Könnte ein Bauwerk sprechen, dieser Turm hätte in der Tat viel zu erzählen. Denn immerhin hat er inzwischen über 180 Jahre „auf dem Buckel“ und damit alle möglichen Zeiten erlebt, darunter Kriege und nachfolgende Besetzungen. Manche Ereignisse „rund um den Turm“ sind in Vergessenheit geraten, vieles wurde jedoch dokumentiert und blieb somit der Nachwelt erhalten.
Friedrich August Köhler (1768-1844) Vikar in Gutenberg unternimmt 1804 zwei Fußreisen in das Obere Murgtal und ersteigt dabei jeweils auch die Hornisgrinde. Dabei wird er von Prof. Johann Gottlieb Friedrich Bohnenberger* (1765-1831) begleitet. Bohnenberger, ursprünglich Theologe, hat sich eingehend mit Vermessung, Astronomie und Mathematik befasst … Durch seine mehrere Blätter umfassende „Charte von Schwaben“ (1798-1822) ist er bekannt und berühmt geworden. Zudem gilt er als Begründer der modernen württembergischen Landesvermessung.
Seine Eindrücke hat er handschriftlich als „Einige Notizen über den Schwarzwald gesammelt im August und September 1804“ festgehalten. Vom Dreifürstenstein gingen die beiden Wanderer hinüber zum Signal auf der Hornisgrinde, mit 1163 m Meereshöhe der höchste Punkt des Nordschwarzwaldes. Darüber schrieb er:
„Als wir hinzukamen, waren zu unserem größten Befremden 2 von den gesetzten 5 Signalbäumen umgehauen. Wir hörten nachher beim Oberforstmeister in Freudenstadt, dass die Bauern im Kappler Thal, auf deren Grund und Boden das Signal stund, sie für Freyheitsbäume gehalten. hatten und deswegen umgehauen.“ …
Köhler berichtet noch, dass in Baden der Vorschlag gemacht worden sei, an die Stelle des mittleren Signalbaumes einen Turm zu bauen. Er hatte richtig vermutet, denn tatsächlich wurden im 19. und 20. Jahrhundert auf der Hornisgrinde einige Türme errichtet.
Nach Köhlers Besuch hat man auf der höchsten Stelle der Hornisgrinde ein vierseitiges hölzernes Pyramidensignal aufgestellt, das als wichtiger Triangulierungspunkt für die Landesvermessung diente. Das genaue Baujahr war leider nicht mehr festzustellen.
Bereits 1822 wurde an der Stelle des hölzernen Signals ein 8,5 m hoher quadratischer Steinpfeiler als reines Vermessungsbauwerk errichtet. Weithin sichtbar, konnte er mit den damals schon vorhandenen Instrumenten angepeilt werden.
Nicht von ungefähr kommt dem Bauwerk aus der Sicht des Karlsruher Landesvermessungsamtes der Rang eines technischen Baudenkmales zu, wurden doch von hier aus einst die Landesvermessungsarbeiten vorgenommen. Als „Triangulierung des Großherzogtums Baden“ ging diese Maßnahme in die Geschichte ein. Steinerner Zeuge aus jenen Tagen ist der trigonometrische Punkt, der auf der Platte des Turmes erhalten blieb.
Da das Mauerwerk des Turmes für die Messungen nicht mehr genügend stabil war, wurde er im Sommer 1871 durch ein gleich hohes, massives Bauwerk mit steinerner Schutzhütte ersetzt, das an die europäische Gradmesssung angeschlossen wurde. Der Neubau erhielt, dem Zeitgeist entsprechend, den Namen Bismarckturm.
“Hornisgrinde ist der höchste Berg im nördlichen Schwarzwald und bereits Dreieckspunkt der alten badischen Vermessung. Wegen des sumpfigen Bodens und um über den nahen Wald hinwegsehen zu können war im Jahr 1822 ein quadratischer 2,7 m dicker, 8 Meter hoher massiver Thurm gebaut worden, der sich aber bei einer Untersuchung des Herrn Professor Jordan aus Carlsruhe im Jahre 1869 als zu wenig stabil für genaue Winkelmessungen heraussstellte. Er wurde deshalb abgerissen und unter Leitung des Herrn Jordan in seiner alten Form und Grösse 1871 wieder aufgebaut und in der Mitte ein 1,10 Meter hoher und 0,52 Meter breiter und dicker Sandsteinpfeiler errichtet, dessen Centrum durch einen eingegossenen Messingcylinder bezeichnet und identisch mit dem alten trigono- metrischen Punkte ist. Die Festlegung des Centrums wurde von Herrn Jordan folgendermassen bewirkt. Ausser einem Messingcylinder, genau vertikal unter dem der Pfeileroberfläche, wurden auf dem Thurme unter der ersten Steinschicht noch 4 ähnliche Cylinder in Süd, West, Nord und Ost versenkt, deren Entfernungen respective sind: 1.2890, 1.3695 und 1.2184 Meter. Außerdem wurden unten auf dem Plateau des Berges in denselben Richtungen noch 4 Cylinder in besonderen Funda- mentquadern 0,5 Meter unter dem Boden versenkt, deren Entfernungen vom Pfeilercentrum sind:
- nach Süd 19.8692 Meter
- nach West 19.8604 Meter
- nach Nord 19.9112 Meter
- nach Ost 19.7591 Meter
Zum Nullpunkte diente eine weisse Tafel mit schwarzem Centrum. Die Meereshöhe der Pfeileroberfläche ist 1175 Meter.”
Wenige Jahrzehnte später wurde der Turm mehr und mehr auch für die Wanderer interessant: Besonders Wagemutige bestiegen das Gebäude anfangs über eine Leiter. Für die offizielle Turmbesteigung sorgten schließlich die Vorstandsmitglieder des damals schon existierenden Schwarzwaldvereins Achern um dessen Vorsitzenden Nauwerck, die anno 1892 eine Steiltreppe anbrachten. Wahrscheinlich war den wanderfreudigen Hornisgrindebesuchem auch eine weitere Baumaßnahme zu verdanken, denn alte Aufnahmen zeigen, dass direkt an eine der Turmseiten ein steinerner Anbau erfolgte, der sicherlich als Unterstand gegen die oft heftigen Niederschläge gedacht war. Irgendwann allerdings wurde dieser wieder entfernt.
Kaum einem Wander- oder Naturfreund dürfte es gefallen haben, dass es nach dem Krieg nicht mehr möglich war, den Signalturm zu besuchen, denn er befand sich innerhalb des Zaunes, den die französischen Besetzer errichtet hatten. Besonders sensibel ging das Militär mit den Bauwerken auf der Hornisgrinde nicht um, was auch für den benachbarten Hornisgrindeturm des Schwarzwaldvereins galt. Mitte der 1990er Jahre zogen die Franzosen, mittlerweile von Besetzern zu Freunden geworden, sich aus der Hornisgrinderegion zurück. Das ehemalige Sperrgebiet ging wieder in das Eigentum des Bundesvermögensamtes über. Dieses sorgte dann in der Folge für die Geländeübergabe an die betroffenen Kommunen. Die alten Gemarkungsgrenzen waren damit wieder hergestellt.
Noch sind längst nicht alle Spuren getilgt, die während der Zeit der militärischen Nutzung der Hornisgrinde über fast ein halbes Jahrhundert hinweg dem Bergrücken eingekerbt wurden. Schrottreste und auch Bunker werden noch einige Zeit an diese dunkle Phase der Geschichte erinnern.
Mit der Renovierung des alten Signalturmes wurde nun ein Wahrzeichen aus „alten Zeiten“ saniert. Zu hoffen ist, dass es fortan noch vielen Generationen als Wanderziel oder Aussichtsturm dienen wird. Man würde es sich zu leicht machen, derartige Sanierungsaufgaben allein der öffentlichen Hand zu überlassen, denn Städte und Gemeinden, Landkreise oder gar das Land haben in der Tat vordringlichere Aufgaben. So sah man dies auch seitens des Schwarzwaldvereins Sasbach, als gemeinsam mit dem benachbarten Ottenhöfener Schwarzwaldverein die Initiative zur Renovierung des Turmes ergriffen wurde. Noch in der Amtszeit des mittlerweile zum Ehrenvorsitzenden ernannten Konrad Ernst keimte die Idee, deren Realisierung nun vollendet wurde. Dabei zog auch das Landesdenkmalamt mit und steuerte einen fünfstelligen Zuschuss zu dem Vorhaben bei.
Am 10. Oktober 2001 fanden nun mit der Unterzeichnung des Nutzungsvertrags durch die Gemeinden Sasbach, Sasbachwalden und dem Schwarzwaldverein Sasbach die Sanierungsarbeiten ihren vorläufigen Schlusspunkt. Mittlerweile haben schon viele Dutzend Wanderer die Möglichkeit genutzt, das historische Bauwerk zu besteigen.
Etwas unklar ist, weshalb dieser Signalturm im Volksmund auch „Bismarckturm“ genannt wird. Eine der Vermutungen, wie dieser kleine Turm auf dem höchsten Punkt der Homisgrinde zu diesem Namen kam, geht dahin, dass dieser vielleicht als militärischer Wachturm während des deutsch-französischen Krieges (1870/ 71) gedient haben könnte.
Externe Quellen: Dr. Dr. hc Max Scheifele (in: Auf der Hornisgrinde vor 200 Jahren, Der Schwarzwald, 4/2005)