldenförmiger Ablagerungsraum, das Germanische Becken. Es war von Bergländern umgeben. Bäche und Flüsse dieser Hochgebiete brachten von dort Sand und Geröll. Später wurden daraus Gesteine, wie zum Beispiel der Buntsandstein und die Keupersandsteine.
Die Muschelkalkzeit
Zeitweise stand das Germanische Becken vor etwa 235 Mio. Jahren in Verbindung zum offenen Weltmeer im Süden, der Tethys. Mit dem hereinströmenden Salzwasser gelangten viele Schalentiere in das seichte Randmeer. In großer Zahl findet man deren versteinerte Überreste. Diese Formation wird daher Muschelkalk genannt. Besonders in der mittleren Muschelkalkzeit war das Binnenmeer von der Tethys abgeschlossen. Im trocken-warmen Klima schieden sich dann Kalk- und Dolomitsteine aus, dazu auch Gips und Salz. Wurde das Muschelkalkmeer später wieder vom Weltmeer verdünnt, endete die Sedimentation von Salz und Gips. Die geologische Gliederung in Unteren, Mittleren und Oberen Muschelkalk spiegelt die zeitlichen Abläufe wider.
Das Glemstal
Je nach Standort zeigt das Glemstal einen anderen Charakter: Zwischen Glemseck und der Einmündung des Wasserbachs, westlich von Leonberg, breitet sich eine muldenförmige Aue
aus. Zwischen Leonberg und Ditzingen ist das Tal eng und steilwandig. Warum ändert sich das Tal des Baches? Weil sich der Grund geologisch unterscheidet: Floss die Glems bis zur Wasserbachmündung in den leicht ausräumbaren, tonreichen Gesteinen des Gipskeupers, so finden wir in der engen Talstrecke bis Ditzingen härteren Oberen Muschelkalk. Durch ihn musste sich die Glems regelrecht durchsägen. Die Glems floss hier einst hoch über der heutigen Erdoberfläche durch den Gipskeuper nach Osten. Unter ihr hob sich langsam die Erdkruste und bildete den Schwäbisch-Fränkischen Sattel. Der Gipskeuper wurde nach und nach abgetragen, bis die Glems schließlich den älteren Kalkstein erreichte und ein enges und steilwandiges Tal bilden musste.
Station 2: Alte Steige I: Gips in Gerlingen - Gipskeuper – ein riesiges Schlammbecken mit Wüstenklima
Die Keupermergel
Vor rund 235 Mio. Jahren verlief sich das Muschelkalkmeer, weil sich die Erdkruste hob. Das Germanische Becken war zu einer flachwelligen Landschaft mit einzelnen Seen und Tümpeln geworden. Es herrschte Wüstenklima, und die Verdunstung überwog die Niederschläge. Größere Flüsse gab es daher nicht. Doch zeitweise konnten schwach fließende Bäche feinen Ton anliefern. Auch Staubstürme sorgten für Nachschub an Feinmaterial. Gemeinsam bildeten diese Feinsedimente später die heutigen Keupermergel. Sie sind grün, grau oder auch rot gefärbt.
Gips: Sediment von Salzseen
Im trockenen Klima der Gipskeuperzeit verdunstete das Wasser in den Überresten des Muschelkalkmeers. Die Konzentration der gelösten Salze stieg bis zur Übersättigung. So kam es zur Ausfällung von Gips. Einzelne kurzzeitige Meereseinbrüche hinterließen Kalkschlamm, der anschließend Magnesium aus dem Meerwasser aufnahm. Nach dessen Verfestigung entstanden Kalk- bzw. Dolomitbänke. Beispiele sind die Bochinger Bank, die Bleiglanzbank und die Engelhofer Platte. Sie enthalten auch Meeresfossilien.
Station 3: Alte Steige II: Skandinavischer Sandkuchen - Sand aus dem hohen Norden verbackt zu einer Felsstufe
Der feinkörnige Schilfsandstein
Im Wasser enthaltener Kalk, Ton oder Kieselsäure kann Sandkörner miteinander zu Sandsteinen verbacken. Die einzelnen Körner bleiben als kleine Gesteinspartikel mit bloßem Auge erkennbar und bestehen überwiegend aus Quarz. Er ist sehr hart und hält der Verwitterung länger stand als die meisten anderen Mineralien. Der Sand im Gerlinger Raum stammt aus fernen Granit- und Gneisgebirgen. Bäche und Flüsse verfrachteten die Quarzstückchen vor etwa 220 Mio. Jahren talwärts. Je länger ihre Reise ging, desto runder und kleiner wurden die Körner. Besonders fein und fast vollkommen kugelförmig sind sie im Schilfsandstein. Der Grund ist ihre ferne Herkunft aus dem Skandinavischen Raum.
Schrägschichtungen zeigen die Herkunft des Sandes
An der geschützten Leeseite von Sandbänken lagern sich Sandkörner und Tonteilchen im Wechsel ab. An der Schrägschichtung lässt sich die Fließrichtung des Wassers ablesen. Auf diese Art fanden Geologen heraus, dass der Gerlinger Schilfsandstein aus dem Baltisch-Skandinavischen Gebirgsland stammt.
Eine Flusslandschaft im Wandel
Unsere Landschaft war vor Millionen Jahren ein ausgedehntes Stromdelta. Bei hoher Wasserführung räumten die Flüsse tiefe Rinnen in den obersten Gipskeuperschichten aus. Floss weniger Wasser, füllten sich die Rinnen mit Sand. Kalk und Ton verkitteten die einzelnen Körner später zu mächtigen Strängen aus Sandstein. Sie wurden von Ton überdeckt. Er bildet heute die Bunten Mergel. Als sich die Erdkruste hob, setzten Verwitterung und Erosion ein. Jüngere Schichten wurden wieder abgetragen. Einzelne Höhenzüge konnten sich jedoch unter einem schützenden Dach aus Sandgestein behaupten. Das geschah besonders dann, wenn das Gebiet sich lokal abgesenkt hatte, wie bei den Zeugenbergen Asperg und Stromberg.
Station 4: Schlossberg: Das fruchtbare Strohgäu - Wertvolles Erbe der Eiszeiten
Bestes Ackerland
Auf den abgetragenen Hangfuß des Keuperberglands wurde während der Eiszeiten (bis vor zirka 10.000 Jahren) feinstes, zerriebenes Gesteinsmaterial aufgeweht: der Löss. Er stammt aus den trockenen Schotterebenen im Oberrheintal und blieb im Windschatten des Engelberghöhenzuges in dicken Polstern liegen. Inzwischen verwandelte sich der Löss wie auf der Filderebene durch Kalkauswaschung nach und nach zu fruchtbarem Lösslehm.
Verkarstung und Erosion
- Am Fuß der Keuperberge dringt Regenwasser durch Klüfte bis zu den wasserlöslichen Grundgipsschichten. Hier bilden sich Hohlräume. In den randfernen Teilen des Keuperberglandes schützen wasserundurchlässige Tonsteinschichten den Grundgips vor Niederschlagswasser. Grundgips und Anhydritschichten bleiben erhalten.
- Die fortschreitende Auflösung des Gipses vergrößert die Höhlen. Irgendwann stürzen ihre Decken ein. Sind die Höhlen groß genug, setzen sich diese Senkungen bis an die Oberfläche fort: Häuser und Straßen sind dann gefährdet.
- Der ausgelaugte Gipshorizont kann den Gesteinsstapel über sich auf Dauer nicht halten: Der Überbau bricht ein. Bäche und Flüsse schwemmen die gelockerten Bruchstücke fort. Infolgedessen entstehen weite Täler. Beispiele dafür sind das Krummbachtal in Höhe des „TC Gerlingen“ oder das Glemstal zwischen „Hotel Glemseck“ und dem Schopflochberg westlich von Leonberg.
- Im Norden Gerlingens hat die Erosion den Unteren Keuper und den Oberen Muschelkalk freigelegt. Später dann wird darüber der Löss geweht.
Station 5: Forchenrain: Ein Berg zürnt - Folge der Eiszeit
Auf einem Grundstück zerfielen zwei Häuser
1959 entstand am Forchenrain das Haus mit der Nummer 28. Erste Risse traten schon innerhalb eines Jahres auf. Nach vergeblichen Sanierungsmaßnahmen folgten 1967 der Abriss und ein Neubau. Doch diesem Haus erging es nicht besser: Trotz spezieller Gründungstechnik erlitt es ebenfalls nach kurzer Zeit Schäden. Nicht einmal nachträglich eingezogene neue Bohrpfähle und Seilverankerungen in 13 Meter Tiefe konnten das Haus noch retten. Es brach einfach auseinander. Der neue Eigentümer ließ vom Geologischen Landesamt ein Gutachten erstellen. Seither besteht dort ein Bauverbot. Anders auf dem Nachbargrundstück: Das Haus Nummer 30 rutscht jährlich mitsamt der Scholle um fast drei Zentimeter. Seit 1925 hat es so unbeschadet drei Meter zurückgelegt.
Tiefenforschung: Schuttablagerung löste das Rutschen aus
Vor rund hundert Jahren war der Hang hier kurzerhand mit Schutt aus den umliegenden Steinbrüchen aufgefüllt worden. Darum glaubten zunächst alle, der Abraum tauge nicht als Baugrund. Aber die Geologen kamen bald der tieferen Ursache auf die Spur: Eine Gesteinsscholle mit einer Fläche von 50.000 Quadratmetern (fünf Hektar) in bis zu 30 Meter Tiefe geriet ins Rutschen, nachdem der Schutt abgelagert worden war. Die zusätzliche Last belebte einen Prozess wieder, der während der Eiszeiten vor mehr als 10.000 Jahren ausgelöst worden war. Dann war er zum Stillstand gekommen. Doch die Aufschüttung setzte ihn wieder in Gang. Scholle und Schutt bewegen sich zwar nur geringfügig. Aber sie rutschen unterschiedlich schnell: Gründungspfähle und Seilanker verbanden die Schichten, und so zerbrachen die Häuser.
Tonstein wie Schmierseife
Im feucht-warmen Klima der Zwischeneiszeiten verwitterten die tonig-schluffigen Keupermergel zu schmierigen, lehmartigen Massen. In den kurzen Sommern der nachfolgenden Kaltzeiten taute es rasch. Bäche rissen den Lehm mühelos weg. Zurück blieben übersteile Hänge. Ähnlich den „Höllenlöchern“ am Albtrauf rissen in den Stubensandsteinklippen Spalten auf und weiteten sich mit der Zeit. Später neigten sich die Randklippen zum Hang und gerieten in Bewegung. Die wassergetränkten Tonsteinschichten darunter wirkten dabei wie Schmierseife. So glitt ein ganzes Stück des Gerlinger Nordhanges ab. Der ursprüngliche Schichtaufbau blieb dabei sogar erhalten. Irgendwann fand die Scholle ins Gleichgewicht und ruhte, bis zu Beginn des letzten Jahrhunderts Steinbruchabraum darauf abgelagert wurde. Die Rutschung begann erneut und hält bis heute an.
Station 6: Im Heidewinkel: Von Gerlingen ins Schwarze Meer - Bäche und Flüsse schlagen seltsame Haken
Hiesige Ur-Flüsse speisten die Donau
Vor etwa zwei Mio. Jahren entwässerten nahezu alle Flüsse Südwestdeutschlands zur Donau. So auch in unserer Region die Glems und der Aischbach mit ihren Seitenbächen. Dabei flossen sie weit über dem heutigen Niveau auf inzwischen abgetragenen Gesteinsschichten nach Osten und Südosten. Demnach folgte die Ur-Glems ihrem heutigen Tal bis Ditzingen und bahnte sich von dort weiter ihren Weg zwischen „Korntaler Seewald“ und „Greutteranhöhe“ hindurch in Richtung Zuffenhausen. Bei Mühlhausen erreichte sie ihren Mündungsfluss, die Ur-Lone. Das breite Tal zwischen Ditzingen und Zuffenhausen ist also der Ur-Glems zu verdanken. Ähnlich der Ur-Aischbach mit seinen Zubringern Rappbach, Lindenbach und Feuerbach: Er strömte weiter südlich, am Südabhang des Feuerbacher Lembergs vorbei und über den heutigen Pragsattel ebenfalls ins Tal der Ur-Lone und von dort weiter zur Donau. Die Bäche haben dabei ein Hochplateau in einzelne Bergrücken zerteilt: den Feuerbacher Lemberg (Horn), den Burgholzhof, den Killesberg und den Kräherwald.
Räuberischer Rhein
Durch die Einsenkung des Oberrheingrabens wuchs langsam, aber stetig eine Konkurrenz zur Donau: Zahlreiche junge Rheinzuflüsse schnitten sich dank des starken Gefälles immer tiefer ins Land und verlagerten durch rückschreitende Erosion ihre Quellen millimeterweise immer weiter flussaufwärts. Oft erreichten solche Rheinzuflüsse den Ober- oder Mittellauf eines Donauzuflusses und zapften ihn an. Durch das neue, stärkere Gefälle floss sein Wasser nun zum Rhein.
Richtungswechsel der Glems
So wurde auch die Ur-Glems bei Ditzingen angezapft und nach Norden umgelenkt. Das grub ihrem bisherigen Unterlauf zwischen Ditzingen und Zuffenhausen das Wasser buchstäblich ab: er versumpfte. Die „neue“ Glems zog durch ihr größeres Gefälle andere Seitenbäche an. Sie schnitt kräftig ein und erreichte zunächst die linksseitigen Seitenarme des Ur-Aischbachs, später auch den Rappbach und den Lindenbach. Seither strömt das Wasser aus den Gerlinger Quellen nicht mehr über die Donau ins Schwarze Meer, sondern mit dem Rhein in die Nordsee.
Station 7: Gerlinger Heide: Überflutungen bringen Sand und Kies - Wechsellagerung im Wüstenklima
Heißer Wüstengürtel
Vor ungefähr 200 Mio. Jahren war das gesamte Festland der Erde in einer einzigen, zusammenhängenden Landmasse vereinigt: Im Riesenkontinent Pangäa. Dieses Gebiet hier gehörte damals zum Germanischen Becken, einer immer wieder von Meerwasser überfluteten flachen Senke. Sie lag etwa auf 25° nördlicher Breite in einem niederschlagsarmen heißen Wüstengürtel. Heute befinden sich dort ungefähr die Sahara sowie die Arabische und die Persische Wüste. Europa ist inzwischen im Zuge der Kontinentaldrift nach Norden gewandert.
Trockenheit und Ãœberflutung
Die Erdaufschlüsse in der Gerlinger Heide zeigen, dass hier abwechselnd Sand- und rote weiche Tonsteine abgelagert wurden. Die spärlich fließenden Bäche konnten nur äußerst feine Tonteilchen transportieren. Das Rot der Tonsteine und das Vorkommen unzersetzter Feldspatkörner in den Sandsteinen weisen auf ein trocken-heißes Klima zur Ablagerungszeit hin. Die großen, schweren und kantigen Sandkörner jedoch verlangten viel Wasser und starke Strömung für ihren Transport. Reißende Flüsse in der Wüste – ein Widerspruch? Die ausgedehnte Landmasse Pangäas löste hin und wieder monsunartige Starkregen aus. Sie schwemmten Gesteinsbruchstücke, Sand und Tonstaub von den Bergländern herein.
Ein sandiges Flussdelta
Hauptlieferanten der Sande waren zwei aus Granit und Gneis aufgebaute, schwarzwaldähnliche Mittelgebirge: im Südosten die Vindelizische Schwelle und im Osten das Böhmische Massiv. Während Teile dieses Grundgebirges noch erhalten sind (Böhmerwald und Bayerischer Wald), existiert die Vindelizische Schwelle heute nicht mehr. Schon in der Jurazeit vor 160 Mio. Jahren war sie so stark abgetragen, dass sie vom Meer überspült wurde. Starkregen ließen in diesen Gebirgen rasch reißende Flüsse entstehen, die über die Ufer traten. Schwallartig ergossen sich gewaltige Fluten über das ganze Land und verbreiteten den Sand über weite Flächen: Ein riesiger Schwemmfächer mit deltaförmigen Flussarmen entstand. Beim Nachlassen der Strömung stetzen sich zuerst Grobsande, später feine Tonteilchen ab. Dadurch entstanden die sich abwechselnden Schichten von groben Sandsteinen und feineren Tonsteinen (Mergel).
Station 8: Krummbachtal I: Gebirgsbildung im Kleinformat - Ein Zeitzeuge der Alpenfaltung
In der Steinbruchwand
Im Wechsel der Ton- und Sandsteinschichten spiegeln sich die Ablagerungsbedingungen wider. In niederschlagsreichen Zeiten brachten Flüsse Grobsand in das Germanische Becken, bei Trockenheit nur noch feinste Tonteilchen, die bei still stehendem Wasser als Tontrübe absanken.
Vor rund 200 Mio. Jahren bricht langsam die Erdkruste
Die auffällige Horstbildung an der Steinbruchwand entstand durch die gleichen geologischen Prozesse, die auch die Auffaltung der Alpen bewirkten. Bis vor 100 Mio. Jahren, in der Kreidezeit, unterlag Mitteleuropa umfassenden Dehnungsvorgängen in der Erdkruste. Dabei brachen Teile der Oberfläche ein und sanken ab. Der Nordatlantik öffnete sich. Daneben entstand im heutigen Alpenraum der kleinere Penninische Ozean. Auch im Krummbachtal kam es zu Absenkungen. Später kehrte sich die Plattenbewegung um: Ehemalige Dehnungsgebiete wurden zusammengepresst, und es kam zu Hebungen.
Kräftemessen der Kontinente
Was im Krummbachtal auf kleinstem Raum geschah, spielte sich auch im Großen ab: Die Afrikanische und Europäische Kontinentalplatte kollidierten. Ungeheure tektonische Kräfte schoben den Penninischen Ozean von Süden nach Norden zu. Der Meeresboden wurde gefaltet und türmte sich infolge einer späteren Hebung zum Hochgebirge der Alpen auf. Dieser Prozess schreitet noch heute voran. Nördlich des Auffaltungsgebiets geschah etwas anderes: Beim Zusammenstoß des Afrikanischen Kontinents mit dem Festland Alteuropas zerbrach die harte Erdkruste. Deshalb ist ganz Mitteleuropa von Brüchen, Verwerfungen und geologischen Störungen durchzogen. Der Fildergraben beispielsweise ist nur wenige Kilometer entfernt.
Station 9: Krummbachtal II: Immer in Bewegung – die Erdkruste: Wie sicher ist der Boden unter unseren Füßen?
Brüche im Schichtaufbau
Stubensandstein und Gipskeuper sind verschieden alt. Wie gelangten die Sedimente dennoch auf gleiche Höhe? Die gesamte nördliche Scholle des Gerlinger Glemswalduntergrundes sank nach und nach rund 100 Meter in die Tiefe. Dieser linienförmige Höhenversatz gehört zu den Ausläufern eines östlich gelegenen Bruchsystems. Entlang dieser Brüche brach auch der Graben ein, der heute die Filderebene bildet. Bewegungen in der tieferen Erdkruste können auch heute noch in Gerlingen leichte Erdbeben verursachen: Unser Gebiet liegt in der Erdbebenzone 1, was bei Bauvorhaben berücksichtigt wird. Um diese Brüche zu verstehen, sollten wir uns die Entstehung der Alpen verdeutlichen:
Entstehung der Alpen
Steigt zähflüssiges Magma aus dem Erdmantel nach oben, wird es an der kalten, starren Erdkruste seitlich abgelenkt. Durch Reibung wird die Kruste auseinandergezogen. Es kommt zu Einsenkungen und Brüchen. Auf diese Weise begann vor gut 235 Mio. Jahren der Riesenkontinent Pangäa zu zerbrechen. Einzelne dahintreibende Bruchstücke stießen von Zeit zu Zeit zusammen. Die dazwischen liegenden Meeresböden versanken und die aufeinanderstoßenden Erdteile verbanden sich. Zunächst wird die schwerere Ozeanische Kruste unter den gerammten Erdteil geschoben, wo sie nach und nach im heißen Erdmantel versinkt und aufgeschmolzen wird. Dabei hobelt die Unterkante des unterfahrenen Kontinents Teile aus der absinkenden Ozeanischen Kruste. Auch Tiefseesedimente wie Kalk-Schlämme und Sand- bzw. Tonsteine aus dem küstennahen Schelfmeer werden abgeschält und angehäuft. Diese Gesteinsmischung wird durch die enormen Schubkräfte gefaltet, in die Tiefe gedrückt, erhitzt, geknetet und wieder gehoben. Selbst der auflaufende Kontinent wird angegriffen und oft in zahlreiche Decken zerlegt. Da die stark verdickte Erdkruste an der Knautschzone anfangs in den schweren Erdmantel drückt, steigen die jungen Faltengebirge infolge Ausgleichsbewegungen allmählich nach oben und werden zu Hochgebirgen. Die Alpen und der Himalaya entstanden so. Bei der Alpenbildung stieß ein abgetrenntes Stück Afrika von Süden auf Alteuropa und ließ das Tethys-Randmeer, den Penninischen Ozean, verschwinden. In der starren Kruste Alteuropas wirkte sich die Kollision in Brüchen, Verwerfungen, Graben- und Horstbildungen, Aufund Abschiebungen aus. Wir können sie im Krummbachtal mehrfach beobachten. Diese Bruchschollenbildung ist typisch für die Landschaften Mitteleuropas. In etwa 50 Mio. Jahren wird der Afrikanische Kontinent das Mittelmeer, das Rote Meer und den Persischen Golf zusammenschieben; es werden sich dort neue Gebirgszüge gebildet haben.
Station 10: Krummbachtal III: Sandstein als Standortfaktor - Gerlingens Verkaufsschlager
Aufgelassene Steinbrüche
Zu beiden Seiten der unteren Krummbachtalstraße liegen aufgelassene Schilfsandsteinbrüche. Die Schichten sind um 4° nach Südosten geneigt. Die Gerlinger Steinbrecher des 19. Jahrhunderts mussten sich den begehrten Baustoff im Krummbachtal hart erarbeiten: Zunächst stand das Abräumen einer etwa 20 Meter starken, speckigen Tonschicht („Rote Wand“) und etlicher Meter tonreicher, nur in dünnen Schichten gelagerter Sandsteine an. Das Rot der tonigen Formation der Bunten Mergel weist auf ein trocken-heißes Wüstenklima hin. Auch gibt es kaum Spuren von Leben, dafür kleinere Gipsvorkommen. Man kann sich die Landschaft deshalb als sanftwellige Wüstengegend mit einzelnen Salztümpeln vorstellen. Herangewehter Staub ließ die kleinen Gewässer nach und nach verlanden. Schrägschichtungen und Strömungsrippel zeigen, dass der feine Ton teilweise auch von flachen, seichten Fließgewässern abgelagert wurde.
Tunnel, Brücken und Fassaden
Zunächst wurden im Gerlinger Wald und auf der Heide nur Steine für den Eigenbedarf sowie für Haus- und Straßenbau gebrochen.
Sandstein war ein beliebtes Material für Futterund Brunnentröge, Mühlsteine und Straßenbegrenzungen. Im unteren Krummbachtal, im Forchenrain und im Füller grub man nach den feinkörnigen Schilfsandsteinen. Bereits im 18. Jahrhundert wurden Gerlinger Steine für die Ludwigsburger Stadtmauer verwendet. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie von Stuttgart nach Heilbronn in den Jahren 1844 bis 48 vervielfachte sich die Nachfrage schlagartig: Gerlingen lieferte Sandsteine zum Beispiel für den Feuerbacher Tunnel und das Bietigheimer Enztal-Viadukt. Nach den Eisenbahnbauten erlebte Stuttgart einen Bauboom: Gerlinger Sandstein schmückt noch heute repräsentative Fassaden, wie zum Beispiel die des Marienhospitals und vieler Häuser im Stuttgarter Westen.
Für die gute Stube
Auch nach lockerem Sand wurde überall im Wald und auf der Gerlinger Heide von jedermann geschürft. Er entstand durch die oberflächliche Verwitterung der anstehenden Stubensandsteine. Dieser Sand eignete sich für Mörtel und vor allem – daher auch der Name Stubensand – ausgezeichnet als Fegsand für Holzfußböden. Gerlinger Sandhändler waren deshalb auch bei der Stuttgarter Bürgerschaft geschätzt.
Tagelöhner im Streit
Steinbrecher und Steinhauer arbeiteten überwiegend im Taglohn. Für die Kleinbauern Gerlingens war dies eine zusätzliche Erwerbsquelle. Vor allem zu Beginn des Steinabbaus gab es viel Streit: Häufig wurde im „Claim“ des Nachbarn gewildert oder dort der eigene Abraum entsorgt. Auch die Instandhaltung der Wege war ein Problem: Die schweren Steinfuhren machten sie für die folgenden Gespanne oft unpassierbar.
Station 11: Stadtzentrum I: Im Windschatten von Glemswald und Engelberg - Gerlingen am Fuße der Keuper-Schichtstufe
Die Keuperberge und das Strohgäu
Die Stadt Gerlingen liegt am Fuße des Glemswalds und des Engelbergs. Dieser Höhenzug ist eine Geländestufe des württembergischen Keuperberglands und gehört zum Südwestdeutschen Schichtstufenland. Nördlich der Stadt erstreckt sich die flachwellige Strohgäuebene. Dort ragen der Asperg und das Weinanbaugebiet um den Stromberg aus der sanft welligen Landschaft. Sie sind Zeugenberge und zeigen, wie weit das Keuperbergland in früheren Zeiten reichte. Weitere markante Formationen des Südwestdeutschen Schichtstufenlandes sind im Osten der Albtrauf, eine Weißjurastufe der Schwäbischen Alb (blau), in westlicher Richtung die Muschelkalkstufe (lila), und noch weiter westlich im Nordschwarzwald die Buntsandsteinstufe (braun).
Die Schichtstufen erwuchsen aus der Schräglage
Das typische Landschaftsbild Baden-Württembergs konnte nur entstehen, weil die ehemals horizontal abgelagerten Sedimentschichten aus ihrer ursprünglichen Lage heraus schräg an die Oberfläche drangen und dort unterschiedlich schnell verwitterten: Harte Kalk- und Sandsteinbänke der Trias- und Jurazeit hielten länger stand als weiche dazwischen liegende Mergelschichten, die Hänge bilden.
So entstand das charakteristische Relief
- Vor mehr als 250 Mio. Jahren ebneten Wind und Wetter die hohen Gebirgsketten ein, die zuvor als Varistisches Gebirge das heutige Mitteleuropa durchzogen hatten.
- Nun war Europa eine flache, abflusslose Mulde: das Germanische Becken. Hineinströmende Flüsse brachten Sand und Kies, Winde bliesen Feinstaub herbei, und zeitweise ließen Meeresüberflutungen Kalk-, Dolomit- und Gipsbänke zurück. So füllte sich das Becken mit Sedimenten. Sie erhärteten zu Schichtgestein.
- Tektonische Kräfte aus dem Erdmantel beulten das Gebiet des heutigen Oberrheintals kuppelartig aus: Die einst horizontal abgelagerten Schichten gerieten in Schräglage.
- Seitliche Dehnungsbewegungen in der Erdkruste ließen vor etwa 40 Mio. Jahren die Kuppel zum heutigen Oberrheingraben einsinken.
- Seither präparieren Verwitterung und Abtragung die charakteristischen Stufen der Schichtstufenlandschaft heraus.
Station 12: Stadtzentrum II: Das geologische Fundament von Gerlingen - Die Schichtlagen der Keuperzeit
Spaziergang durch die Erdgeschichte
Gerlingens geologischer Untergrund stammt aus der Zeit der Oberen Trias, der Keuperzeit. Sie begann vor etwa 232 Mio. Jahren und dauerte bis vor ca. 205 Mio. Jahren. Das älteste Gestein hier ist Oberer Muschelkalk im Glemstal. Steigt man vom Glemstal im Süden auf, überschreitet man Reste des Lettenkeupers, dann die darüber liegenden Gipskeuperschichten sowie den Schilfsandstein, später die Unteren und Oberen Bunten Mergel mit schwach ausgebildetem Kieselsandstein, bis man schließlich auf Gerlingens Höhe den Stubensandstein erreicht. Am Hangfuß breitet sich nach Norden die fruchtbare Strohgäulandschaft aus.
Das Strohgäu
Seine hervorragenden Eigenschaften zum Ackerbau verdankt das Gebiet dem Löss: Ein eiszeitliches, staubförmiges Sediment, das der Wind aus dem Oberrheintal heranwehte. Regen und Schneewasser lösten Kalk aus dem Löss heraus. So entstand der Lösslehm: ein ausgezeichneter Ackerboden. Denn wer durchs Strohgäu spaziert, sieht anspruchsvolle Kulturen wie Weizen, Gemüse und Zuckerrüben. Unter dem Lösslehm stehen wieder Lettenkeuper und Muschelkalk an wie im Glemstal südlich von Gerlingen.
Entstehung der Gesteine
Die Ablagerungen der Keuperzeit bestehen aus Bunten Tonsteinen (Mergel), die leicht zu Scherben und Splittern zerfallen, fein- oder grobkörnigen Sandsteinen und gelegentlichen Kalk- und Dolomitsteinbänkchen. Der Sand, aus dem die Sandsteine im Gerlinger Raum bestehen, hat vielerlei Herkunft: Flüsse transportierten ihn teilweise vom Skandinavisch-Baltischen Raum, teilweise vom Böhmischen Massiv sowie von einem längst abgetragenen, hiesigen Bergland, dem Vindelizischen Land im heutigen bayerisch-österreichischen Raum, bis hierher. Während der Ablagerungszeit herrschte subtropisches Wüstenklima: Extrem lange Trockenperioden wechselten mit unregelmäßig wiederkehrenden, heftigen Wolkenbrüchen. Die großen Wassermassen schafften den Sand hierher. Beruhigte sich das Wasser, konnten sich auch feine Tonteilchen absetzen. In den Trockenzeiten schieden sich in den zahlreichen Binnenseen Gips, Kalk- und Dolomitsteinbänke aus. Denn die Salzkonzentration des Wassers nahm infolge hoher Verdunstung zu. Gelegentliche Meereseinbrüche sorgten für Nachschub von Mineralien.
Infomaterialien
Gerlingen
Faltblatt „Geologische Besonderheiten in Gerlingen“
Gerlingen
Infotafeln „Geologische Besonderheiten in Gerlingen“