Kurhotel Kniebis-Lamm

Kniebis-Hütte und Besucherzentrum Schwarzwaldhochstraße (früherer Standort des „Lamm“) im Juni 2023

´s Lamm auf dem Kniebis

 

Geschichte eines Hotels

1830-1984

 

„Der Kniebis und ’s Lamm, die gehören zusamm”

So stand es an der Wand der behaglichen Bauernstube in dem bekannten Kurhotel „Kniebis-Lamm“. Im Jahre 1984 ist dieser Spruch im Zuge des Hotelabbruchs für immer verschwunden. Wir möchten Ihnen die Geschichte dieses Traditionshauses soweit möglich in einer Zusammenfassung nahebringen.

Im Jahre 1830 wurde das Lamm durch den Wirt Epting, der davor Besitzer des „Grünen Baumes“ war, erbaut. Die Entstehung der Gastwirtschaft zum Lamm geht auf das Jahr 1833 zurück. Rast- und Unterkunftsstätte in unwirtlicher, rauer Gegend war das Lamm einstmals Wegstation und willkommener Halt für Gespanne, die vom Christophstal bei Freudenstadt damals sechs- und mehrspännig heraufkeuchten. Hier trafen sich die Menschen von hüben und drüben, vom Schwäbischen und Badischen, Wanderer, Hausierer, Krämer, Kienruß- und Harzhändler, Siebmacher, Jäger und Förster. Oftmals stiegen auch Truppen ab, da der Kniebis strategisch immer von Bedeutung war.

1878 ging das Gasthaus in den Besitz der Familie Gaisser über. Als Pionierleistung konnte man den Bau einer eigenen Wasserleitung im Jahre 1896 bezeichnen. Diese hatte eine Länge von 1.100 Metern bei 99 m Steigung.

Im Jahre 1912 erfolgte dann der entscheidende und bedeutsame Umbau. Nach Plänen von Prof. Bauder wurde ein neuzeitliches, mit Zentralheizung und elektrischem Licht versehenes Anwesen erstellt. Aus dem Gasthof zum „Lamm“ wurde damit das Höhen- und Kurhotel „Kniebis-Lamm“ – viel bestaunt wurden im Winter die ersten Skiläufer.

Blättern wir in den alten Geschichtsbüchern, aus den Jahren um 1878, so stoßen wir auf eine beträchtliche Zahl von Vertretern der damals führenden Fürstenhäuser Deutschlands, die gerne zur Auerhahnjagd im gastlichen Kurhaus Kniebis-Lamm weilten. Zu lesen sind Namen von Herzögen, Freiherren, Grafen, Fürsten, ja sogar von Prinzen und Königen. Bei einer Beschreibung des Hotels „Kniebis-Lamm“ darf auch der als „dr alt‘ Ranzeblitz“ bekannte Lamm Wirt Karl Gaisser nicht vergessen werden. Er führte das Hotel von 1878 bis 1916 und mit folgendem Verslein wurde ihm durch den damaligen Amtmann und späteren Staatspräsident Bazille als einer weitbekannten Persönlichkeit und dem ganzen Kniebis ein bleibendes Denkmal gesetzt.

 

Bald schlägt mit dumpfen Tönen

Die trübe Stunde mir.

Wo mich und meine Habe

Das Räss/ein fährt von hier.

Wem gilt das letzte Verschen

Der letzte Reim und Witz?

Dir, Blüte aller Wirte,

Herrlicher Ranzenblitz!

 

Es steht auf stolzen Höhen

Ein Gasthof wunderbar,

Der noch vor wenigen Jahren

Eine Fuhrmannskneipe war.

Der ist in deutschen Landen,

Allüberall bekannt.

Nach seinem Schilde wird er

Das Kniebis-Lomm genannt.

 

In seinen stolzen Hallen

Kehrt mancher Wandrer ein

Und schlürft in seinem Schatten

Den wohlverdienten Wein.

Und wenn er nach dem Mahle

Dann will alleine sein,

So nimmt in seinen Frieden

Der nahe Wald ihn ein.

 

Doch in das Waldes weben

Ein rauher Ton bald schlägt,

Der ihn aus süßen Träumen,

Aus süßer Ruhe weckt.

Er hört ein wildes Fluchen,

Viel Grobheit, wenig Witz.

Das ist der Wirt zum Lamme

Der edle Ranzenblitz.

 

Nimm einen Zentner

Grobheit

Und den verschlagnen Sinn,

Der überall erspähet

Den goldenen Gewinn,

Nimm noch die

Arbeitsfreude,

Ein Herz und etwas Witz:

Dann hast Du, wie er lebet,

Den edlen Ranzenblitz.

 

Des Alkoholes Feinde

Sind seine Feinde auch.

An Bier und Wein zu sparen,

Das ist bei ihm nicht Brauch.

Jedoch wenn einer säufet,

Bis er nicht mehr kann

stehen,

Sagt er mit holdem Lächeln:

Leb wohl! Auf Wiedersehen!

 

So schaltet und so waltet

Er als ein ganzer Kerl.

Längst würdig für die

Woche“

Des großen August Scherl.

In ihr sich zu beschauen,

Ist Lebens höchste Spitz.

Mögst bald du sie

erklimmen,

Du edler Ranzenblitz.

 

1921 übernahm Karl Gaisser jun. mit seiner Frau die Leitung des Hauses. Sie haben den Hotelbetrieb tatkräftig weitergeführt und weiter ausgebaut, so dass das Haus nicht nur von vielen Inländern, sondern auch von zahlreichen Besuchern aus dem Ausland zum Ferienaufenthalt gewählt wurde.

Karl Gaisser jun. starb bereits 1927. Danach führte die „Alt-Lammwirtin“ und deren Schwiegertochter das Geschäft fort. Sie leitete unter kräftiger Mithilfe ihrer Geschwister den immer größer werdenden Betrieb. Nach dem Tod der Alt-Lammwirtin 1938 brachte die Schwiegertochter, Luise Gaisser geb. Müller, das Anwesen durch alle Wirren der letzten Kriegs- und Nachkriegsjahre hindurch. Dabei unterstützt wurde sie von ihrer Tochter Else-Rose. Der einzige Sohn, Karl Gaisser, war Soldat und geriet in Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr 1947 übernahm er das „Kurhotel Kniebis Lamm“, das er nach neusten Erkenntnissen modernisierte und dem damaligen, stark anwachsenden und anspruchsvolleren Fremdenverkehr in jeder Beziehung angepasste.

1949 verheiratete er sich mit Ingeborg, geb. Roth. Gemeinsam haben beide dazu beigetragen, dass das Hotel um einige Errungenschaften bereichert wurde und somit der gute Ruf des Hauses weiterhin gewahrt blieb.

2009 entstand, fast an derselben Stelle, an der einst das Hotel Kniebis-Lamm stand, ein neues Gebäude: das Besucherzentrum Schwarzwaldhochstraße und die Kniebis-Hütte, ein wunderbares Zusammenspiel aus städtischem und privatwirtschaftlichem Engagement, gefördert mit den Mitteln der Europäischen Gemeinschaft.

 

Geschichten aus dem Kniebis-Lamm

Eines Tages kam ein Mann ganz außer Atem zum Lamm, verfolgt von einem Gendarmen. Aufgeregt rief er zur Lammwirtin: „Resle, mach schnell uff ond laß mi nei!“

Dies geschah und der Mann verschwand durch die Hintertüre im „Badischen“, und war somit der Zuständigkeit der württembergischen Gendarmen entkommen.

(Anzumerken ist, dass das Lamm auf der Landesgrenze zwischen Baden und Württemberg stand.)

Um 1906 verweilte der württembergische König Wilhelm II zur Auerhahnjagd im Hotel Kniebis-Lamm. Er kam mit einem Sonderzug in Freudenstadt an, wo ihn der „Ranzenblitz“ bereits mit seiner Kutsche erwartete. Da der Lamm-Wirt viel zu früh am Bahnhof eintraf, verbrachte er die Wartezeit in einer Gaststube und trank ein paar Gläschen zu viel. Der König verfrachtete den „angetrunkenen Ranzenblitz“ im hinteren Teil der Kutsche und übernahm selbst die Zügel auf dem Kutschbock. Auf dem Kniebis erwartete sie dann ein großer Empfang mit rotem Teppich, doch beim Öffnen der Kutschtüre, „hagelte nur der besoffene Wirt“ dem Empfangskomitee entgegen. Der König selbst wurde auf dem Kutschbock kaum wahrgenommen.

Den Namen „Ranzenblitz“ erhielt der Lamm Wirt Karl Gaisser der Überlieferung zufolge durch folgende Begebenheit:

Der württembergische König war zu Gast im Lamm und Karl Gaisser setzte dem König gerade das Fleisch zum Essen vor, als ihm unversehens ein lauter Wind entwich. „Potz, Ranzenblitz, Majestät“ soll der erschrockene Wirt gestammelt haben, „ich dachte, er käme leiser“. Über diesen Nachsatz gehen die Meinungen auseinander, er könnte auch gelautet haben: „ich konnte ihn net verhebe“.

Wie dem auch sei, der Name „Ranzenblitz“ blieb ihm und seinen nachfolgenden Wirten erhalten.

Nachdem der König im Hotel Lamm zur Jagd war, fragten viele neugierige Touristen: „Ist das hier, wo der König war?“. Der Lamm Wirt antwortete dann stolz: „Ja, an diesem Tisch hat er gesessen und oben im schönsten Zimmer geschlafen.“ Darauf wollten natürlich viele in dem Zimmer übernachten, in dem schon der König genächtigt hatte. Der „Ranzenblitz“ witterte ein gutes Geschäft und verkaufte auf diese Weise alle seine Zimmer als das, in dem der König genächtigt hatte.

 

Textquelle: Infobroschüre im Besucherzentrum Schwarzwaldhochstraße, neben der Kniebis-Hütte (Juni 2023)

Harz- und Pechfabrik J. G. Müller

Früherer Standort der Harz- und Pechfabrik (Parkplatz mit Bushaltestelle Löcherberg am 08.07.2023. Auf der gegenüberliegenden Straßeseite (weißes Gebäude) das ehem. Gasthaus Pflug.

An der Parkfläche bei dem kleinen Wartehäuschen befand sich ca. bis 1970 die letzte Harzfabrik des Renchtals und wohl des Schwarzwalds überhaupt.

Im Jahr 1964 hatte H. Schlosser den folgenden Bildbericht verfasst, der über ein verschwundenes heimisches Gewerbe Auskunft gibt:

„In einer vertraut alten Frakturschrift steht seit Jahrzehnten an einem Schuppen die im Bild (1) zu lesende Inschrift mit der liebenswürdigen Übertreibung, dass sich hier eine „Fabrik“ befinde, die Harz und Pech herstellt.

Nun – in der Tat gibt es sie noch. Aber nur noch wenige Tage im Jahr!

Und was man früher als „Fabrikbetrieb“ bezeichnete, entpuppt sich bei Bernhard Huber, der mit seiner Mutter auch das gegenüberliegende „Gasthaus zum Pflug“ betreibt (Bild 2), als ein rein handwerkliches Gewerbe, so, wie es seine Vorfahren bereits vor 150 Jahren in größerem Umfang ausgeübt haben. Was heue davon übrig blieb, ist die Tatsache, dass Bernhard Huber, unterstützt von seiner Familie, als einziger weit und breit noch das für Baumschulen und Obstbauern wichtige Zweigharz und für die Metzger das sogenannte Brühharz herstellt. Alle anderen Spielarten der Harz- und Pechherstellung hat heute weitgehend die chemische Industrie übernommen, die auf der Kohlenwasserstoffbasis mittels Katalysatoren alle Kunstharze (und auch das dabei anfallende Terpentin) herstellt. Die Kunstharze übertreffen oft für bestimmte technische Verwendungszwecke die natürlichen und sind auch mengenmäßig leichter herzustellen. Im Schwarzwald, wo früher die Harzgewinnung eine große Rolle spielte, ist sie fast ausgestorben. Nur in Österreich, wo die Alpen zum Wiener Becken hin abfallen und große Kiefern- und Schwarzföhrenwälder stehen, hat die sogenannte Balsamharzgewinnung noch eine größere Bedeutung. Die sehr aufwendigen Methoden des Anzapfens sind verschieden und verlangen auch für die Lebenserwartung der Bäume ganz bestimmte Voraussetzungen. Das Harz, das beim Anschneiden des Baumes austritt, ist ein Gemenge von organischen Verbindungen, wie Harzalkoholen, Harzestern, Harzsäuren und vor allem von ätherischen Ölen, denen es seinen aromatischen Geruch verdankt.

Kommt es zu einem bis zum Splintholz vorgreifenden Einschneiden des Baumes (Bild 3), so tritt aus den dicht beieinander liegenden Harzkanälen das Harz aus, verschließt die Wunde oder fließt in den darunter angebrachten Auffangtopf. Man bezeichnet das Einschneiden des Baumes auch als „Anpechen“. Pro Jahr und Baum rechnet man im günstigsten Fall mit einem Ertrag von etwa 4 kg. Es kommen dabei nur Bäume mit mindestens 30 cm Durchmesser in Frage. Bei entsprechender Schonung kann ein Baum 20 bis 30 Jahre „angepecht“ werden.

In unserem Falle bezieht Bernhard Huber das eingeschmolzene Baumharz in 250 kg Fässern aus den USA, da in Europa die wenigen Naturharzgewinner diese selbst verarbeiten. In solchen Fässern (Bild 4) wird das Harz aus den Vereinigten Staaten über eine Großhandelsfirma nach dem Renchtal importiert. Es ist ungereinigt eingeschmolzen und muss wieder zerkleinert werden und erneut verflüssigt werden.

Nur in den Kriegsjahren hatte man eine bescheidene Eigengewinnung im Schwarzwald eingerichtet, die aber sofort wieder eingestellt wurde, als Importe zur Verfügung standen.

Baum- (Zweig-) harz und Metzger- (Brüh-) harz sind dagegen die gern verwendeten Produkte der jährlich nur wenige Tage in Anspruch nehmenden Harzveredlung, die uns am Löcherberg heute noch begegnen.

Das Importharz wird in zerkleinertem Zustand gemahlen (Bild 5) und in dem großen, alten Heizkessel gekocht, bis es dünnflüssig wie Wasser geworden ist. In diesem Kessel (Bild 6) haben schon Bernhard Hubers Vorfahren Harz gekocht.

Die flüssige Harzmasse wird in einen Bottich mit heißem Wasser ausgeleert (Bild 7), wo sie wieder die knetartige Konsistenz annimmt, mit der sie ursprünglich aus der Anschnittwunde herausgetreten ist. Die Masse wird in dem Bottich gewaschen und geknetet, bis sie völlig sauber ist (Bild 8 und Bild 9).

Die auf dem Bottichrand geknetete Harzmasse glänzt hellgolden und erinnert daran, dass auch der zu den verschiedensten Schmuckarten verarbeitete Bernstein nichts anderes ist als versteinertes Baumharz (oft mit Tiereinschlüssen) von vor Jahrtausenden untergegangenen Wäldern.

Als man früher noch eigenes Harz direkt vom Baum verwendete, in dem sich auch viel verkrustetes Scharrharz und Kiefernadeln befanden, verkaufte man das Brühwasser als Badewasserzusatz nach Bad Peterstal und Oppenau.

Die oben beschriebene Prozedur erzeugt Brüh- und Zweigharz. Das Brühharz, das auch Metzger- oder Wurzelharz genannt wird, ist dunkler.

In verschiedenen Gewichtsmengen noch warm abgepackt (Bild 10), erstarrt das regenerierte Harz, bis es zur eigentlichen Verwendung vom Obstanbauer wieder portionsweise erwärmt und weichgemacht wird.“

Text und Fotos von: H. Schlosser

 

Nachtrag: Dieser Betrieb wurde um 1970 eingestellt und das „Fabrikgebäude“ wurde abgerissen.

Sandsteinblock mit dem Schriftzug der alten Harz- und Pechfabrik (Bushaltestelle Löcherberg am 08.07.2023).

Bergbau in Aitern

Das 12. Jh. brachte dem Silberbergbau im Südschwarzwald einen bedeutenden Aufschwung, der sich nicht allein in der Intensivierung in bereits bekannten Revieren, sondern auch im Angriff auf bisher unbekannte oder ungenutzte Lagerstätten im lnneren des Gebirges, z.B. auf der Belchen-Ostseite, bemerkbar machte.

Auf der Ostseite des Belchen waren im Gefolge der landwirtschaftlichen Erschließung der inneren Schwarzwaldtäler in der Schönauer Mark, die das gesamte obere Wiesental umfasste, Erzvorkommen aufgespürt worden, unter ihnen der „Aiterberg“ und der bedeutendere „Schönenberg“ nahe Schönau als dem zentralen Ort. Ihre Entdeckung scheint noch ins 12. Jh. zurück zu reichen. Es darf angenommen werden, dass das ältere Bergbauzentrum auf der Münstertäler Belchenseite über die zwar steile und beschwerliche, aber doch auch nahe Verbindung des Saumweges über die Krinne bergmännische Entwicklungshilfe im neu entstandenen Revier geleistet hat.

Verhältnismäßig geringe Reste alter Tagbaue zeigen, dass im Aitertal vor der um 1300 einsetzenden Bevorzugung des Stollenbaues (statt der älteren Tagschächte) wenig gearbeitet worden ist. Um so mehr künden die an der Letzberghalde (Schönenberg) hinaufziehenden tiefen Verhaue vom Alter und Umfang dieser zeitweiligen Hauptgrube des oberen Wiesentals.

Im frühen 14. Jh. wurde am Aiterberg der oberste Tagstollen aufgefahren. Im Zeichen der Hochkonjunktur des Silberbergbaus, den 1330-er und 1340-er Jahren, fanden sich bei Aitern zwei Ansätze, nämlich ein 12 m langer Stollen auf dem ca. 400 m oberhalb des Komplexes Aiterberg streichenden Erzgang bei der Aiterer Säge mit Spuren von Eisen- u. Schlägelarbeit, der aber auch der Zeit um 1500 zugerechnet werden kann,  ferner ein durch Flussspatgewinnung im 20. Jh. beseitigter etwa l0 m tiefer Stollen auf dem Erzgang Aitern – Nord auf der Gegenseite des „Aiterbergs“.

Das westliche Vorfeld des Belchenmassivs zählt zur ältesten Bergbauprovinz des Schwarzwaldes. Anlässlich der Überlassung des königlichen Silberzehnten durch Konrad II. an den Bischof von Basel im Jahre 1028 wird die beträchtliche Ausdehnung des auf Blei und Silber angesetzten Reviers von Badenweiler über Sulzburg bis ins Münstertal hinein erkennbar.

Aber schon die Römer waren im 2. Jh. auf die silberhaltigen Bleierze aufmerksam geworden und hatten diese nachweislich bei Badenweiler und Sulzburg abgebaut. Ihnen waren vermutlich auch die Erzlagerstätten am Westhang des Münstertales und beim Etzenbach bekannt.

Die fortschreitende Besetzung der rechtsrheinischen Lande durch die Alemannen nach dem Fall des Limes (um 260) brachte sicher den bergbaulichen Aktivitaten ein vorläufiges Ende. Doch hatten die Eindringlinge wohl Kunde vom Bergbau, da seine Spuren noch einige Zeit sichtbar gewesen sein müssen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass spätestens im 9. Jh., also noch in fränkischer Zeit, das alte Grubengebiet im weiteren Vorland des Belchen wieder entdeckt und erneut abgebaut worden ist.

Im Aitertal befand sich eine Schmelze. Als standortgünstig  bot sich der Aitergrund unterhalb von Multen wegen des Holz- und Wasserreichtums an. Der Name Eisenbläue scheint auf das Schmelzwerk hinzudeuten, dem damals bzw. im weiteren Verlauf des 14. Jh. eine Hammerschmiede beigestellt war.

Um 1396 wurde mit einer neuen Konzession am Aiterberg ein Bergmann aus Todtnau belehnt, wobei es sich vielleicht schon um den Beginn des Tiefstollens am Aiterbach selbst bei der ehemaligen Sägemühle (heute über dem Bach bei der Info – Tafel in Ortsmitte) handelte. Diese Grube dürfte einige Zeit bis ins 15. Jh. hinein betrieben worden sein.

Dieser Periode gehören auch die bereits 1780 ganz verfallenen beiden oberen Stollen mit ihren beträchtlichen Halden an, deren geringe Saigerabstände voneinander darauf hinweisen, dass sie vor dem 16. Jh. begonnen worden sind.

Nach wohl längerer Pause müssen etwa um 1500 die vielleicht schon früher (1396 ?) angesetzten Arbeiten an einem Tiefstollen bei der Aiterer Mühle zur Unterteufung der alten Stollen und Verhaue durch eine neue Gewekschaft wieder aufgenommen worden sein, die zwischen 1520 und 1523 wieder abgebrochen wurden. Man war von der Bachseite her einer kleineren querenden Kluft gefolgt und dann nach etwa 40 m auf den Hauptgang nach rechts eingeschwenkt, wobei man das Feldort auf insgesamt 190 m vorantrieb.

Im 18. Jh. setzte eine neue Bergbauepoche ein, sodass auch kleinere Versuche auf der Ostseite des Belchens begannen. 1770 untersuchten Tiroler Schurfhäuer Erzgänge am Rollspitz sowie einen „Achatgang“ bei Multen. 1777 erfolgte die Mutung und Belehnung des Suckentaler Obersteigers Joseph Ortlieb mit der alten Grube in Aitern, die später als St. Georgi-Stollen bezeichnet wird.

1780 wird von zwei großen Schächten in der Höhe und zwei darunter liegenden verfallenen höheren Stollen, sowie dem am Aiterbach bergwärts getriebenen Tiefstollen berichtet.

1805, nach über 400 Jahren Österreichischer Berghoheit, wird der St. Georgi-Stollen in Aitern noch als aufgelassen in den Befahrungsberichten aufgeführt. Danach beginnt die Zugehörigkeit zum Großherzogtum Baden.

Zwei Bürgern aus Schönau (Pankraz Thoma und Friedrich Schnabel) kommt der Verdienst zu, unter persönlichen Opfern den Tiefstollen (ehemals Georgi-Stollen) aufzuschliessen und seine Abbaumöglichkeit zu sondieren. Nach 3 Jahren erfolgte die bergamtliche Befahrung, deren günstiges Urteil am 15.02.1821 zum „Aufstand über die Grube Ludwig bei Aitern“ führte. Der Grubenname galt dem seit dem 8.12.1818 regierenden Großherzog Ludwig I von Baden. Über den ja erst Ende des 18. Jh. aufgewältigten Stollen wird geurteilt:

„Hier ist ebenfalls ein bloser Stolle getrieben und über den Stollen liegen die Abbaue auf Erz. Auch diese stehen noch völlig als gestern verlassen vorgerichtet da. so dass gleich zur Gewinnung von Erzen geschritten werden kann“. Die örtliche Gegebenheit zum Bau von Foche und Waschwerken sei bestens. Unterhalb am Aiterbach hätten die beiden Schürfer eine Matte gekauft. Der Aiterbach biete “ hinlänglich Aufschlagwasser für ein sehr beträchtliches Pochwerk… „.

Die Hoffnung auf Bildung einer Gewerkschaft erfüllten sich jedoch nicht, noch wurde dem Antrag auf Übernahme in staatliche Regie entsprochen. 1824 musste die Matte am unteren Aiterbach zur Schuldenabdeckung wieder verkauft werden.

Ab 1868 arbeitete die Grube „Ludwig“ ernsthafter, war jedoch 1880 nicht mehr belegt. Die wenig reichhaltigen Erze waren bei den bestehenden Blei- u. Silberpreisen nicht mehr mit Gewinn auszubeuten.

Gegen Ende der großherzoglichen Zeit kam es dann erstmals zu einem kleineren, auf Flussspat gerichteten Unternehmen durch die Grube „Pfingstsegen“ zwischen Aitern und Multen, welches im Juli 1918 begonnen wurde.

Im 20. Jh. orientierte sich der Bergbau im Belchengebiet wie auch allgemein im Schwarzwald in erster Linie an Flussspat und Schwerspat, deren wirtschaftliche Bedeutung erst seit Mitte des 19. Jh. erkannt worden ist. Als sich bald weitere Mineralien zeigten, beantragte man eine weitere Verleihung auf Kupfer-, Arsen-und Bleierze (1919), später auf Blei- und Zinkerze (1921). 1918 waren hier 8 Mann beschäftigt.

1919/1920 wurde mit einem 45 m langen Versuchsstollen auf Flussspat auf der südlichen Talseite unterhalb Aiterns begonnen.
1923 erfolgte die Stillegung von „Pfingstsegen“ wegen unbefriedigender Flussspat-Förderung.

Auf der nördlichen Talseite von Aitern wurde der im Mittelalter nur kurz angeschnittene Gang Aitern-Nord 1941 durch die Gewerkschaft Finstergrund aufgefahren und bis 1944 mit einem etwa 160 m tiefen Stollen angegangen. Bei ca 100 m teufte man einen Blindschacht ca. 40 m ab und baute auf einer tieferen Sohle etwa 25 m nach Norden und 60 m nach Süden hin ab.

In den frühen 1970-er Jahren unternahm die Gewerkschaft Finstergrund Probebohrungen auf der Höhe zwischen Aitern und Rollsbach („Auf den Winden“).

Darstellung von Bergleuten im „Tulenhauptfenster“ des Münsters in Freiburg i. Br., um 1330/40. Das Fenster ist nach den Stiftern benannt, die Benennung „Dieselmuot“ auf den Fenstern bezieht sich auf den gleichnamigen Bergbau am Schauinsland.

Die Infotafeln am Stolleneingang

Textquellen

Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Rudolf Mathä. VIELEN DANK.

Bergbaurevier Wieden mit den Flussspat-Schwerspat-Gruben Finstergrund, Anton und Tannenboden

Bergbaurevier Wieden mit den Flussspat-Schwerspat-Gruben Finstergrund, Anton und Tannenboden

INHALT

Einführung

Beschaffenheit und Inhalt der Mineralgänge bei Wieden

Raumlage und Nebengesteine

Mineralisationsabfolge am Beispiel des Finstergrund-Ganges

Kurzfassung für die geologische Entwicklung des Finstergrund-Gang und seiner Rahmengesteine

Verwendete und weiterführende Schriften

Von Dr. Wolfgang Werner, Ebringen

In einem der landschaftlich schönsten Gebiete des Schwarzwalds liegt das Bergbaurevier Wieden-Todtnau (Abb. 1), das durch eine große Zahl überwiegend Nord–Süd verlaufender, oft Kilometer langer, Fluorit und Baryt reicher Mineralgänge gekennzeichnet ist. Für den modernen Spatbergbau waren vor allem die Gänge Anton, Tannen­boden und Finstergrund sowie Brandenberg und Fahl von Bedeutung. Neben den genannten Gruben gab es im 19./20. Jh. weitere 15 zeitweise betriebene Bergwerke oder Untersuchungsgruben.

Abb. 1 (a): Die Landschaft im Bergbaurevier Wieden-Todtnau ist durch zahlreiche Täler und bis über 1200 m NN reichende markante Höhenzüge sowie den lebhaften Wechsel von Wäldern und Weiden gekennzeichnet, in die kleine Ortschaften eingestreut sind. Blick in südliche Richtung vom Wiedener Eck (+ 1035 m NN) auf die Ortschaft Wieden. Im Bildhintergrund, vor der fast geschlossenen Waldfläche, das Ost–West-verlaufende Finstergrundtal. (Foto: Wolfgang Werner)

Abb. 1 (b): Blick vom Todtnauer Wasserfall (Fallkante: + 935 m NN) Richtung oberes Wiesental. (Foto: Wolfgang Werner)

Fluss- und Schwerspat sind nicht nur ästhetisch schön, sie sind in unserer Gesellschaft für zahlreiche industrielle Einsatzbereiche auch unverzichtbar. Die Gänge im Revier Wieden–Todtnau sind zur Tiefe hin noch nicht untersucht worden; die Alten beendeten ihre Such- und Abbauarbeiten mit Erreichen des Grundwasserspiegels. Wie andernorts im Schwarzwald – aktuell bei Pforzheim – könnten auch bei Wieden eines Tages wieder Fluss- und Schwerspat abgebaut werden.

In einem der größten Bergwerke dieses Gebiets, dem seit 1982 für Besucher zugänglich gemachten Flussspat-Bergwerk Finstergrund, können die Vielgestaltigkeit und Schönheit der Mineralgänge (Abb. 3) sowie der historische Spatbergbau in besonders eindrücklicher Weise „erlebt“ und erläutert werden. Aufgrund der guten und in vielen Bereichen leichten und sicheren Zugänglichkeit fanden in den letzten Jahren auf dem Finstergrund geowissenschaftliche Untersuchungen statt, die weiteren Einblick in ein spannendes Kapitel der Schwarzwald-Geologie geben; aus mehreren Bergwerken in unmittelbarer Nähe (Tannenboden, Anton, Grube Auf den Halden usw.) liegen ergänzende Daten und Gesteinsproben vor.

Rund 400.000 Besucher aus ganz Deutschland und den Nachbarländern konnten das Bergwerk Finstergrund bislang besuchen. Mit der im Schwarzwald einzigen Grubenbahn wurden und werden alle Gäste sicher in und aus dem Berg befördert (Abb. 2). Somit ist der Finstergrund bei Wieden ein Besuchermagnet im Biosphärengebiet Schwarzwald

Abb. 2: Charakteristikum und Alleinstellungsmerkmal des Besucherbergwerks Finstergrund: Mit der elektrischen Grubenbahn werden die Besucher über den alten Hauptförderstollen (Stollen 5) sicher in den Besucherrundgang befördert. (Fotos: Wolfgang Werner).

Abb. 3: Beeindruckend nicht für Geowissenschaftler und Mineraliensammler: Unter Tage eröffnet sich dem Besucher die vielgestaltige Welt der auf den Hydrothermalgängen auskristallisierten Minerale. Im Bild ein typisches Gangstück aus dem Werner IV-Gang im Besucherbergwerl Finstergrund, bestehend aus vielfarbigem Fluorit, weißem, strahligem Baryt und Erzen von Blei, Zink und Kupfer (kleine, schwarze Kristalle). Bildbreite entspricht 10 cm. (Foto: Wolfgang Werner)

Abb. 4: Freunden schöner Minerale sind die Fluss- und Schwerspatgänge bei Wieden bestens bekannt. In den häufigen, oft großen Drusen konnten zahlreiche verschiedene Kristalle frei, d. h. ohne Behinderung durch andere Minerale wachsen. Das Beispiel zeigt durchscheinende Cerussitkristalle neben hellgelben Fluoritwürfeln aus der Grube Tannenboden (Foto: Hansjörg Becherer).

Abb. 5: Blick in eine Förderstrecke der Grube Tannenboden mit den Türstöcken und Erzrollen aus der letzten Bergbauphase in den 1960er Jahren. Eine Zielsetzung des Bergmannsvereins Wieden ist, diese Industriedenkmäler zu erhalten und zu dokumentieren, wo immer dies noch möglich ist. (Foto: Wolfgang Werner)

Abb. 6: Typisches geometrisches Verhältnis zwischen Gneisfoliation und Mineralgängen in der Grube Finstergrund. Stehen beide senkrecht aufeinander, kann sich die Störung zur Spalte öffnen; verlaufen beide etwa parallel, so gleitet die Foliation entlang der Störung, ohne sich zu öffnen.

Beschaffenheit und Inhalt der Mineralgänge bei Wieden

Die Mineralgänge im Revier Wieden–Todtnau bestehen vor allem aus Flussspat, Schwerspat und Quarz. Weil die beiden erstgenannten Minerale heute von großem industriellem Wert sind, richtet sich das Augenmerk seit dem 19. Jh. verstärkt auf sie. Partienweise war z. B. auf dem Anton-Gang – der wirtschaftlich wichtigsten Struktur – Zinkblende so häufig, dass sie mitgewonnen und sogar eine extra Flotationsstufe in der Aufbereitung in Utzenfeld eingerichtet wurde; hierbei handelt es sich also um einen erzführenden Fluss- und Schwerspatgang. Die Gänge im Wieden-Todtnauer Revier sind denen in Münster- und Muldental ähnlich, enthalten aber geringere Mengen an Metallerzen. Wie dort können drei Haupt­phasen der hydrothermalen Mineralisation unter­schieden werden (v. Gehlen 1955).

Abb. 7: Ausschnitt aus dem Werner IV-Gang im Besucherrundgang der Grube Finstergrund mit typischen Merkmalen der Wiedener Mineralgänge: Verschiedenfarbige Fluorite der Generationen I und II mit Nebengesteins­bruchstücken, jüngerer weißer Baryt (Bildmitte und links davon) sowie erzführender Milchquarz, der Fluorit I verdrängt (rechts im Bild). Die mesozoische Gangmineralisation mit Fluorit I (rechts und linker Bildrand) ist gebändert. „Unruhe“ kommt durch die tertiärzeitliche Überprägung rein. Bildbreite entspricht ca. 40 cm. (Foto: Wolfgang Werner)

Raumlage und Nebengesteine

Die Mineralgänge streichen überwiegend subparallel zum Oberrheingraben, obwohl sie älter sind als dieser. Dies deutet daraufhin, dass schon sehr viel früher angelegte tektonische Störungen mit N–S bzw. NNE–SSW-Richtungen existierten, entlang derer sich die Mineralgangspalten öffnen konnten. Auch für den im Tertiär eingebrochenen ORG geht man von alten tektonischen Vorzeichnungen im Grundgebirge aus (Illies 1965, Hüttner 1991) eingebrochen ist. Im Zentral- und im Nordschwarzwald finden wir viele Belege, dass junge Gangzüge mit dem genannten Verlauf auf permisch–unterkarbonisch (d. h. vor ca. 300–290 Millionen Jahren) angelegten Störungen durch tektonische Reaktivierung entstanden sind (Werner & Franzke 1994, 2001; Werner et al. 2002).

Die Nord–Süd-Richtung tektonischer Bruchstrukturen im Südschwarzwald ist also altangelegt; ihr folgen die mesozoischen Mineralgänge und der tertiärzeitliche Oberrheingraben gleichermaßen, was belegt dass diese alten Bruchstrukturen im kristallinen Grundgebirge immer wieder tektonisch reaktiviert wurden.

Abb. 8: Übersichtskarte für das Gebiet Wieden–Utzenfeld–Todtnau mit Darstellung des Verlaufs der Fluss- und Schwerspatgänge, unterschieden nach bekannten und vermuteten Gangabschnitten. Die Tortendiagramme geben die damals bekannten Vorratsmengen in den Gruben Tannenboden, Anton und Finstergrund an (in 100.000 t). Anlagenkarte aus dem Gutachten der Metallgesellschaft von 1965.

Abb. 9: Die Geometrie der Gangstrukturen mesozoischen und tertiären Alters am Beispiel des Finstergrund-Ganges und der Gänge bei Sulzburg im Vergleich. Der Finstergrund-Gang zieht mit leichtem Bogen, sonst aber geradlinig durch das Gneisgebirge. Die kurzen, nach rechts ablaufenden Trümer sind tertiären Alters (blauer Fluorit II, Baryt). (Graphik LGRB, aus: Werner & Dennert 2004)

Die Mineralgänge bei Wieden stehen senkrecht oder fallen bis 70° in östliche oder westliche Richtungen ein. Auffallend ist auch, dass sie sich meist über mehrere Kilometer Erstreckung verfolgen lassen (Abb. 8), was sie deutlich von den jungen, tertiärzeitlichen nahe des Grabenrandes (Badenweiler, Sulzburg, Schauinsland, Suggental, Freiamt-Sexau) unterscheidet. Dort lassen sich die mineralisierten Gangzonen zwar auch über längere Erstreckung verfolgen, bestehen aber stets aus vielen, oft auffiedernden Einzelgängen kurzer Erstreckung.

Die Mächtigkeit der Gänge variiert zwischen wenigen Dezimetern und vier Metern. Für den Antongang ging man anhand der 1959 zugänglichen Untertageaufschlüsse von einer durchschnittlichen Mächtigkeit von etwa 1,1 m aus; in Ausnahmefällen soll dieser auch 6 m Breite erreicht haben (Zeschke 1959). Auf dem Nordteil der Finstergrund-Gangstruktur, dem Werner IV genannten Abschnitt, schwankt die Gangmächtigkeit auf einer Aufschlusslänge von 250 m zwischen 0,1 und 3,8 m, durchschnittlich liegt sie bei etwa 1,2–1,5 m. Hauptgrund für rasche Mächtigkeitsänderungen im Finstergrund-Gang sind die Nebengesteins­eigenschaften, seltener junge Störungen, welche die Gänge „abschneiden“. Kompakte Gneise boten die besten Öffnungsmöglichkeiten zur Spalte, tonreiche, tektonisch zerruschelte Abschnitte hingegen konnten trotz hoher Kompression aus südlicher Richtung nicht ausreichend weit geöffnet werden.

Meist vertauben die Gänge an diesen Ruscheln sogar völlig, um dahinter wieder einzusetzen. Nach den Bergbauakten betrug in der Grube Tannenboden die durchschnittliche Gangmächtigkeit 1,7 m (min. 0,7 m, max. 2,7 m), wobei die bauwürdigen Mittel 30–80 m lang waren. Auch dort werden sie von mehrere Zehnermeter langen Abschnitten mit stark gestörtem und tonig alteriertem Gneisgebirge getrennt, durch welches nur einige cm bis dm breite Gängchen hindurchziehen.

Die durchschnittliche Mächtigkeit der Flussspatmittel der Wiedener Gänge dürfte etwa bei 0,9 m liegen (Metallgesellschaft 1965). Nach Mitteilung alter Wiedener Bergleute war eine reine Flussspatmächtigkeit von 20 cm bereits bauwürdig. Im Gutachten von Zeschke (1959) ist von 30 cm die Rede, in dem der Metallgesellschaft (1965: 8) werden 40 cm bei einem Flussspatanteil von mindestens 36 % genannt. Die Autoren dieser Studie betonen, dass als Bauwürdigkeitsgrenze „früher 0,6 bis 0,7 m bei einer Abbaubreite von 1,2 m angenommen“ wurde. Durch die verbesserte Aufbereitungstechnik ab den 1960er Jahren konnte diese Grenze erheblich abgesenkt werden. Wirtschaftlich interessant waren und sind vielleicht auch künftig wieder diese Gänge vor allem wegen ihres hohen Gehaltes an grobkörnigem Fluorit und Baryt, ihrer großen lateralen und (und wahrscheinlich auch) vertikalen Ausdehnung und der Tatsache, dass mehrere parallel verlaufende Gänge durch eine Grube erschlossen und genutzt werden können. Die grobkörnige Verwachsung ist günstig für die technische Aufbereitung.

Fluorit ist in den Wiedener Gruben fast immer grobspätig, klar bis hellgrau, auch hellgrünlich-grau, kräftig blau bis violettblau (Fluorit II), z.T. rosa oder gelblich und stets durch­scheinend (Abb. 3 und 7). Baryt ist meist reinweiß und grobblättrig, im Einflussbereich der Tageswässer ist er öfter durch Limonit bräunlich gefärbt. Karbonate wie Dolomit, Ankerit und Calcit sind mengenmäßig selten, treten aber besonders in den letzten Generationen häufig auf.

Verdrängung durch Quarz: Fluorit I wurde auf vielen Gangteilen von Quarz II verdrängt. Meist handelt es sich um dünne Quarz­gängchen, die eng geschart und parallel zum Salband den Fluori­tgang durchziehen, oder um grobkristallinen, drusenreichen Quarz, der Nester von Sulfiden und Schollen von älterem Fluorit und Neben­gesteinsbruchstücke enthält. Aus den Gruben Finstergrund und Brandenberg ist bekannt, dass mit zunehmender Tiefe der Quarzgehalt auf den damals aufgeschlossenen Gangstrukturen zunahm, was auf eine postfluoritische Verkie­selung zurückzuführen ist. Besonders Fluorit I wurde auf vielen Gangteilen von Quarz II verdrängt. Im Werner IV-Gang beträgt das Verhältnis von Quarz zu Fluorit etwa 1 : 1. Der lokal hohe Gehalt an Quarz bedingte oftmals, dass die Gänge trotz ausreichender Mächtigkeit unbauwürdig wurden.

An Erzmineralen treten auf den Hydrothermalgängen feinkörniger und derber Blei­glanz, Zinkblende, Pyrit, Markasit, gelegentlich Magnetkies, Kupferkies und Arsenkies, selten gediegen Arsen und Ferberit auf. Die Erze sind vor allem im Fluorit, im Antongang auch im Baryt, sonst oft am Salband der Gänge in Milchquarz zu finden. Auf dem Werner IV-Gang treten Nester von derbem Kupferkies mit Quarz II in Nebengesteinsbrekzien am Rand des Ganges auf.

Der durchschnittliche Zinkblende- und Bleiglanzgehalt der Spatgänge bei Wieden wird auf ca. 3 % geschätzt. Das nach Flotation erzielte Erzkonzentrat enthielt z. B. im Jahr 1964 zwischen 17 und 20 % Zink sowie 25–36 % Blei (Metallgesellschaft 1965). Derbe Bleiglanz-Zinkblende-Erze vom Tannenbodengang wiesen nach Bestimmungen des Geologischen Landesamtes mit 0,16–0,26 relativ hohe Silbergehalte auf (Analyse v. 1965). Das Silber dürfte in erster Linie an den Bleiglanz gebunden sein. Aus den derben Erzen dürften die in Drusen frei wachsenden Minerale Proustit, Stephanit und das meist in Lockenform wachsende gediegene Silber ihre Metalle bezogen haben (Abb. 10 und 11).

Abb. 10: Bleiglanz in Fluorit I, Werner-IV-Gang; begleitet wird er meist von feinkörnigem Pyrit, der z. T. in Limonit umgewandelt ist. (Foto: Wolfgang Werner)

Abb. 11: Gediegen Silber auf Baryt, Tannenboden-Gang (Foto: Hansjörg Becherer)

Gehalte im Fördergut und in Explorationsanalysen: Das Grubenhaufwerk aus dem Tannenbodengang enthielt rund 60 % Fluorit, 30 % Baryt und 10 % Quarz, das vom Antongang 85–90 % Fluorit, 5–10 Quarz und 1–3 % Baryt, und das Haufwerk der Grube Finstergrund wies 50–60 % Fluorit, 25–30 % Quarz und 1–2 % Baryt auf (LGRB-Akten). Auf dem ganz im Westen des Reviers gelegenen Gang an der Eisenbläue (vgl. Abb. 8) traf eine 50 m lange Erkundungstrecke einen Gang mit durchschnittlich 65 % CaF2, 25 % SiO2 und 10 % BaSO4 an. Das Haldenmaterial der Grube Spitzdobel NE von Wieden enthielt 40–60 Fluorit, 20­–35 % Schwerspat, 10–25 % Quarz und Beimengungen von Bleiglanz und Kupferkies.

Mineralisationsabfolge am Beispiel des Finstergrund-Ganges

Vor Einrichtung von Geopunkten und der besseren Ausleuchtung der Gangaufschlüsse wurden im Jahr 2015 große Teile des Besucherrundgangs zeitaufwändig mit Hochdruckwasserstrahl von aus der Bergbauzeit stammenden Staub- und Schlamm-Belägen gereinigt. Zuvor (2014) wurden auf Anraten des Autors auch auf dem Schindler-Gang der Grube Teufelsgrund entsprechende zeitintensive Reinigungsmaßnahmen durchgeführt (v. Gehlen hatte 1952 bereits darauf hingewiesen, dass die Gänge bei Wieden und in der Grube Teufelsgrund im Münstertal sehr ähnliche Entwicklung und Mineralinhalt zeigen). Die mehrphasigen, oft verwirrenden Strukturen in den Mineralgängen lassen sich nun sehr viel besser hinsichtlich der Relativzeitlichkeit deuten. Auf beiden Gängen, dem Werner IV-Gang der Finstergrund-Gang-Struktur und dem Schindler-Gang, lässt sich folgender Ablauf der Mineralisation rekonstruieren:

Phase 1

Verkieselung bzw. Verquarzung der etwa senkrecht zur Gangstruktur streichenden Paragneise und Bildung von hellgrauem Hornsteinquarz; auf der Grube Caroline bei Sexau konnte derartiger Hornsteinquarz anhand von eingeschlossenem Hämatitquarz mittels U/He-Datierung auf 297 Mio. Jahre bestimmt werden (Mankopf & Lippolt 1997, Werner & Dennert 2004). Gleiche Altersstellung haben die Quarz-Hämatit-Gänge im Sulzbachtal.

Phase 2

Fluorit I und Baryt I: Die eigentliche Gangmineralisation begann mit einer, allerdings unterschiedlich starken Nebenge­steins­brekziierung und -verkie­se­lung; oft sind die Gneise nur schwach verkieselt und vergrünt (Chloritbildung aus metamorphem Biotit). Fein von Pyrit durchstäubte, daher oft fast schwarze Quarzschnüre durchziehen das verkieselte Gestein. Diese Verkieselung könnte Teil der spätvariszische Hornsteinbildung sein oder auch die Vorphasensilifizierung zu Beginn der Fluoritmineralisation I darstellen. Altershinweise liegen bislang nicht vor.

Weitverbreitet auf dem Finstergrund-/Werner VI-Gang sind tonige Bleichungszonen am Rand der Mineralgänge, die aus Montmorillonit, Kaolinit und Illit bestehen (Abb. 12). Sie begleiten die Gänge über weite Strecken und die eingeschlossenen Gneis-Scheiben fast überall in Form heller randlicher Bänder. An Ihnen gelang eine Altersdatierung am Mineral Illit, welche belegt, dass die Bildung der Bleichungszonen am Rand des Hydrothermalganges in die Zeit zwischen Oberjura und Unterkreide erfolgte.

Abb. 12 (a): Phase 2 der hydrothermalen Mineralisation auf dem Finstergrund-Gang: Fluorit I mit randlicher toniger Bleichung des Gneises. Die dabei neu gebildeten Illite ermöglichten eine radiometrische Altersdatierung dieses hydrothermalen Ereignisses. Im linken Bilddrittel ist ein verkieselter und von dunklen Quarz-Pyrit-Schnüren durchzogener Gneis zu erkennen. Rechts: Eine längliche Scheibe von Gneis im Mineralgang zeigt ebenfalls deutliche hydrothermale Bleichung. (Foto: Wolfgang Werner)

Abb. 12 (b): Phase 2 der hydrothermalen Mineralisation auf dem Finstergrund-Gang. Eine längliche Scheibe von Gneis im Mineralgang zeigt ebenfalls deutliche hydrothermale Bleichung. (Foto: Wolfgang Werner)

Danach wurde weißlicher, grauer, z. T. schwach rosafarbener Fluorit I abgeschieden. Auf dem Anton- und Tannenboden-Gängen erfolgte gleichzeitig die Abscheidung von Baryt (Abb. 13). Auf dem Finstergrund-Gang tritt Baryt I im Südteil auf.

Phase 3 bis Phase 6

Die Abbildungen 14 bis 17 dokumentieren den weiteren Mineralisationsablauf.

Abb. 17 (a): Phase 6 der hydrothermalen Mineralisation auf dem Finstergrund-Gang: In zahlreichen geöffneten Gangabschnitten entstehen Drusenmineralisationen von Fluorit, Baryt und Karbonaten wie Calcit und Dolomit, andernorts auch von Bergkristallquarz. Sie lassen sich der jungen tertiärzeitlichen Grabentektonik zuordnen.

Abb. 17 (b): Phase 6 der hydrothermalen Mineralisation auf dem Finstergrund-Gang: In zahlreichen geöffneten Gangabschnitten entstehen Drusenmineralisationen von Fluorit, Baryt und Karbonaten wie Calcit und Dolomit, andernorts auch von Bergkristallquarz. Sie lassen sich der jungen tertiärzeitlichen Grabentektonik zuordnen.

Kurzfassung der geologischen Entwicklung des Finstergrund-Gang und seiner Rahmengesteine (Ma = Millionen Jahre)

    600 – 500 Ma

    600 – 500 Ma

    Sedimentation der Ausgangsgesteine der Gneise

    Oberproterozoikum – Unterpalä­ozoikum

    (nach Acritarchen, planktonische Mikroorganismen)

    335 – 330 Ma

    335 – 330 Ma

    Paragneise Raum Wieden-Todtnau

    Niederdruck-Hochtemperatur-Metamorphose mit Entstehung der Migmatite und der Gneisfoliation

    Unterkarbon: Ganggranite, Granitporphyrin­trusionen, Münstertal-Quarzporphyr-Decke + Deckenüberschiebungen im Visé

    296 Ma

    296 Ma

    Quarzporphyrgänge (Datierung an Zirkonen, Grube Teufelsgrund) und begleitende Quarzgänge, oft mit Hämatit

    253 – 207 Ma

    253 – 207 Ma

    Herausheben des Grundgebirges

    Trias: Bildung der meist E–W streichenden Mikro­kataklasite („Ruscheln“)

    (Illit-Datierung, Finstergrund und Teufelsgrund)

    180 – 130 Ma

    180 – 130 Ma

    Gangmineralisation (Flussspat, Baryt, Quarz, Erze)

    Mittel-/Oberjura bis Kreide: K/Ar-Datierung an Illiten im Gang, Hydrothermen mit Temperaturen um 200° C

    nach 65 Ma

    nach 65 Ma

    Entwicklung zum Oberrheingraben

    Tertiär: stärkste Hebungsphase der Alpen – Beginn des Kaiserstuhlvulkanismus; umfangreiche Bruchtektonik im Grundgebirge

    30 – 10 Ma

    30 – 10 Ma

    30 – 10 Ma

    Nachbewegungen auf dem Finstergrund-Gang

    Ter­tiär: strike-slip, Drusen­bildung mit Quarz, Fluorit und Calcit

    Hinweis: Eine Gesamtdarstellung von Geologie, Mineralogie, Bergbaugeschichte und -technik sowie des Besucherbergwerks Finstergrund bei Wieden ist im Band 2020 (Themenhaft Wieden) der Zeitschrift DER ERZGRÄBER zu finden (176 S., 238 Abb.).

    Verwendete und weiterführende Schriften

    Franzke, H. J. & Werner, W. (1994): Wie beeinflußte die Tektonik des Kristallins und des Rheingra­bens die hydrothermale Mineralisation der Gangstrukturen des Schwarzwalds? – Abh. geol. Landes­amt Baden‑Württ., 14: 99–118, 10 Abb.; Freiburg i. Br.

    Gehlen, K. v. (1955): Gesteine und Blei‑Zink‑führende Flußspatgänge zwischen Feldberg und Bel­chen. Teil II: Die Flußspatgänge von Wieden und ihre tektonische Stellung. –  N. Jb. Miner., Abh., 88: 15–54, 18 Abb., 9 Tab.; Stuttgart.

    LGRB – Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (Hrsg.) (2006): Rohstoffbericht Baden-Württemberg 2006. Gewinnung, Verbrauch und Sicherung von mineralischen Rohstoffen. – LGRB-Informationen, 18: 202 S., 209 Abb. + 12 Abb., 15 Tab., 1 Kt.; Freiburg i. Br. [Bearbeiter: Werner, W., Kimmig, B., Liedtke, M., Kesten, D., Kleinschnitz, M., Brasse, A. & Trapp, C.].

    LGRB – Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (Hrsg.) (2013): Rohstoffbericht Baden-Württemberg 2012/2013. Bedarf, Gewinnung und Sicherung von mineralischen Rohstoffen – Dritter Landesrohstoffbericht. – LGRB-Informationen, 27: 204 S., 228 Abb., 7 Tab.; Freiburg i. Br. [Bearbeiter: Werner, W., Kimmig, B., Tschernay, P., Wittenbrink, J., Bock, H. & Kleinschnitz, M.].

    Mankopf, N.R. & Lippolt, H. J. (1997): 4He-geochemische Belege für ein permotriassisches Alter des Roteisenerzes des Quarz-Hämatit-Baryt-Ganges westlich Obersexau im Brettental, Mittlerer Schwarz­wald. – Jh. geol. Landesamt Baden-Württemberg, 37: 25–48, 7 Abb., 2 Tab.; Freiburg i. Br.

    Metallgesellschaft (1965): Gutachten über die Gewerkschaft Finstergrund Wieden und Baden-Baden. – 63 S., 10 Anl., 1 Tabellenanhang; Frankfurt a. M. (unveröff. Gutachten).

    Metz, R., Richter, M. & Schürenberg, H. (1957): Die Blei‑Zinkerzgänge des Schwarz­waldes. – Beih. Geol. Jb., 29: 277 S., 113 Abb., 24 Tab., 15 Taf.; Hannover.

    Schlageter, A. (1989): Zur Geschichte des Bergbaus im Umkreis des Belchen. – In: Der Belchen. Geschichtlich-naturkundliche Monographie des schönsten Schwarzwaldberges. – Natur- und Land­schaftschutzgebiete Baden-Württemberg, 13: 127–309, 86 Abb.; Karlsruhe.

    Schwäbl, X. & Klingele, S. (1992), mit Beiträgen von Schlageter, A., Drescher, W., Martin, W., Ebser, F., Müller, E. & Schwäbl, H.: Wieden – Geschichte eines Schwarzwalddorfes (zum 650jährigen  Ortsjubiläum), 358 S., zahlr. Abb.; Wieden (Rombach). – [Gemeinde Wieden, Hrsg.].

    Schwinn, G. & Markl, G. (2005): REE systematics in hydrothermal fluorite. – Chem. Geol., 216: 225–248; Amsterdam.

    Schwinn, G., Wagner, T., Baatartsogt, B. & Markl, G. (2006): Quantification of mixing processes in ore-forming hydrothermal systems by combination of stable isotope and fluid inclusion analyses. – Geochimica et Cosmochimica Acta, 70: 965–982, 10 Abb.; Amsterdam.

    Sehlke, K. (1956): Gesteine und Blei-Zink-führende Flußspatgänge zwischen Feldberg und Belchen im Hochschwarzwald. Teil IV. Erzführende Flußspatgänge der Umgebung von Todtnau (Südschwarz­wald). – N. Jb. Miner., Abh., 89: 258–280, 8 Abb., 1 Kt., 3 Beil.; Stuttgart.

    Steen, H. (2003): Die Erzgänge bei Todtnau (Hochschwarzwald) – Gruben und Mineralfunde in einem klassischen Bergbaurevier. – Aufschluss, 54: 137-160, 53 Abb.; Heidelberg.

    Steen, H. (2004): Geschichte des modernen Bergbaus im Schwarzwald. – 485 S., zahlr. Abb.; Nor­derstedt (Books on Demand).

    Steen, H. (2013): Bergbau auf Lagerstätten des Südlichen Schwarzwalds. Ein Beitrag zur Bergbauge­schichte und Lagerstättenkunde zwischen Dreisamtal und Hochrhein. – 697 S., zahlr. Abb.; Nor­derstedt (Books on Demand).

    Werner, W. (2015): Über die Rohstoffquellen Baden-Württembergs. Vielfalt, Potenzial und Nutzung. – Alem. Jb. 2013/2014, Jg. 61/62: 13–102, 60 Abb.; Freiburg i. Br.

    Werner, W. & Franzke, H. J. (2001): Postvariszische bis neogene Bruchtektonik und Mineralisation im südlichen Zentralschwarzwald. – Z. dt. geol. Ges, 152: 405–437, 12 Abb., 1 Tab.; Stutt­gart.

    Werner, W. & Dennert, V. (2004) mit Beiträgen v. Meyerdirks U. & Tegel, W.: Lagerstätten und Bergbau im Schwarzwald. Ein Führer unter besonderer Berücksichtigung der für die Öffentlichkeit zugänglichen Bergwerke. – 334 S., 271 Abb.; Freiburg i. Br. (Landesamt f. Geol. Rohst. Bergb. Baden-Württ.).

    Werner, W. , Markl, G. & Steen, H. (2020): Lagerstätteninhalt und Entstehung der Gänge bei Wieden. – Der Erzgräber Bd. 1/2 2020 (Jg. 35), Themenheft Wieden: 11–27, 21 Abb., 1 Tab.­; Oberwolfach.

    Zeschke, G. (1959): Die Flussspatvorkommen der Gewerkschaft Finstergrund. – unveröff. Gutachten: 44 S., 4 Tab., 14 Anlagen (Risse); Rhöndorf a. R.

    Ziehr, H. (1985): Zur Geschichte des Flußspatbergbaus bei Wie­den/Südschwarz­wald. – Aufschluss, 36: 267–282, 8 Abb., Heidelberg.

    Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. Werner, März 2023. Vielen Dank.

    Erzvorkommen in Bleibach, Simonswald und Kollnau

    Hammerschmieden und Eisenhämmer entstanden ab dem späten Mittelalter überwiegend in den Regionen mit reichem Erzvorkommen wie Erzgebirge, Harz, Thüringer Wald oder Vogelsberg, am Rand der Fränkischen und Schwäbischen Alb sowie entlang der Bayerischen und der Österreichischen Eisenstraße (letztere sind vom Tourismus geprägte neue Bezeichnungen historischer Erz- und Eisentransportwege). Neben den Erzvorkommen waren auch ausreichend Wälder für die Gewinnung großer Mengen Holzkohle notwendig. Für den Standort war selbstverständlich das Vorhandensein ausreichender Wasserkraft entscheidend.

    Die urkundlichen Nachweise über Erzvorkommen und Bergbau am Westrand des Schwarzwaldes gehen bis in das 11. Jahrhundert zurück. Vom 13. bis ins 16. Jahrhundert zählte das Gebiet des Schwarzwaldes (etwa mit den Gruben von Todtnau, Schauinsland und Maßmünster) zu den wichtigsten Bergbauregionen im deutschen Raum. Die Wirtschaftskraft der Stadt Freiburg im Mittelalter basierte wesentlich auf dem Silberbergbau. In Hammerschmieden wurden jedoch Eisenerze verarbeitet. Diese wurden seit der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert zunächst in den Eisenschmelzwerken zu sogenannten Stücken aufbereitet. Der Antrieb des Ofengebläses erfolgte durch ein von Wasserkraft angetriebenes Triebrad (auch Wasser- oder Mühlrad genannt). Entsprechend mussten die Eisenverhüttungswerke abseits der Erzgewinnungsstätten in der Nähe eines Fließgewässers errichtet werden. Das Ausschmieden der nach dem Erstarren erneut im Holzkohlefeuer erhitzten schweren Stücke erfolgte in Hammerwerken, die ebenfalls durch ein Wasserrad angetrieben wurden. Die Arbeit in derartigen Eisenverhüttungswerken hat Friedrich Schiller in seiner Ballade „Der Gang nach dem eisernen Hammer“ eindrucksvoll poetisch umschrieben:

    {

    Des Wassers und des Feuers Kraft, verbündet sieht man hier.

    Das Mühlrad, von der Flut gerafft, umwälzt sich für und für.

    Die Werke klappern Nacht und Tag, im Takte pocht der Hämmer Schlag.

    Und bildsam von den mächtgen Streichen, muss selbst das Eisen sich erweichen.

    5
    Friedrich Schiller
    Dichter
    aus: "Der Gang nach dem eisernen Hammer"

    Die Standorte der markgräflichen und vorderösterreichischen Eisenschmelzwerke konzentrierten sich überwiegend am Hochrhein, im Bereich des südlichen Breisgaus und im Hauensteiner Albtal im Grenzgebiet zur Schweiz in den Orten Hausen im Wiesental, Kandern und Badenweiler-Oberweiler bzw. Säckingen, Murg, Wehr, Laufenburg, Albruck und St. Blasien. Der nördliche Breisgau wurde überwiegend vom Eisenwerk in Kollnau versorgt. Die Fürstenberger besaßen Eisenwerke in Hammereisenbach und Hausach im Kinzigtal. Mit dem Dreißigjährigen Krieg kam der Bergbau am Schwarzwald zunächst vollständig zum Erliegen. Im Verlauf des 18. Jahrhundert wurden von den Markgrafen von Baden verschiedentlich Versuche unternommen, den Bergbau wiederzubeleben, doch erlangte er keine sonderliche Bedeutung mehr. Als der Bergbau in Baden in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts einen besorgniserregenden Rückgang verzeichnete, versuchte man 1828 mit einem Gesetz über Prämien zur Förderung des Bergbaus gegenzusteuern. Erfolglos: Die Eisenerzverhüttung rentierte sich aus verschiedenen Gründen nicht mehr. Die mit Holz aus dem Schwarzwald betriebenen Schmelzwerke waren gegenüber den mit billiger Steinkohle betriebenen Werken in den Kohlenbergbauregionen nicht mehr konkurrenzfähig. Die wassergetriebenen Eisenverhüttungsanlagen an den Flussläufen, deren Bauweise und Arbeitsprinzipien sich vom 14./15. Jahrhundert bis in das 19. Jahrhundert kaum verändert hatten, wurden mit dem Durchbruch des Dampfhammers und dessen zunehmenden Einsatz in den großen Industrierevieren bis zu Mitte des 19. Jahrhunderts unrentabel und nach und nach geschlossen. 1866 schloss das Eisenwerk in Albruck, 1874 jenes in Kandern. „Der Bau der Eisenbahn und das Verschwinden des territorialen Zollschutzes der deutschen Länder entzogen dem badischen Bergbau die Grundlagen der Wettbewerbsfähigkeit.“ (Stiefel Bd. 2, S. 1817f). Die Standorte der Eisenhütten waren durch den zunehmenden Einsatz von Dampfenergie nicht länger abhängig vom Wasser, sondern orientierten sich an neuen und gut frequentierten, technisch aufgerüsteten Verkehrswegen.

    Während so die Eisenbereitung am Schwarzwald in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Niedergang erlebte und im 3. Viertel des 19. Jahrhunderts völlig zum Erliegen kam, blühte infolge erhöhter Nachfrage die Eisenbearbeitung bzw. Eisenverarbeitung in den Hammerschmieden am Schwarzwald, welche kleinere Eisenwerkzeuge aller Art produzierten, auf. Es gab ausreichend Wasseradern mit entsprechendem Gefälle, von denen sich leicht Kanäle für den Antrieb eines kleinen Hammerwerks über Wasserkraft abzweigen ließen. Im Gegensatz zu den Schmelzöfen reichten für die Befeuerung der Esse die Holzvorkommen des Schwarzwaldes noch aus – die Preise hierfür stiegen zwar kontinuierlich, doch ging man auch dort zur Steinkohlenfeuerung über. So entstanden an den kleinen Nebenflüssen des Rheins zwischen Schwarzwald und Oberrheintal im 19. Jahrhundert einige Hammerwerke, die insbesondere für die Herstellung von Gerätschäften für das regionale Handwerk und die regionale Landwirtschaft produzierten. Dass hierfür z.T. sehr weite Transporte des Rohmaterials notwendig waren, stellte im Rahmen eines stetigen Ausbaus des Eisenbahnnetzes im Verlauf des 19. Jahrhunderts kein Problem mehr dar. Zwar wurde die Elztalbahn erst Ende des 19. Jahrhunderts erbaut, doch war der erste Abschnitt der Oberrheinbahnstrecke zwischen Mannheim und Heidelberg bereits 1840 in Betrieb genommen worden. Die Badische Hauptbahn bzw. Rheintalbahn von Mannheim über Basel nach Konstanz wurde 1863 vollendet und die Verbindung zum mittelrheinischen Bahnnetz durch das Schließen der bisherigen Lücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen 1867 hergestellt. Damit waren die Regionen entlang der Rheinschiene miteinander verbunden und der Austausch von Rohstoffen, etwa auch Erze aus dem Ruhrgebiet, über die Eisenbahnstrecke ermöglicht. Über die an dieser Strecke gelegenen Bahnstationen Kenzingen und Herbolzheim konnten die Eisenhalbzeuge für das Hammerwerk im Muckental das ganze Jahr über unkompliziert angeliefert werden. Der Ausbau der Bleichtalstraße von Bleichheim nach Ottoschwanden und Schweighausen nach dem Zweiten Weltkrieg steigerte die Geschäftstätigkeit. Die Hammerschmiede wurde aber schon früher zu einer beliebten Etappenstation und übernahm nach dem Ersten Weltkrieg als „Gasthaus zum Waldhorn“ die Beherbergungstradition des Gasthauses „ Zum Kreuz“. 

    Textquellen

    Webseite „Schmiedezunft Landkreis Emmendingen“

    Mit freundlicher Genehmigung von Herrn U. Feißt, 28.09.2022. VIELEN DANK.

    Bergbau in Schenkenzell

    Silber und Kobalt – Die Geschichte des Bergbaus in Schenkenzell und Umgebung

    Die Gemeinde Kaltbrunn-Wittichen hat in der Geschichte des Schwarzwälder Bergbaues eine besondere Bedeutung erlangt durch die zum Teil recht beachtlichen Silber- und Kobaltvorkommen und durch das Blaufarbenwerk, das seine Erzeugnisse über die Grenzen Deutschlands hinaus in verschiedene europäische Länder exportierte.

    Wann der Bergbau im Witticher Revier begonnen hat, lässt sich wohl nicht mehr mit Bestimmtheit feststellen. Zeugnisse aus dem Mittelalter fehlen.

    Erster Nachweis

    Den ersten sicheren Nachweis für die Eröffnung von Gruben gibt eine Urkunde aus dem Jahr 1517, in der die Landgräfin Elisabeth zu Fürstenberg, die Witwe des 1509 verstorbenen Grafen Wolfgang I. dem „Ehrsamen, gelehrten, Unnserem lieben getrüwen Johannes Wäscher von Markhdorff, der Zytt Schulmeister und Stattschriber zu Wolffach …, genannt Jm Wittichenstain“ verlieh mit allem, was nach damaligem Bergrecht dazugehörte.

    Dafür musste der genannte Johannes Wäscher sich verpflichten, den „zehnten Kübel Ärtz oder Metall“ von  allem anfallenden Erz der Landesherrschaft zu liefern.

    Die Gräfin versprach für sich und ihre Nachkommen, die Unternehmer und Bergleute, „so zu vnnd uff dem Bergwerkh dienent, arbeitent, handeln vnd wandlent, Jhr und aller Lyb und Guoth in Vnnserem land, so wüt wür zue gepieten haben“, zu geleiten, zu schützen und zu beschirmen.

    Die von den Bergarbeitern benötigten Lebensmittel durften zollfrei eingeführt werden. Außerdem sollten „och alle Hütten, Hüßer und Höffe, so zu vnd vff dem Bergwerkh von nüwen gemacht oder gebuwen werden vnd darzue dienent, fry sein aller Bott, Verbott, Stueren, Schatzungen Huet und Wacht, und anderer derglichen beschwerdten“.

    Die Befreiung von Zoll und sonstigen Abgaben entsprach den auch andernorts üblichen Privilegien, mit denen man dem Bergbau eine Ausnahmestellung einräumte.

    Außer dieser Belehnung von 1517 sind uns über den Bergbau in Wittichen für das 16. und 17. Jahrhundert keine weiteren Nachrichten überkommen. Wahrscheinlich hat der reiche Silberimport aus den neu entdeckten spanischen Kolonien in Südamerika nach Europa wie an vielen Stellen, so auch im Kinzigtal, die Gruben gegen Ende des 16. Jahrhunderts zum Erliegen gebracht, da sich der Abbau nicht mehr rentierte. Dann behinderte der Dreißigjährige Krieg den Handel und das Gewerbe.

    Neuer Auftrieb im 18. Jahrhundert

    Im benachbarten Rippoldsau nahm man um 1649 die Schürfversuche nach Kupfererz auf, im Gebiet von Wittichen kam der Bergbau erst Anfang des 18. Jahrhunderts wieder in Gang.

    Die Anregung dazu gab Fürst Anton Egon von Fürstenberg, der nach der Krönung Augusts des Starken zum König von Polen im verwaisten Sachsen als Statthalter amtierte. Anton Egon empfahl seinen Verwandten, die alten Bergwerke im Kinzigtal, die zum Besitz des Hauses Fürstenberg gehörten, durch sächsische Bergbau-Fachleute auf Erzvorkommen untersuchen zu lassen.Die Stühlinger Verwandten nahmen die Anregung auf und ließen die Bergleute kommen. Die Visitatoren meinten, dass im Kinzigtal „noch gute bergmännische Hoffnungen bestünden“. Am so genannten Silberberg bei Wittichen, so steht im erhaltenen Gutachten zu lesen, sei die Rute „auf weißgülten Erz“ angeschlagen. Die sächsichen Bergleute fanden einen eingebrochenen Stollen. Sie schlossen daraus, dass in Wittichen vor längerer Zeit ein Silberbergwerk bestanden habe.

    Der Bergbau im Kinzigtal erhielt durch das sächsische Gutachten einen neuen Autrieb. Der Öhringer Kaufmann Anton Fisher bekam die Genehmigung, die Rippoldsauer Kupferzeche wieder aufzunehmen. Zur Finanzierung des Unternehmens gründete Fischer eine „Gewerkschaft“. So nannte man die damlas übliche Form einer Bergbau-Kapitalgesellschaft. Die Gewerkschaft früherer Zeit hat aber nichts mit der heutigen Arbeitnehmerorganisation zu tun.

    Die Gewerken erwarben einen bestimmten Anteil an der Grube, „Kux“ genannt, und waren entsprechend an den Unkosten und am Gewinn beteiligt. Die Kuxe der Rippoldsauer Gewerkschaft kauften vor allem Nürnberger Bürger.

    Silber und Kobalt

    Der spätere Hüttenschreiber und Bergrechner Johann Bernhard Mayer der Ältere berichtet in seinen Erinnerungen, wie Fischer den den Bergbau in Wittichen wieder aufnahm: „Da nun der Antoni Fischer das glückliche Kupferwerk (gemeint ist: in Rippoldsau) sah, hörte er auch, dass zu Wittichen, drei Stund über die Bergherüber, von Alters edle Silbergänge wären gewesen. Er nahm den Weg unter die Füße und lief Wittichen zu. Da fand er auf den Halden schöne Kobaltstufen, woraus man die blaue Farbe machte. Dieses war ihm noch lieber als Silbererz. Denn Kobalt leidet große Zusätze zum Schmelzen und vermehrt sich sehr, das Silber aber, bis es geläutert wird, ist weniger. Daraus schloß er, dass ein Farbwerk mehr Profit werde abwerfen als Silbererz. Warum aber auf den Halden große Kobaltstufen gefunden, ist dies die Ursache, dass die Alten noch nicht gewusst, was Kobalt ist …

    Da nun der Antoni Fischer die erfreuliche Nachricht vom Kobalt zu Wittichen den anderen Gewerken hinterbrachte, war große Freude und Jubilieren.

    Es kam viele Gewerke von Nürnberg heraus, es wurde Anstalt zu einer Farbmühle gemacht, welches ganz etwas Fremdes in diesen Landen war. In der Grube selbt trafen sich gewachsen Silber in dem Gnade Gotteswerk auf dem Adler genannt, und zwar große und mächtige Stufen …“

    Ausführlicher darüber in: Der Kinzigtäler Bergbau in den Jahren 1700 bis 1754 nach dem Bericht des Hüttenschreibers und Bergrechners Johann B. Mayer d. Ä. (hrsg. von L. Wohleb und H. Schilli, 1950, Seite 16).

    Anton Fischer und seine Nürnberger Geldgeber baten die fürstenbergische Landesherrschaft sogleich um Belehnung der wiederentdeckten Gruben. Die Grafen Anton Maria und Prosper von Fürstenberg waren bestrebt, den Bergbau in ihren Landen zu fördern, und verliehen deshalb 1703 die alten und neuen Stollen und Erzgänge im Gebiet von Wittichen an Anton Fischer von Öhringen und seinen Nürnberger Mitgewerken, dem Münzmeister Georg Friedrich Nürnberger, Kaufmann Sigmund Klein und an weitere Interessenten. Die Gewerkschaft erhielt das Recht auf die alleinige Kobalterzgewinnung innerhalb des fürstenbergischen Territoriums im Kinzigtal, also auch Außerhalb Wittichens, sowie das Monopol für die Kobaltfarbenherstellung. Dafür mussten die Gewerke den Zehnten von allem gewonnenen Kobalt in Geld an die Landesherrschaft entrichten und acht Grubenanteile (Kuxe) den Grafen von Fürstenberg gratis überlassen. Weiterhin erhielten das Kloster Wittichen als Grundherr und die Armenpflege im Amt Wolfach je ein Freikux. In Anbetracht der großen Unkosten, die der Gesellschaft bei der Wiederaufnahme der Grube entstanden, verzichteten die Landesherren für zwei Jahre auf die Auszahlung des Zehnten und der Gewinne, die auf ihre Freikuxe entfielen.

    Auf die Ausfuhr des Kobalterzes sollten keine Abgaben erhoben werden. Bei Streitigkeiten galt die Kursächsische Bergordnung aus den Jahr 1589. Hier zeigt sich der Einfluss des sächsischen Bergrechts auf den Kinizigtäler Bergbau im 18. Jahrhundert. Die fürstenbergische Bergordnung von 1529 dagegen hatte die vorderösterreichische Gesetzgebung Maximilians übernommen.

    Das Blaufarbenwerk

    Nachdem Anton Fischer und seine Nürnberger Mitgewerken das Monopol für den Kobaltabbau erhalten hatten, errichteten sie bei Wittichen ein Blaufarbenwerk. Nach den Angaben Mayers des Älteren sollen die Unkosten 6000 Gulden betragen haben. Doch erwies sich die Farbmühle als eine Fehlkonstruktion. Es gelang nicht, brauchbare Kobaltfarben herzustellen.

    Man beschloss deshalb, den Meister Sigwarth von den Gengenbacher Glashütten heimlich nach Sachsen in die dortigen Farbwerke zu schicken, um deren Fabrikationsmethode auszuspionieren. Sigwarth erfüllte seinen Auftrag mit großem Geschick, und mit seinen in Sachsen gewonnenen Erfahrungen wurde unterhalb von Wittichen eine neue Farbmühle gebaut. Nun konnte endlich mit der Produktion von Kobaltfarben begonnen werden.

    Trotz der großen Investitionen brachte das Witticher Unternehmen wenig Gewinn. Zwar fand man 1705 auf der „Gnade Gottes“, wie die Grube am Witticher Silberberg jetzt genannt wurde, größere Anrüche von Silbererz, doch konnten die Betriebskosten der Zeche keineswegs gedeckt werden.

    Sigmund Klein, der Vertrauensmann der Nürnberger, musste selbst zugeben, dass der Bergbau im argen liege. Die Gesellschafter gerieten unter sich in Streit, Anton Fischer, der eigentliche Initiator, stellte die Zahlungen ein. J. Bernhard Mayer erzählt, dass die Nürnberger bei ihren Besichtigungsreisen nach Wittichen und Rippoldsau große „Zechen“ gemacht hätten.

    Der spanische Erbfolgekrieg wirkte sich ebenfalls ungünstig auf die Geschäftslage aus. Der Absatz der Kobalterze ging zurück. Das Haus Fürstenberg wurde vom Kriegsgeschehen unmittelbar betroffen. Der Landesherr, Prosper Ferdinand, fiel als kaiserlicher Offizier bei den Kämpfen um Landau im Jahr 1704. Die Nürnberger Gewerken versuchten, durch strenge Verhaltensvorschriften wieder Ordnung auf der Grube zu schaffen. Um den aus anderen Ländern, vor allem aus Sachsen, zugezogenen Bergleuten eine Unterkunft zu verschaffen wurde in Wittichen das Zechenhaus erbaut.

    Missstände auf den Gruben

    Die Missstände auf den Gruben hatten zur Folge, dass die fürstenbergische Verwaltung der Gewerkschaft das Vorrecht, allein Kobalterze abzubauen, entzog. Sie behielt aber das Vorkaufsrecht auf das geschürfte Kobalterz. Nachdem so der Kobaltabbau freigegeben war, eröffneten Straßburger Bürger die Grube Daniel im Gallenbach südlich von Wittichen. Im Jahr 1708 wurden die Gruben im Auftrag der Landesregierung von einem Herrn von Windheim visitiert. Dieser gab in seinem Gutachten seinem Befremden darüber Ausdruck, dass eine Angelegenheit von so großer Bedeutung wie der Kinzigtäler Bergbau so nachlässig betrieben wurde. Windheim vermisste vor allem genauere Rechnungsunterlagen. In den fürstenbergischen Bergwerksakten lässt sich feststellen, dass das Witticher Werk im Jahr 1709 = 1153 Gulden, im Jahr 1710 = 4821 Gulden Gewinn abwarf. In den folgenden Jahren verschlechterten sich die Verhältnisse.

    Der Vertreter der Nürnberger, David Wölper aus Freudenstadt, musste aus eigener Tasche zusetzen. Erst 1718 zeigte sich wieder ein Hoffnungsschimmer. Als die Bergknappen einen alten Schacht auf dem Silberberg säuberten, stießen sie auf einen Anbruch von 41 Pfund gediegenem Silbers. Dieser überraschende Fund führte zur Gründung einer neuen Gewerkschaft, die den Namen des Landesherren, „Joseph“ erhielt. Die Gesellschafter waren im Wesentlichen die gleichen wie bei der „Gnade-Gottes-Zeche“. Deshalb verschmolzen sich die beiden Zechen drei Jahre später unter dem Namen „Joseph“ zu einer Gewerkschaft. Doch auch diese Maßnahmen retteten den Bergbau und das Farbwerk nicht vor dem finanziellen Zusammenbruch.

    Die Nürnberger Gewerkschaft musste den Konkurs erklären. Ihr örtlicher Vertrauensmann Wölper verlor dabei sein ganzes Hab und Gut. Der so voll Hoffnung begonnene Kobalt- und Silberbergbau in Wittichen schien ein unrühmliches Ende zu nehmen. Nach Mayers Bericht begann auf dem Farbmühlenplatz das Gras zu wachsen und „war eine völlige Wüstenei“.

    Das Handelshaus Doertenbach

    In dieser verzweifelten Situation kam rettende Hilfe durch das Calwer Handelshaus Doertenbach, das nun statt der Nürnberger als Geldgeber einsprang. Die Doertenbachs waren Mitglieder der berühmten „Calwer Compagnie“, die seit 1622 einen ausgedehnten Tuchhandel betrieb und damit zu einem bedeutenden Unternehmen Süddeutschlands aufgestiegen war.

    Der schon häufig erwähnte Bergrechner Mayer schreibt sich das Verdienst zu, die Familie Doertenbach für den Bergbau im württembergischen Reinerzau und dann auch für die fürstenbergischen Werke im Kinzigtal gewonnen zu haben. Nach und nach übernahm die Familie Doertenbach von dem bisherigen Geschäftsführer Wölper dessen Anteile. Als Moses Doertenbach die Mehrheit der Kaxe besaß, bat er um Verleihung der Witticher Gruben und des Fachwerkes, die ihm 1721 von der fürstenbergischen Regierung gewährt wurde. Die Landesherrschaft beteiligte sich diesmal selbst an den Unkosten der St.-Josephs-Zeche und begnügte sich mit einer geringen Zahl von Freikuxen.

    Die Grafen Anton und Froben Ferdinand von Fürstenberg verbanden mit der Neuverleihung die Hoffnung, dass die neue Gewerkschaft, insbesondere das bekannte Haus Doertenbach von Calw, dem Kinzigtäler Bergbau wieder neuen Auftrieb geben würde. Bemerkenswert ist bei der Angelegenheit, dass nun statt der Bürger der alten Reichs- und Handelsstadt Nürnberg Kaufleute aus dem württembergischen Herzogtum als Geldgeber auftraten, in erster Linie die  Angehörigen der Calwer Compagnie. Moses Doertenbach benutzte nämlich die weitverzweigten Verkaufsstellen des Calwer Handelshauses, um die im Witticher Farbenwerk hergestellten Kobaltfarben in den verschiedenen europäischen Ländern zu verkaufen. Zum besseren Absatz der Farben wurde eine Farbenverkaufsgesellschaft gegründet, die Moses Doertenbach und Johann Georg Zahn, ebenfalls ein „Comapgnieverwandter“, leiteten.

    21 Werke im Betrieb

    Moses Doertenbach und seine neuen Mitgewerken entfalteten in ihrem neuen Arbeitsbereich in Wittichen eine große Aktivität. Neben einer Intensivierung der Arbeiten auf der St.-Josephs-Grube versuchten sie, auch an anderen Stellen auf Erzgänge zu stoßen. Verschiedene Gruben wurden wieder aufgenommen oder neue Stollen vorangetrieben, so dass sich 1725 21 Werke in Betrieb befanden, darunter in und bei Wittichen:

    Allerdings handelte es sich meist nur um Schürfungen, die bald ohne Ergebnis wieder aufgegeben wurden. Einen Überschuss konnte in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts nur die St. Josephs-Zeche erzielen. Die „Güte Gottes“ deckte nur einen Teil ihrer Unkosten. Sophia zum Ludwig brachten es 1725 auf wenige Kübel Kobalterz. Die übrigen Gruben hatten 1725 überhaupt keinen Ertrag zu verzeichnen und erhielten sich nur durch fortlaufende Zuschüsse.

    Die „Zubußboten“, die die neuen Gelder für Gruben einkassieren mussten oder bei Überschuss den Gewinn auszahlen konnten, schwindelten den vertrauensseligen Leuten etwas von zu erwartenden Silber- und Kobaltanbrüchen vor und verkauften viele Anteile (Kuxe) von verlustreichen Gruben, die nie auf Erze stießen. Diese so genannte Kuxkränzelei schadete auf die Dauer dem Ansehen des Kinzigtäler Bergbaues sehr und erschwerte zeitweise den Verkauf neuer Kuxe. Den größten Überschuss warf das Blaufarbenwerk bei Wittichen ab. Neben den Niederlassungen in Deutschland unterhielt die neu gegründete Farbenverkaufsgesellschaft Lager in London, Venedig und Mailand.

    Handel mit Holland

    Der inzwischen auf dem Witticher Farbwerk angestellte Bernhard Mayer berichtet uns, dass es ihm gelungen sei, durch einen Geschäftsfreund Verbindung mit holländischen Kaufleuten in Utrecht aufzunehmen. In den Akten des Fürstlich Fürstenbergischen Archivs läßt sich dieser Handel mit Holland belegen. Aus dem Jahr 1724 ist eine Abrechnung erhalten, aus der wir entnehmen können, dass das Witticher Blaufarbenwerk 118 Fässchen Kobaltfarben an die Herren Lohoff und Ploost van Amstel nach Amsterdam sandte (vom März bis Mai 1724) und dafür abzüglich der Provision und Transportkosten bis Köln, 5461 Gulden bekam. Die Blaufarben benötigen die Holländer für ihre Bleichereien. Zum Teil wurden die Farben auch weiter nach England verkauft. Die Vermutung liegt nahe, dass das berühmte Delfter Porzellan zeitweise mit Farben aus Wittichen bemalt worden ist, doch haben sich hierfür bisher keine urkundlichen Belege finden lassen.

    Die Gewinne der Witticher Farbenmühle hielten das Interesse am Bergbau wach und ermöglichten es der Firma Doertenbach, immer wieder neue Schürfungen zu finanzieren. 1729 trafen die Häuser von St. Joseph auf einen Anbruch, aus dem 250 Pfund gediegenes Silber gewonnen werden konnten. Dieser überraschende Fund veranlasste die Gewerkschaft, einen „Ausbeutetaler“ prägen zu lassen.

    Bergordnung von 1732

    Da sich das Haus Doertenbach so unermüdlich um den Kinzigtäler Bergbau bemühte, hatte Fürst Joseph Wilhelm Ernst von Fürstenberg keine Bedenken, 1732 das Privileg für die Calwer Gerwerkschaft zu erneuern, da der Vertrag von 1721 abgelaufen war. Der Landesherr nahm die Bestätigung der Rechte zum Anlass, eine allgemeine Bergordnung zu erlassen. In der Präambel zollte der Landesherr dem Fleiß und der Sorgfalt, mit denen die Firma Doertenbach die Gruben und die Farbmühle seit 1721 wieder hochgebracht hatte, besondere Anerkennung und bestätigte sie in den bisherigen „Bergfreiheiten“.

    Im Einzelnen wurde folgendes festgelegt:

    Die Gruben, die die Gewerke bisher betrieben hatten, blieben ihnen „auf ewig“ bestätigt. Die Gewerkschaften erhielten ferner das Privileg, in den fürstenbergischen Ämtern Wolfach und Haslach neue Gänge zu erschürfen auf alle dort vorkommenden Metalle. Die St.-Josephs-Gewerkschaft, an der die Familie Doertenbach und die Mitglieder der Calwer Compagnie besonders stark beteiligt waren, bekam das alleinige Recht, eine Farbmühle zu betreiben. Als Gegenleistung gaben die Gewerken dem Landesherrn die ungewöhnlich hohe Zahl von 10 Freikuxen.

    In den folgenden Jahren verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage des Bergbaus im Kinzigtal wieder. Eine Zeche nach der anderen „fiel ins Freie“, wie der bergmännische Ausdruck für die Aufgabe einer Grube lautet. 1734 waren im gesamten Revier nur noch vier Gruben in Betrieb, davon förderte St.-Joseph weiterhin Silber und Kobalt, die „Güte Gottes“ nur Kobalt. Beide konnten noch Gewinne erzielen. 1737 kam das Davidsbergwerk in Gallenbach dazu. Zum Teil hatte wohl der Polnische Erbfolgekrieg (1733 bis 1735) an dem wirtschaftlichen Rückgang die Schuld. Der Oberrhein war auch diesmal wieder Kriegsschauplatz. Der greise Feldmarschall Prinz Eugen suchte Philippsburg gegen die Franzosen vergeblich zu verteidigen. In den Grubenberichten von 1734 ist die Rede davon, dass die Grube „Sabina Barbara“ wegen dermahliger Kriegstrublen erliegen“ musste.

    Sophiagang eine der ertragreichsten Gruben

    Aber wie schon mehrfach in der Geschichte des Wittichener Bergbaus helfen plötzlich zutage tretende neue Silberanbrüche über die Krise hinweg. 1736 stieß man vom St. Joseph-Stollen auf den so genannten Sophiagang. Die Bergknappen schlugen bald darauf erhebliche Mengen von gediegenem Silber und Kobalt heraus. Schnell bildete sich eine neue Gewerkschaft, um den Sophiagang auszubauen. Der Sophiagang war von der Ludwigsgewerkschaft schon 1721 an einer anderen Stelle angegangen worden, man hatte aber diese Grube nach einigen Jahren wieder aufgegeben, da man den Gang nicht für abbauwürdig hielt. Nach dem Durchstoss von der St.-Josephs-Zeche er wurden die alten Gewerke von Ludwig aufgefordert, sich zu beteiligen. Die St.-Josephs-Gewerkschaft erhielt aus rechtlichen Gründen den vierten Teil der Sophia-Kuxe zugestanden. Die neue Sophiagrube entwickelte sich bald zu der bedeutendsten und ertragreichsten Grube des Kinzigtals. Besonders in den vierziger Jahren konnte sie einen beachtlichen Gewinn verzeichnen.

    Das Ansehen des Kinzigtäler Bergbaus stieg wieder. Die Sophiazeche konnte in den Jahren 1742 bis 1747 jährlich eine Ausbeute von 40 bis 100 Gulden pro Kux verteilen, während der Ertrag von St.-Joseph zurückging. 1745 wurden neben diesen beiden Gruben noch „Neuglück“ und die „Güte Gottes“ im Wittichener Revier befahren.

    Anscheinend hatte der unlautere Handel mit den Grubenanteilen nicht aufgehört, so dass sich die Landesregierung 1750 veranlasst sah, den Verkauf von Kuxen durch strenge Vorschriften zu regeln. Der Verkauf der Kuxe war fortan nur den vereidigten Vertrauensleuten gestattet. Wer unerlaubt mit Grubenanteilen handelte, sollte streng bestraft werden. In den Jahren zwischen 1750 und 1760 waren die Erträge der Gruben im Kinzigtäler Gebiet gering. Es gelang nicht, neue Bergbauinteressenten zu finden, so dass die Grubenverwaltungen in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Bergmeister Mayer der Jüngere machte den zweifelhaften Vorschlag, die Schichtmeister und Bergleute zum Kauf von Kuxen zu veranlassen. Mit Einverständnis der fürstenbergischen Regierung wurden daraufhin die Grubenleiter und Bergknappen gezwungen, von ihrem geringen Lohn Grubenanteile zu kaufen. Wer sich weigerte, wurde fristlos entlassen. Mayers Plan, alle Einwohner des fürstenbergischen Territoriums zum Kauf von Grubenanteilen zu nötigen, um den darniederliegenden Bergbau zu finanzieren, stieß dagegen beim Landesherren auf Ablehnung.

    In dieser misslichen Lage war es wieder die Grube Sophia, die mit frischen Silberanbrüchen den Gewerken noch einmal Mut machte. Weiteres reiches Silbervorkommen führte erneut zur Prägung eines „Ausbeutetalers“. Noch einmal war Fürst Joseph Wilhelm Ernst dargestellt. Die Rückseite der Münze trug jedoch diesmal das fürstenbergische Wappen. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts lief die neu eröffnete Grube St. Wenzel im Fronbach den Wittichener Zechen den Rang ab. Die Förderung im Wittichener Revier ließ ständig nach. Da 1765 keine Gewinnanteile mehr ausgeschüttet wurden, verloren die Gewerken die Lust, weiterhin zuzuschießen. Außerdem waren de Anteile sehr aufgesplittert. Das Haus Doertenbach hatte nach und nach die meisten der in seinem Besitz befindlichen Kuxe verkauft.

    Kobalt aus Spanien

    Schon seit 1740 reichten die Vorkommen der Wittichener Gruben an Kobalterz nicht mehr aus, um den Bedarf des Blaufarbenwerkes zu decken, das immer noch einen beachtlichen Export zu verzeichnen hatte.

    Deshalb schloss Moses Doertenbach mit der französischen Firma Boyer und L’empereur einen Liefervertrag. Dieses Unternehmen bezog seinerzeit den Kobalt aus Spanien. Anhand der im Stadtarchiv Calw vorhandenen Korrespondenz der Firma Doertenbach können wir den Weg des Kobalts verfolgen.

    Das Kobalterz wurde in Säcken über die Pyrenäen befördert, von Toulouse aus auf dem Canal du Midi nach Lyon verschifft, von dort nach Straßburg gebracht, von wo aus es endlich nach Wittichen gelangte. Wittichener Bergleute wurden sogar von der Firma Doertenbach nach Plan in die Pyrenäen geschickt, um den dortigen Bergbau in Gang zu bringen. Im Jahr 1742 wollten die Holländer den alten Kontrakt nicht mehr erneuern, in dem sie sich zu einer Abnahme von 700 Fass Kobaltfarben jährlich verpflichtet hatten. Sie verlangten statt der bisherigen 4 Prozent jetzt 10 Prozent Rabatt und forderten bessere Farbqualität. Sie machten geltend, dass die kursächsischen Kobaltfarben wesentlich billiger angeboten würden. Die Mitgesellschafter der Farbmühle sahen sich gezwungen, trotz der ungünstigen Bestimmungen den Forderungen der Holländer nachzugeben, um den Absatz für die nächsten Jahre zu sichern, in einer Zeit, in der „alle negotien in ganz Europa so sehr danider ligen, zumalen da so vile Neue fabriquem in den Schmalten, als deren nie gewesen, entstanden“. So steht es im Gewerkentagsprotokoll von 1742 zu lesen.

    Dem Witticher Farbwerk entstand in der 1750 von dem Gengenbacher Abt in Nordrach gegründeten Farbmühle eine unangenehme Konkurrenz. Ein Teil der Brennöfen des Wittichener Werkes wurde deshalb stillgelegt. Da seit 1753 die spanischen Kobaltlieferungen nachließen, mussten erneut andere Bezugsquellen erschlossen werden. Johann Jacob Doertenbach und Johann Georg Zahn, die seit 1744 das alleinige Geschäftsrisiko des Farbenhandels trugen, bezogen fortan böhmischen Kobalt aus Joachimsthal, obwohl dessen Qualität zu wünschen übrig ließ. Auch das Siegerland lieferte den wichtigen Rohstoff. Die beiden Direktoren scheuten sich nicht, trotz des langen Transportweges aus England zusätzlich Kobalt kommen zu lassen, um den Betrieb des Farbwerkes in Gang zu halten. Weitere Bezugsquellen waren Piemont und die Steiermark. Alle diese Maßnahmen konnten jedoch nicht verhindern, dass das Wittichener Farbwerk immer mehr Defizit aufwies. Bald verzeichneten die Rechnungsbücher 10.000 Gulden Schulden.

    Niedergang und Ende des Witticher Bergbaues

    1816 fielen die einst so berühmte „Sophia“ und die „Güte Gottes“ ins Freie. Nach sechsundsiebzig-jähriger ununterbrochener Tätigkeit musste der Abbau auf der „Sophia“ eingestellt werden. Nach den Angaben Vogelsangs konnten während der Betriebszeit von 1725 bis 1816 22.387 Mark Silber sowie 2.553 Zentner Kobalterz ausgebracht werden. Beides zusammen ergab einen Erlös von 555.663 Gulden. Schon diese Zahlen weisen die „Sophia“ als ertragreichste Grube im Wittichener Revier aus. Trotz der ungünstigen Verhältnisse gab das Haus Doertenbach den Bergbau nicht auf. Durch Anregung ihrer Teilhaber, des fürstenbergischen Bergrates Georgi, bildete sich 1826 der „Kinzigtäler Bergwerksverein“, der noch einmal sein Glück mit den alten Gruben versuchte.

    Doch spielten die Gruben von Wittichen, die einst so ertragreich waren, keine Rolle mehr. Um eine breitere Kapitalgrundlage zu haben, vereinigte sich der „Kinzigtäler Bergwerksverein“ 1834 mit anderen Grubengesellschaften des Schwarzwaldes zum „Badischen Bergwerksverein“. Im mittleren Schwarzwald war aber nur der Grube St. Anton in Heubach Erfolg beschieden.

    Im Jahr 1837 sah sich die Firma Doertenbach gezwungen, die alte Farbmühle in Wittichen zu verkaufen, die sie über mehr als hundert Jahre mit zum Teil recht beachtlichem Erfolg betrieben hatte. Die Erfindung und Produktion der neuen künstlichen Ultramarinfarben bedeuteten eine so starke Konkurrenz, dass sich die Herstellung von Blaufarben aus Kobalterz nicht mehr lohnte.

    In der Mitte des 19. Jahrhunderts zog sich die Familie Doertenbach ganz aus dem Bergbau zurück und verkaufte ihre Grubenrechte an die neu gegründete „Kinzigthal-Mining-Association“. Diese Aktiengesellschaft, an der vor allem englisches Kapital beteiligt war,  unternahm noch einmal verschiedene Schürfversuche im Kinzigtal. Unter anderem wurde die altehrwürdige „Sophia“ unter dem Namen „Wheal Capper“ aufgenommen. Als Nachlese wurden noch einmal 983 Pfund gediegenem Silber und 132 Zentner Kobalt gewonnen. Doch mussten die Arbeiten schon 1856 wieder eingestellt werden. Mit dem Auflassen der Grube „Sophia“ endet die Geschichte des Bergbaues im Gebiet von Wittichen. 1935 bis 1939 hat die Mineralogische Studiengesellschaft verschiedene Witticher Gruben aufgewältigt und die Abbauwürdigkeit der Erzgänge im Rahmen des Vierjahresplanes untersucht. In der St.-Georg-Grube am Burgfelsen bei Wittichen förderte man in diesem Zeitraum Manganerz. Mit dem Auflassen der Grube „Sophia“ endet die Geschichte des Bergbaus im Gebiet von Wittichen. 1935 bis 1939 hat die Mineralogische Studiengesellschaft verschiedene Wittichener Gruben aufgewältigt und die Abbauwürdigkeit der Erzgänge im Rahmen des Vierjahresplanes untersucht. Doch kam es nicht zu einem Abbau in größerem Maße. Nach dem zweiten Weltkrieg hat das Vorkommen von uranhaltigen Erzen auf den alten Halden Aufsehen erregt. Eingehende Untersuchungen wurden von Professor Kirchheimer vom Geologischen Landesamt durchgeführt.

    Zum Abschluss soll das Urteil eines Bergbaufachmannes aus dem 19. Jahrhundert erwähnt werden, der davon spricht, dass das Obere Kinzigtal „durch seine unterirdischen Reichtümer ehemals den Ruf eines kleinen Peru in der großen bergmännischen Welt erworben“ habe. Man darf behaupten, dass die Wittichener Gruben zu diesem Ruhm in starkem Maße beigetragen haben.

    Dieser Text wurde von Jürgen Rees für die Heimatchronik „Kaltbrunn / Wittichen einst und jetzt – aufgezeichnet.

    Spuren heute

    Heute sind noch Zeugen der alten Vergangenheit im KLOSTERMUSEUM WITTICHEN ausgestellt. Des Weiteren finden Liebhaber eine sehenswerte Mineraliensammlung in der Bergmannsstube im Gasthaus Martinshof in Kaltbrunn. In der Nähe der Klosterkirche Wittichen ist der Ausgangspunkt für den ca. 7 km langen GEOLOGISCHEN LEHRPFAD. Hier werden auf Schautafeln die verschiedenen Gesteinsformationen dargestellt und erläutert. In den dort vorhandenen 4 Abräumhalden können Liebhaber mit etwas Glück heute noch Mineralien finden.

    Textquellen

    Mit freundlicher Genehmigung. VIELEN DANK.